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Theodor Fontane

Heike Mund
Theodor Fontane (Porträt: ullstein bild, Montage: Philip Kleine / Peter Steinmetz)
Bild: Fotomontage: DW

"Es steht vor mir, als hätt' ich es gestern gesehen. Bald hinter dieser Brücke hörte der Wald auf, und ein kurzer chaussierter Weg kam, von dem aus man, etwas zurückgelegen, ein weites Moor überblickte, darauf, wie Indianerhütten, die ich aus meinen Bilderbüchern kannte, zahllose Torfpyramiden standen."

Der Autor

Theodor FontaneBild: picture-alliance / dpa

Geboren am 30.Dezember 1819 in Neuruppin
Gestorben am 20.September 1898 in Berlin

"Meine Neigung und – wenn es erlaubt ist, so zu sprechen – meine Force ist die Schilderung", schrieb Theodor Fontane 1854 an Theodor Storm. Fontane war die meiste Zeit seines Lebens Journalist. Nicht aus Leidenschaft, sondern mehr aus den pragmatischen Überlegungen des Geldverdienens. Erst als knapp 60-Jähriger begann er, seinen literarischen Neigungen nachzugehen.

Theodor Fontane wird als Sohn eines Apothekers geboren. Seine Vorfahren sind hugenottische Handwerker, die aus Glaubensgründen Frankreich verließen und sich in Brandenburg niederließen. Der kleine Theodor ist fasziniert von der Welt der geheimnisvollen Apothekerflaschen, Pillendosen und Phiolen. Nach einer lückenhaften Schulzeit absolviert er deshalb eine Apothekerlehre und schreibt nebenbei erste literarische Stücke.

1841 übernimmt er eine Apotheke in Leipzig. Von seinem Vater hat er die Leichtlebigkeit, allerdings ohne dessen Sinn für ordentlichen Broterwerb, geerbt. Der 23-Jährige kommt in Kontakt mit dem Herwegh-Club, einem literarischen Zirkel und radikal-demokratischen Debattierclub, der seine politische Haltung stark prägt. Er beginnt revolutionäre englische Arbeitergedichte zu übersetzen. Im Juli 1843 wird er Mitglied im Berliner Dichterverein "Der Tunnel der Spree" und lernt den späteren Nobelpreisträger Paul Heyse und Theodor Storm kennen. Der alte Eichendorff und Gottfried Keller kommen als Gäste.

Theodor Fontanes Geburtshaus, die Löwen-Apotheke im brandenburgischen NeuruppinBild: picture-alliance / akg-images

1847 besteht er sein Staatsexamen in Pharmazie und wird "Apotheker erster Klasse". Aber ein Jahr später ist er mitten unter den Barrikadenkämpfern der 1848er Revolution und begeistert sich vehement für die deutsche Einheit. 1849 hängt er seinen Apothekerkittel an den Nagel. Von jetzt ab widmet er sich der freien Schriftstellerei, aber seine Bücher sind kein Erfolg. 1850 heiratet er seine Schulfreundin Emilie Rouanet-Kummer. Jetzt hat er gesellschaftliche Verpflichtungen zu erfüllen. Er wechselt kurz entschlossen die politischen Seiten und wird Pressereferent der "Centralstelle für Preußenangelegenheiten". Selbstkritisch vermerkt er: "Ich habe mich heute der Reaction für monatlich 30 Silberlinge verkauft... Man kann nun mal als anständiger Mensch nicht durchkommen." Für die Propagandastelle des Innenministeriums wertet er englische Zeitungen aus und liefert ihnen Munition für publizistische Wortgefechte.

In den 1850er-Jahren geht er als politischer Korrespondent nach London. Als Presseattaché soll er preußenfreundliche Artikel in die englische Presse lancieren. Aber er schreibt lieber Reiseberichte über Schottland und journalistische Reportagen über die "Sommer in London".

Emilie FontaneBild: picture-alliance / dpa

Zurück in Berlin findet er zum Glück – inzwischen hat er eine fünfköpfige Familie zu versorgen – gleich eine Anstellung als Redakteur bei der "Neuen preußischen Zeitung", für die er zehn Jahre unter anderem als Kriegsberichterstatter schreiben wird. In dieser Zeit entstehen auch seine berühmten "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" – ein Ausgleich für die journalistische Knochenarbeit auf den Schlachtfeldern der diversen preußischen Kriege. 1870 wird er Theaterkritiker bei der liberalen "Vossischen Zeitung". Erst jetzt kann sich Fontane wirklich seinen literarischen Neigungen widmen: Im Oktober 1878 erscheint sein erster Roman "Vor dem Sturm", gefolgt von einer intensiven Schaffensphase. 1888 gründet Fontane seinen eigenen Verlag und gibt von nun an seine Bücher selbst heraus.

Als er am 20.September 1898 in Berlin stirbt, hinterlässt er der Nachwelt ein großes literarisches Erbe: 17 Romane und Novellen: Mordsgeschichten und Frauenromane, zahllose Balladen, Gedichte und vor allem Briefe: Mehr als 5000 Druckseiten sind von ihm erhalten.


Der Text

Fontane ist als Schriftsteller vor allem durch das Verfassen psychologisch verfeinerter, unterhaltsamer Gesellschaftsromane ("Effi Briest", "Frau Jenny Treibel", "Irrungen und Wirrungen") bekannt geworden. Er schrieb eher altmodisch, mit der Absicht, "nicht zu erschüttern", aber "wenn’s sein kann, geistvolles Geplauder".

"Es ging uns gut hier, und was mitunter anders aussah, daran war das Glück nicht schuld ..."Bild: picture-alliance / akg-images

Seine "Kinderjahre" haben da einen anderen, ernsthafteren Grundton. Geschrieben hat er diese Erzählungen in einer lebensbedrohlichen Situation im Frühjahr 1892 – sechs Jahre vor seinem Tod. Nach einer schweren Grippe hatte er sich eine Morphiumvergiftung zugezogen und war kaum noch in der Lage zu schreiben. Die Diagnose lautete auf Gehirnanämie. Sein Hausarzt machte den unorthodoxen Vorschlag, er solle doch seine Lebenserinnerungen schreiben – und das hatte erstaunlich heilsame Wirkung: "Ich darf sagen, mich an diesem Buch wieder gesund geschrieben zu haben", notierte Fontane in seinem Tagebuch.

"Meine Kinderjahre" umfassen seine ersten zwölf Lebensjahre und erzählen von der Zeit seines Heranwachsens bis ins Jahr 1832. Seine Kindheit verbringt der kleine Theodor anfangs in Swinemünde, wo sein Vater eine Apotheke betreibt. Er verbringt viel Zeit mit Toben und Spielen am Meer. Aber man merkt das gesetzte Alter des Autors an den zum Teil akribisch genauen Beschreibungen der Häfen und Ostseelandschaft, die nicht die Heiterkeit seiner früheren Erzählungen und Balladen haben. Wehmut zieht sich durch seine Kindheitsgeschichten. Theodor Fontane nannte sie später seinen "autobiographischen Roman", der ein großer Lesererfolg zu seiner Zeit wurde.

Fontane ist 74, als sein größter literarischer Erfolg "Effi Briest" erscheint: Als großer europäischer Roman ist er in die Literaturgeschichte eingegangen – mehrfach verfilmt, unter anderem von Regisseur Rainer Werner Fassbinder mit Karl Heinz Böhm in der Hauptrolle.

Der Sprecher

Walter GontermannBild: Nina Grützmacher

Literaturwissenschaften und Philosophie hat er studiert und seine Doktorarbeit über Heinrich Mann geschrieben. Auch deshalb ist Walter Gontermann ein akribischer Analytiker von Sprachnuancen und literarischen Sinnzusammenhängen, wie Fontane selbst. "Die Menschen in Norddeutschland haben nichts Euphorisches, nichts Überbordendes, eher was Genaues, den Finger auf das Entscheidende legend. Das ist das protestantisch Strenge", zieht er lachend den Vergleich, nachdem er Fontanes Texte im Studio gelesen hat.

Walter Gontermann, 1942 in Solingen geboren, hat nach dem Studium seine Schauspielausbildung in München und Köln absolviert. Theater-Engagements führten ihn danach über Schleswig, Bremerhaven, Essen, Düsseldorf, Bonn und Würzburg wieder nach Köln. Dort lebt und arbeitet er als viel beschäftigter Radio- und Hörspielsprecher und Schauspieler. In zahlreichen, auch preisgekrönten TV-Produktionen und Kinospielfilmen stand er vor der Kamera. Bekannt geworden ist er vor allem durch seine Rolle in "Die Musterknaben" und "Die Sieger" unter der Regie von Dominik Graf.

Die Klassiker - Theodor Fontane: Meine Kinderjahre
Sprecher: Walter Gontermann
Produktion: interface studios, Köln
Regie: Heike Mund
Online-Realisation: Claudia Unseld
Redaktion: Gabriela Schaaf