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Politik

Theresa Mays Bittgang

Barbara Wesel
19. September 2018

Theresa May will beim Gipfeltreffen in Salzburg ihre EU-Kollegen zum Einlenken beim Brexit bewegen. Außer warmen Worten dürfte sie allerdings nichts mit nach Hause nehmen. Aus Salzburg Barbara Wesel.

UK Theresa May
Bild: Reuters/P. Nicholls

Mit einem flammenden Appell will Premierministerin Theresa May beim Abendessen ihre europäischen Kollegen zur Kompromissbereitschaft auffordern. Sie sollten auf "unannehmbare Forderungen" verzichten, wie etwa dass Nordirland weiter Teil des Binnenmarkts bleiben solle, um eine Einigung über das Scheidungsabkommen zu erzielen. May wird vor allem darauf drängen, dass die EU ihre Verhandlungspositionen positiv weiter entwickelt, also von eigenen roten Linien abweicht, um britischen Wünschen entgegenzukommen.

Keine milden Gaben

Ratspräsident Donald Tusk hatte in seinem Einladungsschreiben an die Regierungschef vor den katastrophalen Folgen eines sogenannten "wilden Brexit", eines EU-Ausstiegs ohne Abkommen gewarnt. Er wollte Theresa May ursprünglich auch weiter entgegenkommen und eine ausführliche Debatte im Kreis der 28 über die verbleibenden Probleme beim Abendessen ansetzen. Aber dazu kommt es nicht. Die Mitgliedsländer möchten am Donnerstag während des Mittagessens unter sich sein, wenn sie die Lage beim Brexit besprechen. Und klar ist auch, dass sie ihr außer ein paar freundlichen Worten aus Salzburg keine konkreten Zusagen mitgeben werden. Keine milden Gaben also für May, die in zehn Tagen beim Parteitag der Konservativen in Birmingham ihre eigenen Hardliner überzeugen muss.

Die Premierministerin wird darüber hinaus zwar einräumen, dass Großbritannien nach dem EU-Austritt nicht die gleichen Vorteile genießen könne wie vorher. Gleichzeitig aber nennt sie ihren Vorschlag, wonach das Königreich in einer Art Binnenmarkt nur für Güter verbleiben und den reibungslosen Grenzverkehr behalten würde, "ein faires Arrangement, dass für die EU-Wirtschaft wie die UK-Wirtschaft von Vorteil wäre, ohne den Binnenmarkt zu unterminieren". Und sie möchte eine starke Partnerschaft bei der inneren und äußeren Sicherheit.

Hier soll ein "wilder Brexit" verhindert werden: beim informellen EU-Gipfel in SalzburgBild: picture-alliance/APA/picturedesk/B. Gindl

Britische Rosinenpickerei

Diese Kapitel, über eine künftige Kooperation bei Polizei und Sicherheitsbehörden, sind weitgehend unstrittig und liegen im Entwurf bereits vor. Ihren Wunsch auf eine partielle Teilnahme am Binnenmarkt dagegen lehnt die EU ab. Hier verläuft eine der roten Linien der Europäer, die bisher einhellig bestätigen, dass sie keinem Ergebnis zustimmen werden, das den Binnenmarkt schädigt oder untergräbt. Sie betrachten Mays Chequers Vorschlag (ein informeller Name für ein Papier aus dem Juli 2018, in dem die britische Regierung die künftigen Beziehungen zur EU skizziert, Anm. d. Red.), den sie am Sonntag im Interview noch einmal als "einzig mögliche Lösung" bezeichnete, als britische Rosinenpickerei. Ziel sei, sich die Teile der EU raussuchen, die ihnen gefallen, und alles  andere abzuwerfen. Die Befürchtung dabei ist, dass Großbritannien in Zukunft die regelgebundene EU-Wirtschaft unterbieten könnte, wenn man dieses Zugeständnis macht. 

May wiederum will an das Verantwortungsbewusstsein der Europäer appellieren, denn "nachdem sich die britische Seite kompromissbereit" gezeigt habe, sei es nun an der EU, auf London zuzugehen. Das allerdings dürften viele Europäer anders sehen. Chef-Unterhändler Michel Barnier wiederholt an dem Punkt gebetsmühlenartig: Die Briten haben entschieden, die EU zu verlassen und nicht umgekehrt. Jetzt müssen sie mit den Konsequenzen leben. Das scheint vor allem Brexit-Minister Dominic Raab anders zu sehen, der immer wieder mit Attacken gegen Brüssel auffällt und eine Art Bringschuld der Europäer anmahnt. .

Michel Barnier: Briten müssen die Konsequenzen ihres Handelns tragenBild: Reuters/Y. Herman

Die Begleitmusik ist misstönend

Zwar gibt es bei den europäischen Regierungschefs ein gewisses Verständnis für die Zwänge, denen Theresa May  mit ihrer zerstrittenen Partei im Rücken unterworfen ist. Man weiß, dass sie vieles für die heimische Bühne sagt, was in Brüssel schlecht ankommt. Das bezieht sich etwa auch Sprüche wie "Kein Deal ist besser als ein schlechter Deal" . EU-Diplomaten sagen dazu knapp, dass man sich kaum etwas Schlimmeres als "No-Deal" vorstellen könne.

Wenn aber in London gleichzeitig zu Mays Appell in Salzburg Pläne des Innenministeriums publik werden, wonach EU-Bürger in Großbritannien künftig für einfache Jobs vom Arbeitsmarkt ausgesperrt werden sollen, dann erhöht das nicht gerade die Zuneigung bei den betroffenen osteuropäischen Ländern.

Ebenso wenig trägt es zur Vertrauensbildung bei, wenn einer der führenden Brexiteers am vergangenen Sonntag fröhlich erklärte, die Brexit-Vereinbarung würde schließlich nur den gegenwärtigen Premierminister binden. Ein künftiger Amtsinhaber könne sich einfach davon lösen. Man weiß, dass Michael Gove weiterhin Ambitionen auf May's Nachfolge hat. 

Auch die jüngste Aktion der EU-Kommission, die jetzt Großbritannien wegen nicht eingezogener Zölle bei chinesischen Einfuhren mit einer Milliardenklage überzieht, ist durchaus als Hinweis auf britische Unzuverlässigkeit bei manchen Verpflichtungen zu verstehen. Theresa Mays Chequers Plan enthält auch einen Teil zu einer Art Zollunion, die weitgehend auf das Vertrauen in die britische Vertragstreue bauen würde, an der es durchaus Zweifel gibt. 

Der Fahrplan steht

Am Donnerstag Mittag wird erwartet, dass Ratspräsident Donald Tusk einen Sondergipfel für die Endrunde der Brexit-Verhandlungen Mitte November verkünden wird. Beim regulären Treffen im Oktober dagegen dürfte es zunächst ein paar aufgeweichte Formulierungen für künftige Kontrollen an der nordirischen Grenze geben, aber keinen weiteren Fortschritt in der Sache. Die EU lässt weiter Zeit verstreichen und den Druck auf der britischen Seite ansteigen. Die Hoffnung ist auch, dass sich die innerparteilichen Querelen bei den Tories bis dahin beruhigt haben könnten.

Sollte auch dieser Gipfel scheitern, gibt es die allerletzte Chance auf eine Einigung Anfang Dezember. Danach würde der Brexit-Zug dann wirklich unaufhaltsam auf einen No-Deal und den vollen Zugzusammenstoß zusteuern. 

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