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Thyssenkrupp: Dampf im Kessel

Mischa Ehrhardt
23. November 2017

Der Industriekonzern Thyssenkrupp hat eine gute Bilanz vorgelegt. Dabei hat vor allem das europäische Stahlgeschäft gut abgeschnitten - also genau der Bereich, den Thyssenkrupp in ein Joint-Venture abschieben will.

ThyssenKrupp in Duisburg - Hochofen
Bild: Energie-Agentur NRW /Jochen Tack

Auf dem Weg nach Andernach am Rhein, wo ein Werk des Stahlkochers Thyssenkrupp steht, hat Mike Schürg an diesem Morgen gerade noch Zeit für ein kurzes Telefonat.  Den Sprecher der IG Metall in Nordrhein-Westfalen zieht es zu den protestierenden Kollegen, die sich gerade in Andernach versammeln. Er versteht wie viele seiner Kollegen nicht, was die Zukunftspläne von Thyssenkrupp für die Arbeitsplätze bedeutet. "Uns fehlen schlicht die Informationen", klagt er. Informationen über die geplante Fusion der Stahlsparte von Thyssenkrupp mit der europäischen Stahlsparte des indischen Stahlgiganten Tata Steel.

Proteste der Stahlarbeiter in Andernach (Rheinland-Pfalz) Bild: picture-alliance/dpa/T. Frey

Die Zahlen stimmen

Gut 150 Kilometer entfernt in Essen ist Thyssenkrupp-Chef Heinirich Hiesinger zur gleichen Zeit damit beschäftigt, die Jahresbilanz des Konzerns vorzustellen. Und die kann sich sehen lassen. Der Konzernumsatz ist um neun Prozent gestiegen, auf fast 43 Milliarden Euro. Unter dem Strich hat Thyssenkrupp zwar Verluste geschrieben, das liegt aber in erster Linie an hohen Abschreibungen wegen des Verkaufs der brasilianischen Stahlhütte CSA.

Ansonsten sind die Gewinne geklettert. Der operative, also der Gewinn aus dem täglichen Geschäft, hat auf gut 1,7 Milliarden Euro zugelegt. Das Paradoxe daran:  Vor allem das europäische Stahlgeschäft hat zu diesem guten Ergebnis beigetragen. Grund dafür waren die deutlich höheren Preise auf dem Stahlmarkt. Trotzdem sagt Hiesinger auf der Bilanz-Pressekonferenz: "Davon lassen wir uns nicht blenden."

Er meint damit, dass das Umfeld in der Schwer- und Stahlindustrie schwankungsanfällig ist, einfach ausgedrückt: Auf gute Monate oder Jahre können auch schlechte folgen. Vor allem im aktuellen globalen Umfeld. Zwar haben sich die Stahlpreise wieder etwas erholt - das liegt an einer gut laufenden Weltwirtschaft und deswegen steigenden Nachfrage. Dennoch fließt Billigstahl vor allem aus China in den Markt. Und der drückt die Preise grundsätzlich, was Wettbewerber in Europa schon seit langem beklagen. Zumal die Stahlproduktion in China zum Teil staatlich gestützt wird. Deswegen soll das künftige Heil der Stahlsparte Thyssenkrupps in der Hochzeit mit Tata liegen.

Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger auf der Bilanz-PressekonferenzBild: Reuters/

Beruhigungspillen ohne Wirkung

In dem geplanten Zusammenschluss würden keine Maßnahmen getroffen, die es nicht ohnehin geben würde, sagt Heinrich Hiesinger weiter. Er sei zuversichtlich, "im Dialog mit den Arbeitnehmervertretern eine gute Lösung" zu finden. Die demonstrierenden Mitarbeiter in Andernach am Rhein haben an diesem Tag der Präsentation der Jahresbilanz wohl nichts gegen Dialoge und Verhandlungen. Nur scheinen deren Positionen ebenfalls ziemlich genau 150 Kilometer von Hiesingers entfernt zu liegen. "Wir fordern ein Jahrzehnt Sicherheit für Beschäftigung, Standorte, Anlagen und Investitionen", sagte der stellvertretende Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp Steel Europe, Detlef Wetzel während der Proteste. "Darum wird es bei den folgenden Verhandlungen gehen." Am Tag zuvor hatte in einem Zeitungsinterview gedroht, den Fusions-Plänen im Aufsichtsrat die Zustimmung zu verweigern.

Nummer Zwei in Europa ist das Ziel

Die Pläne der beiden heiratswilligen Stahlkonzerne sehen so aus: Auf beiden Seiten - also bei Thyssenkrupp und der europäischen Stahlsparte von Tata - sollen jeweils rund 2000 Arbeitsplätze wegfallen. Dadurch sollen nach der Fusion Einsparungen zwischen 400 und 600 Millionen Euro möglich sein. Und das wiederum soll die Zukunft des Stahlgeschäftes sichern. "Für mehrere zehntausend Stellen gibt es dadurch eine stabilere und verlässlichere Struktur", sagte Hiesinger. 27.000 Menschen arbeiten in der Stahlsparte von Thyssenkrupp, bei Tata in Europa sind es über 21.000. Durch die Fusion würde nach ArcelorMittal der zweitgrößte europäische Strahlkonzern entstehen.

Es ist wohl genau das, was tausende Mitarbeiter auf die Straße getrieben hat. Die beiden Konzerne haben mehr oder minder detaillierte Pläne für die Zukunft geschmiedet - nur fühlen sich die Mitarbeiter offenbar allein gelassen. Sie machen sich angesichts von 2000 Arbeitsplätzen, die im Zuge der Fusion wegfallen sollen, Sorgen um ihren Arbeitsplatz. Sie bemängeln also, dass bislang nur über sie gesprochen wurde, zu wenig mit ihnen.  Und so bringt Detlef Wetzel an diesem Tag schließlich die Proteste der Mitarbeiter auf einen Punkt: In der Vereinbarung beider Konzerne sei vieles vereinbart worden. "Nur für die Menschen ist nichts, aber auch gar nichts geregelt. Das ist unfassbar, aber wahr".

Das dürfte sich in naher Zukunft ändern - denn dann wird sich die Konzernführung mit Betriebsrat und Gewerkschaften zu Gesprächen treffen. Ob sich dabei allerdings die weit voneinander entfernt liegenden Positionen annähern, das ist eine ganz andere Frage.

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