Thomas Reiter: ESA leistet Beitrag zur neuen Raumstation
28. September 2017
Die Ankündigung Russlands und der USA, eine Raumstation in Mondnähe aufzubauen, hat die Europäische Weltraumagentur nicht überrascht, sagt der ESA Koordinator für internationale Agenturen und Astronaut Thomas Reiter.
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DW: Die USA und Russland möchten eine dauerhafte Mond-Orbiter-Station aufbauen, ähnlich wie die Internationale Raumstation (ISS), aber etwas kleiner und eine die um den Mond kreist. Welche Rolle spielt Europa dabei?
Thomas Reiter: Dieser Schritt ist für uns keine Überraschung. Alle Agenturen, die an dem ISS-Programm beteiligt sind, arbeiten bereits seit vielen Jahren an diesem Konzept – und natürlich auch die Europäische Raumfahrtagentur ESA.
Wir sind bereits heute in dieses Programm involviert, denn in Europa – genauer in Bremen – wird das Servicemodul für die amerikanische Orion-Kapsel gebaut. Das wäre das Transportmittel mit dem Astronauten von der Erde zu diesem Deep Space Gateway fliegen würden.
Darüber hinaus haben wir in den vergangenen Jahren andere Optionen betrachtet, mit denen sich Europa an dieser Station beteiligen könnte. Wir haben eine sehr genaue Vorstellung davon, müssen aber noch mit unseren 22 Mitgliedsländern diskutieren wo hier die Interessen der wissenschaftlichen Gemeinde und der Industrie liegen.
Könnte denn auch ein europäisches Modul, Teil einer solchen Raumstation werden?
Absolut. Mit dem Columbus Modul, das seit 2008 als Teil der ISS seinen Dienst versieht, funktioniert das hervorragend. Damit haben wir eine gehörige Erfahrung gesammelt und auch die Achtung unserer internationalen Partner erlangt. Ein solches "Habitation Module" ist genau einer der möglichen europäischen Beiträge.
Wir könnten uns auch vorstellen ein solches Modul gemeinsam mit Japan zu bauen. Das ist eins der Elemente, die wir mit den Mitgliedsländern diskutieren müssen – ob das auch wirklich gewünscht ist.
Die Festlegung der Amerikaner und Russen auf einen Mond-Orbiter ist wegweisend. Was bedeutet das für die Zukunft der ISS?
Die Weiternutzung der ISS für ein weites Spektrum verschiedener Themen in Grundlagenforschung und angewandter Forschung [...] wurde ja bis 2024 verlängert. Rein technisch kann die Station mindestens bis zum Jahr 2028 weiterbetrieben werden.
Von Seiten der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Europa besteht dafür auch ein großer Bedarf. Insofern sind wir sehr froh, dass wir unsere Forschungsprogramme bis zu diesem Horizont ausdehnen können.
Also wird die ISS nicht ersetzt und kommt auf den Schrott?
Das Deep Space Gateway würde die ISS nicht ersetzen. Die Forschung im erdnahen Weltraum ist für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler enorm wichtig und bedeutungsvoll. Wir werden auch nach einer ISS nach Wegen suchen, in Erdnähe solche Forschung weiter zu betreiben. Das Deep Space Gateway ist als Ergänzung zu verstehen.
Wofür bräuchten wir die ISS noch, wenn die neue Raumstation im All ist?
[...] Es ist ein "Sprungbrett" im Sinne einer Testplattform für bestimmte Technologien, wie zum Beispiel Lebenserhaltungssysteme oder leichtere und bessere Materialen für den Strahlungsschutz.
Auf der ISS sind wir durch das Erdmagnetfeld noch sehr gut vor kosmischer Strahlung geschützt. In der Nähe des Mondes ist das nicht mehr der Fall. Wir können also auf der ISS Technologien zur Reife entwickeln, die wir dann in einer Entfernung von 300.000 Kilometern von der Erde einsetzen.
Geht es dann auch wieder zurück auf den Mond?
Es ist natürlich immer eine politische Entscheidung, aber ich erwarte die Rückkehr von Menschen auf den Mond etwa in der zweiten Hälfte des nächsten Jahrzehnts. Und da wäre es natürlich unser Wunsch, dass eine europäische Astronautin oder ein europäischer Astronaut dabei sein wird.
Und würde das dann eher eine einzelne Mondlandung sein, oder kommt dann auch die permanente Mondstation?
Wir betrachten heute Szenarien, in denen wir nicht nur eine Stippvisite machen, sondern wo wir tatsächlich eine permanente Station aufbauen, wo Menschen über längere Zeiträume dort oben arbeiten können – ähnlich wie auf der ISS.
Auch unser Generaldirektor Jan Wörner hat den Aufbau eines Monddorfes in internationaler Zusammenarbeit ins Gespräch gebracht. Das ist auf großes Interesse gestoßen.
Wird das dann auf der uns zugewandten Seite des Mondes sein, oder auf der anderen?
Es sind natürlich Orte sehr interessant, die in den Polarregionen des Mondes liegen, weil man dort größere Wasservorkommen vermutet. Das wäre natürlich günstig für die Versorgung einer solchen permanenten Station. Die erdabgewandte Seite hat eine enorm große Bedeutung, weil [sie] für den Schutz unserer Erde einen wichtigen Beitrag leisten [kann].
Immer wieder fliegen Meteoriten Richtung Erde. Objekte, wie der Meteorit, der Anfang 2013 bei Tscheljabinsk eingeschlagen ist, ließen sich von [dieser Seite] leichter erkennen.
Der Mond könnte sich auch als Plattform eignen um [mit Raketen bzw. Raumschiffen] mögliche größere Objekte von der Erde abzulenken. Es gibt also eine Vielzahl von Gründen, warum der Mond nach wie vor von großem Interesse ist.
Thomas Reiter ist bei der Europäischen Weltraumagentur ESA als Koordinator für Internationale Agenturen für die Beziehungen zu anderen Partnern zuständig. Zuvor war er Direktor für Bemannte Raumfahrt. Als Astronaut hat er 350 Tage auf den Raumstationen MIR und der Internationalen Raumstation ISS verbracht.
Das Interview führte Fabian Schmidt
Neue Rover Generation: Das ist der NASA Rover Perseverance
Der neue und fünfte Mars Rover der NASA ist noch größer und schwerer als alle seine Vorgänger. Nun ist er am roten Planeten angekommen und kann seine Arbeit aufnehmen.
Bild: NASA/JPL-Caltech
Erfolgreiche Landung
Der Perseverance Rover der NASA mit dem Mars-Helikopter Ingenuity ist sicher auf dem Mars gelandet. Nach zwei Stunden intensiver Anspannung brach am Jet Propulsion Laboratory in Pasadena, Kalifornien Jubel aus. Um 20:57 Weltzeit kam am 18. Februar 2021 die Meldung, dass der Rover sicher auf der Marsoberfläche steht.
Bild: NASA/JPL-Caltech/AP/picture alliance
Abschied von der Erde
Anfang Juli 2020 hatten die Ingenieure der NASA den Perseverence (Beharrlichkeit) Mars Rover in diese Atlas V Rakete geladen. Am Donnerstag, den 30. Juli 2020 war es von Cape Canaveral aus auf die Reise gegangen.
Bild: NASA
Vorstellung im Clean-Room
So sah es aus als Perseverance 2019 der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Er wird den bisher modernsten Rover Curiosity bei seiner Arbeit unterstützen. Der neue Rover ist mit etwas über einer Tonne Gewicht nochmal 100 Kg schwerer als sein Vorgänger. Und mit drei Metern auch noch zehn Zentimeter länger.
Bild: NASA/JPL-Caltech
Leistungsfähiger als alle Vorgänger
Perseverance kann mehr Forschungsgeräte und Sensoren laden als Curiosity und auch sein Greifarm mit Kameras und Werkzeugen ist kräftiger. Der neue Rover kann Proben einsammeln. Er ist mit 23 Kameras ausgestattet und mit vielen weiteren Instrumenten. Unter anderem soll er herausfinden, ob sich Sauerstoff aus dem Marsgestein gewinnen lässt. Aber was steht da vor dem Rover auf dem Marsboden?
Bild: NASA/JPL-Caltech
Eine kleine Flugdrohne
Richtig! Ein kleiner Helikopter ist mit an Bord. So etwas gab es noch nie auf einer Planetenmission. Für die Entwickler ist der Einsatz einer Flugdrohne Neuland. Es gibt kaum Erfahrungen mit dem Flugverhalten unter anderen atmosphärischen Bedingungen und einer Gravitation, die um etwa ein Drittel geringer ist als auf der Erde.
Bild: NASA/Cory Huston
Curiosity: Seit 2012 im Einsatz für die Wissenschaft
Curiosity ist der Vorgänger von Perseverance und bislang größte Mars-Rover. Er war am 6. August 2012 auf dem Roten Planeten gelandet, hat seitdem mehr als 22,31 Kilometer zurückgelegt und ist nach wie vor äußerst fit. Seine Energie holt er sich aus einer radioaktiven Isotopenbatterie. Ihm geht die Kraft also praktisch nie aus. Curiosity ist ein komplettes Wissenschaftslabor auf Rädern.
Bild: picture-alliance/dpa/Nasa/Jpl-Caltech/Msss
Beeindruckendes Innenleben
Curiosity besitzt spezielle Spektrometer, die mit Laser-Unterstützung Proben aus der Ferne analysieren können. Eine integrierte meteorologische Station misst neben Temperatur auch Atmosphärendruck, Feuchte, Strahlung sowie Windgeschwindigkeit. Darüber hinaus besitzt der Roboter eine Analyseeinheit zur Bestimmung organischer Verbindungen - immer auf der Suche nach außerirdischem Leben.
Bild: NASA/JPL-Caltech/MSSS
Nicht nur an der Oberfläche kratzen
Der Nachweis, dass Leben auf dem Mars theoretisch möglich wäre, ist dem Rover schon geglückt. Aber Leben gefunden hat er noch nicht. Der Greifarm von Curiosity hat eine richtige Bohrmaschine. Hier nimmt er 2013 eine Probe in der Gelbmesser-Bucht des Galekraters.
Bild: NASA/JPL-Caltech
Ab ins Labor!
Die ausgeklügelte Technik von Curiosity erlaubt es erstmals, die gewonnenen Proben in unterschiedichste Analysegeräte zu füllen. Zunächst gelangt die Bodenprobe durch ein Filtersystem. Dann werden die Teilchen durch Vibration in verschiedene Korngrößen sortiert und an zahlreiche Analysegeräte weiterverteilt.
Bild: picture alliance/AP Photo/NASA
Winziger Vorgänger
Die Vorgänger waren deutlich kleiner: Am 4. Juli 1997 legte der NASA-Mars-Rover Sojourner seine ersten Zentimeter auf dem roten Planeten zurück. Es war das erste Mal, dass ein mobiler Roboter sich quasi allein auf den Weg machte. Er war ausgestattet mit einem Röntgen-Spektrometer zur chemischen Analyse des Bodens und mit optischen Kameras.
Bild: NASA/JPL
Größenvergleich der Rover-Generationen
Auf diesem Foto stehen NASA-Mitarbeiter neben Modellen von drei Mars-Rover- Generationen. Der kleine ganz vorne ist Sojourner - mit 10,6 kg nicht viel größer als ein Spielzeugauto und maximal einen cm/s schnell. Opportunity wiegt mit 185 kg schon mehr als ein Elektrorollstuhl. Curiosity bringt mit 900 kg soviel wie ein Kleinwagen auf die Waage. Die beiden großen erreichen etwa vier bis fünf cm/s.
Bild: NASA/JPL-Caltech
Fast vier Monate im Einsatz
Bis zum 27. September 1997 war Sojourner aktiv. Gut 100 Meter hat er in seinem Leben zurückgelegt. Hier ist eines der letzten Fotos, das die Landesonde Pathfinder von ihrem Begleiter aufgenommen hat - neun Tage bevor der Empfang abbrach. Die Batterie hatte wohl die niedrigen Nachttemperaturen nicht verkraftet.
Bild: NASA/JPL
Wegbereiter für die Technik von morgen
Ohne die Erfahrungen mit Sojourner wären die folgenden drei Mars-Rover-Missionen kaum denkbar gewesen. 2004 ließ die NASA zwei baugleiche Roboter landen: Spirit und Opportunity. Spirit hielt immerhin sechs Jahre lang durch und schaffte 7,7 Kilometer. Der Roboter bezwang Berge, nahm Bodenproben, überstand Winter und Sandstürme. Am 13. Februar 2019 brach dann auch der Kontakt zu Opportunity ab.
Bild: picture alliance/dpa
Viele technische Raffinessen
Opportunity hatte schon 2015 die Marathon-Distanz von 42 Kilometern geschafft und damit noch einen deutlichen Streckenvorsprung vor Curiosity. Der Roboter verfügt über drei verschiedene Spektrometer sowie 3D-Kameras. Zuletzt war er im Perseverance Valley unterwegs - dem "Tal der Beharrlichkeit". Ein Sandsturm besiegelte das Ende der Mission.
Bild: picture-alliance/dpa
Landschaften als Inspiration
Dieses Bild wurde von der Mastkamera von Curiosity aufgenommen. Der Rover soll so lange es geht im Einsatz bleiben - noch weitere fünf Jahre und auch deutlich länger. Irgendwie sieht die Marsoberfläche ja auch gar nicht so ungewöhnlich aus - erinnert sie uns doch an Wüsten auf unserem Planeten. Soll das Grund für Fernweh sein - oder überlassen wir den Mars doch besser den Robotern?