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Politik

Theresa Mays letzter Appell

Barbara Wesel
15. Januar 2019

Bis zuletzt kämpfte die britische Premierministerin Theresa May im Parlament für ihr EU-Austrittsabkommen. Alle Zeichen deuten aber auf eine Ablehnung. Barbara Wesel berichtet aus London.

Großbritannien, London: Theresa May - Brexit
Bild: picture-alliance/dpa/House Of Commons/PA Wire

Am Ende bemühte die britische Premierministerin sogar noch die Geschichtsbücher: Wenn die anstehende Entscheidung im Parlament da später beschrieben werde, dann würden die Menschen fragen, ob "wir die Entscheidung umgesetzt haben, die EU zu verlassen, ob wir unsere Wirtschaft und unsere Sicherheit wie auch die Einheit der Union geschützt oder ob wir die britischen Bürger enttäuscht haben". Aber sie erntete für diesen Appell an das Urteil der Nachfahren vor allem Gelächter. 

Die angekündigte Niederlage

"Denkt über den Deal noch einmal nach", forderte Theresa May die Abgeordneten erneut auf. Bei ein paar Parlamentariern aus den eigenen Reihen scheint der Aufruf geholfen zu haben. Fünf Zweifler auf den konservativen Bänken sollen ihre Meinung geändert haben und nun für den Deal stimmen wollen. Andererseits gab es am  Montag einen weiteren Rücktritt von einem der sogenannten Einpeitscher in der Tory-Fraktion. Das erhöht die Zahl der Abgänge wegen des Brexit in Mays Umfeld inzwischen auf 13.

Die Mehrheitsbeschaffer von der nordirischen DUP und über 100 konservative Abgeordnete kündigten erneut an, sie würden Nein sagen. Dazu kommen die große Mehrheit der oppositionellen Labour Party, die schottische SNP sowie die Liberalen. Weit über 400 Abgeordnete könnten gegen May stimmen, so die Berechnungen. Das wären rund zwei Drittel des Unterhauses.

Diese angekündigte schwere Niederlage kann Theresa May allerdings nicht mehr abwenden: Nachdem sie den ersten Termin im Dezember hatte platzen lassen, gibt es jetzt keinen Ausweg mehr. Theresa May kann sich nur noch um Schadensbegrenzung bemühen und einen Ausweg aus der gegenwärtigen Lähmung der britischen Politik suchen.

Unklarer Kurs der Opposition

Was der Premierministerin dabei zugute kommt, ist die unglaubliche Schwäche der Opposition. Eine Mehrheit bei Labour befürwortet inzwischen ein zweites Referendum. Aber Parteichef Jeremy Corbyn behauptet weiter, er könne in Brüssel ein viel besseres Verhandlungsergebnis erzielen, wenn er denn Regierungschef würde.

Allerdings kann sich der Oppositionsführer nicht einmal entscheiden, ob er es wagen soll, ein Misstrauensvotum zu beantragen. Es werde "bald" kommen, sagte er am Montagabend seinen Abgeordneten. Aber Corbyn weiß, das er es voraussichtlich verlieren würde. Denn die Rebellen in der Regierungspartei werden die Reihen schnell wieder schließen, wenn es um die Machtfrage und den Erhalt der konservativen Regierung geht.

Oppositionsführer Jeremy Corbyn sucht bisher auch vergeblich nach Auswegen aus dem Brexit-ChaosBild: Reuters/P. Noble

Eine Mehrheit bei Labour befürwortet schon seit Wochen ein zweites Referendum als Ausweg aus der Krise. Aber Parteichef Corbyn lehnt das ab und hofft weiter, die Tories doch noch aus der Downing Street vertreiben zu können. Vielleicht muss er am Ende noch einlenken, aber er droht bis dahin alle Chancen zu verspielen, die für ihn aus der Zerstrittenheit der Konservativen entstehen.

Nutzlose Geschenke aus Brüssel

Gerade rechtzeitig am Tag vor der Abstimmung in London versuchten die EU-Spitzen, Theresa May noch eine helfende Hand zu reichen. Sie versicherten ihr in einem langen Brief, der Stein des Anstoßes in Gestalt des irischen Backstop sei wirklich nur vorübergehender Art. Niemand wolle die Briten dauerhaft darin festhalten.

Außerdem könne man unmittelbar nach Annahme des Austrittsabkommens in London mit den Gesprächen über ein Handelsabkommen beginnen. Und notfalls sei die EU auch bereit, die Frist für den Brexit Ende März noch etwas zu verlängern. Trotz der Versuche der Premierministerin, das freundliche Schreiben zum Rechtsakt zu erklären, ließ sich von diesen Zusicherungen niemand beeindrucken. DUP und konservative Brexiteers sagen weiter Nein. 

"Ungenügend" hieß deswegen die Zensur, die ihre Gegner Theresa May umgehend erteilten. Brüssel hätte sich die warmen Worte auch sparen können, denn allen Gegner des Brexit-Vertrages brachte der Brief zu wenig. Was sie wollen ist eine Änderung des Austrittsvertrages. Und dazu sagt die EU weiter No.

Wie weiter nach der Niederlage?

Theresa May hat nur wenige Tage Zeit, dem Parlament ihren "Plan B" zu präsentieren. Aber sie ist eingemauert durch den Widerstand in der konservativen Partei und durch ihre eigenen roten Linien. Am wahrscheinlichsten ist also, dass sie nach Brüssel zurückkehrt, um der EU weitere Zugeständnisse abzuringen. Dann könnte sie den Vertrag erneut im Parlament vorlegen. Ob das aber Aussicht auf Erfolg hat, ist zweifelhaft.

Geht Mays "Plan B" schief, dann kommt wohl "Plan C" von parteiübergreifenden Gruppierungen im Unterhaus. Die Abgeordneten könnten etwa mit einer Serie von Abstimmungen über verschiedene Brexit-Varianten feststellen, wofür es überhaupt eine Mehrheit gibt. Oder Labour könnte auf ein zweites Referendum umschwenken und dafür genug Stimmen bei der Gegenseite suchen. Allerdings läuft die Uhr und die Zeit wird immer knapper. Noch wehrt sich Theresa May gegen eine Verlängerung für den Brexit etwa bis Ende Juni, aber sie könnte dazu gezwungen werden.

Die tiefe politische und institutionelle Krise in Großbritannien jedenfalls ist mit der Abstimmung am Dienstag nicht beigelegt. Im Gegenteil - die Schwäche der Regierung, der Opposition und des politischen Systems dürfte in den nächsten Wochen nur noch offener zutage treten.

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