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Zerrissen zwischen Weltstars

Tobias Oelmaier mit sid, dpa
9. Juli 2018

In Thierry Henrys Brust werden beim Halbfinale der WM in Russland zwischen Belgien und Frankreich zwei Herzen schlagen. Denn die Stürmer-Legende der Franzosen arbeitet als Legionär - ausgerechnet für den Gegner.

Russland WM 2018  - Training Belgien
Bild: picture alliance/dpa/AP/H. Ammar

Ist das nun eine Win-Win-Situation oder eine, in der man nur verlieren kann? Thierry Henry ist Rekordtorschütze für die französische Nationalmannschaft, war Kapitän und 1998 Weltmeister - und jetzt will er Belgien helfen, das Finale der WM in Russland zu erreichen, ausgerechnet gegen sein Heimatland (Dienstag, 10.7.2018 im DW-Liveticker). Henry ist seit der EM 2016 Assistenztrainer bei den Belgiern, dabei hätte er sich wohl auch vorstellen können, für die Equipe Tricolore zu arbeiten. "Man hat mir nichts angeboten, niemals", zitierte die französische Sportzeitung L'Équipe eine Aussage Henrys vor einigen Monaten. Gerade mal 8000 Euro pro Monat soll Henry für seine Arbeit erhalten - und die spendet er auch noch für einen guten Zweck.

Nun kann Henry zum entscheidenden Hinweisgeber werden. "Ich denke, er weiß einiges über das Team Frankreichs. Er ist auf unserer Seite - er wird nicht zögern, uns diese Informationen zu geben", sagt Belgiens Verteidiger Thomas Vermaelen. Was Frankreich-Trainer Didier Deschamps, mit dem zusammen Henry 21 Länderspiele ungeschlagen bestritt, zur Aussage verleitete, das Duell mit seinem Landsmann Henry sei "bizarr".

1998 küsste Henry (l.) stolz den WM-Pokal, zusammen mit Youri Djorkaeff. Jetzt möchte er ihn mit Belgien gewinnen.Bild: picture-alliance/dpa/G. Bouys

"Natürlich ist es eine schwierige Situation, das wird nicht leicht für ihn", sagte er am Montag über seinen früheren Mitspieler. "Er sitzt auf der Bank und spielt gegen sein Heimatland. Aber er wusste, dass das passieren kann." Belgiens Kevin De Bruyne mutmaßte: "Vielleicht wird er die französische Hymne singen, was ich normal finden würde."

Stelldichein der Weltstars - De Bruyne gegen Mbappe

Spätestens mit dem Anpfiff in St. Petersburg aber wird die Diskussion um den Assistenztrainer in den Hintergrund rücken. Dann richten sich die Blicke auf die Hoffnungsträger auf dem Platz. Auf De Bruyne etwa, den sein Nationalcoach Roberto Martinez als "Schlüsselspieler" bezeichnet. "Er ist der moderne Spielmacher, er macht Dinge so schnell, dass du sie kaum siehst", sagte der Spanier auf der Pressekonferenz am Montag in St. Petersburg. Und Belgiens Torwart-Legende fordert gar, De Bruyne zum Weltfußballer zu küren.

Einer der Besten der Welt: Kevin De BruyneBild: Reuters/J. Sibley

Martinez schätzt an dem Ex-Bundesligaprofi vor allem seine Flexibilität: "Er kann ja fast alles spielen. Bis auf Torhüter könnte er jede Position auf höchstem Niveau spielen. So gut ist er." Im Viertelfinale kam De Bruyne nicht mehr als defensiver "Sechser" zum Einsatz, sondern durfte sich in etwas offensiverer Position ausleben und überzeugte voll und ganz. Und er hat große Pläne: Mit den Roten Teufeln will De Bruyne in Russland zum ersten Mal das Finale einer Weltmeisterschaft erreichen. "Wir sind hier, um bis zum Ende zu gehen", sagte der frühere Wolfsburger und Bremer.

Dabei ist De Bruyne nur einer, vielleicht der herausragende Spieler einer herausragenden Generation. Thibaut Courtois, Vincent Kompany, Toby Alderweireld, Marouane Fellaini, Eden Hazard oder Romelu Lukaku - elf aus dem Kader in Russland spielen in der englischen Premier League, der Rest ebenso fast ausnahmslos bei internationalen Top-Klubs. Und sie sind im Rausch, das Endspiel so nahe vor der Brust.

Frankreich wartet seit 14 Jahren auf einen Sieg

Aber auch Frankreich ist stark besetzt. Als einziger der vorher gehandelten Favoriten ist das Team von Didier Deschamps noch im Turnier. Während Brasilien, Deutschland, Spanien oder Portugal längst die Segel streichen mussten, haben sich die Franzosen im Großen und Ganzen souverän ins Halbfinale gearbeitet. Und durften sich dabei vor allem auf ihre Top-Stürmer verlassen.

Drei WM-Tore hat der 19-jährige Kylian Mbappe bislang für die Equipe Tricolore erzieltBild: Reuters/P. Olivares

Antoine Griezmann, Olivier Giroud und Kylian Mbappe harmonieren trotz des Altersunterschiedes überraschend gut, und vor allem Wunderknabe Mbappé bringt auch Ex-Bundestrainer Berti Vogts ins Schwärmen: "Kylian Mbappé ist der Beste des Turniers. Seine Schnelligkeit, sein Gespür für den Tempogegenstoß, dazu seine Ballfertigkeit und Schusstechnik machen ihn zum Ausnahmekönner", sagte Vogts dem kicker über seinen Favoriten aus Frankreich: "Wie er hinter die Verteidigungslinie kommt, wie er im Höchsttempo ohne Ball sprintet und den Gegner vor unlösbare Probleme stellt - Mbappé ist der Beste und dabei noch so jung."

"Wir müssen jetzt den Traum bis zum Ende träumen", forderte Frankreichs Bayern-Profi Corentin Tolisso. "Wir wollen als Kollektiv unsere Grenzen überwinden und nach dem Schönsten greifen, was es im Fußball gibt", sagte Kapitän Hugo Lloris: "Wir wollen uns in Frankreichs Fußball-Geschichte verewigen."

Es ist also alles bereitet für ein großes Spiel. In dem Frankreich übrigens, zieht man die jüngere Statistik heran, der Außenseiter ist. Der letzte Sieg der Grande Nation liegt bereits 14 Jahre zurück. Zuletzt musste sie sich dem aufmüpfigen kleinen Nachbarstaat im Juni 2015 bei einem Länderspiel im heimischen Stade de France mit 3:4 geschlagen geben. "Ja", sagte Jean-Marie Pfaff im SID-Interview, "Belgien kann das schaffen." Der Nationaltorwart warnte die Franzosen vor allem vor dem Feind aus dem eigenen Land: "Frankreichs größter Gegner sitzt auf der belgischen Bank." Gemeint ist Thierry Henry.

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