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PolitikEuropa

Tichanowskaja fordert harte Sanktionen

Irina Filatova
13. Juni 2021

Die im Exil lebende Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja sieht in harten Strafmaßnahmen gegen das Regime Lukaschenko den einzigen Weg. Im DW-Interview spricht sie auch über eine mögliche Rückkehr nach Belarus.

Berlin: Podiumsdiskussion mit Swetlana Tichanowskaja (11.06.2021)
Bild: Nikita Jolkver/DW

Tichanowskaja: Ich habe nicht das Recht aufzugeben

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Swetlana Tichanowskaja wird deutlich: "Lukaschenko versteht nur die Sprache von Macht und von Wirtschaftssanktionen", sagte die belarussische Oppositionelle der DW. "Und diese Mechanismen sollten genutzt werden."

Härtere Sanktionen gegen Machthaber Alexander Lukaschenko seien der einzige erfolgversprechende Weg, Druck auf ihn und seinen Machtapparat auszuüben, so Tichanowskaja, die derzeit in der litauischen Hauptstadt Vilnius im Exil lebt. "Die Sanktionen sollten so hart sein, wie möglich", sagte sie während eines zweitägigen Aufenthalts in Berlin.

Sanktionen gegen einen größeren Kreis

Die letzten drei Runden von Sanktionen der Europäischen Union gegen Lukaschenko und hohe belarussische Beamte hätten eher einen "moralischen Charakter" gehabt, so Tichanowskaja.

Und sie äußerte die Hoffnung, die nächsten Strafmaßnahmen würden auch eine größere Zahl von Beamten der Strafverfolgungsbehörden betreffen, die an Gewalt gegen Pro-Demokratie-Demonstranten und Oppositionelle beteiligt waren.

"Europas letzter Diktator"

Ende 2020 trafen Lukaschenko, kritisiert als "Europas letzter Diktator", seine Regierung und engsten Verbündeten erste Sanktionen der EU. Sie waren Folge der umstrittenen belarussischen Präsidentenwahl vom 9. August 2020 und den anschließenden gewaltsamen Protesten. Tichanowskaja wird von vielen als die Gewinnerin dieser Wahlen angesehen. Die Europäische Union erkennt Lukaschenko nicht mehr als Staatsoberhaupt an.

Zu Gast bei der Talkshow "To the Point" in der DW: Swetlana Tichanowskaja (rechts)Bild: Vladimir Esipov/DW

Derzeit dürfen die 88 sanktionierten Personen, darunter auch Lukaschenko, nicht mehr in die EU reisen und alle ihre europäischen Konten wurden eingefroren. Neben den gelisteten Personen betreffen die Sanktionen auch sieben staatliche Unternehmen und Organisationen im Land.

Derzeitige Sanktionen reichen nicht

Oppositionspolitikerin Tichanowskaja ist überzeugt, dass diese Maßnahmen nicht ausreichen - vor allem seit klar sei, dass Lukaschenko und sein Regime nicht nur eine Bedrohung für die Belarussen seien, sondern auch für andere Staaten.

Die 38-Jährige bezog sich damit auf die durch die belarussischen Behörden erzwungene Landung einer Ryanair-Maschine im Mai. Das Flugzeug war unterwegs von Athen nach Vilnius und wurde, als sie den belarussischen Luftraum durchquerte, angewiesen, in Minsk zu landen - angeblich wegen einer Bombendrohung.

An Bord war aber keine Bombe, sondern Regierungskritiker Roman Protassewitsch gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Sofia Sapega. Auf dem Minsker Flughafen zwangen Sicherheitskräfte den Blogger und seine Freundin, das Ryanair-Flugzeug zu verlassen. Beide sind seitdem in Belarus in Haft.

Appell an EU-Politiker

Ihren Auftritt in der DW-Talkshow "To the Point" nutzte Tichanowskaja für einen Appell an europäische Politiker und sagte, deren Politik "sollte nicht auf dem basieren, was sie im Fernsehen sehen, sondern auf dem Leid der Menschen."

Festnahme eines Demonstranten in Minsk bei Protesten im Vorfeld der Präsidentenwahl (im Juni)Bild: picture-alliance/AP Photo

Stand 12. Juni 2021 berichtet die belarussische Menschenrechtsorganisation Viasna von 477 politischen Gefangenen im Land. Einer von ihnen, Sergej Tichanowski - Swetlana Tichanowskajas Ehemann und ein prominenter Blogger, der bei den Präsidentenwahl gegen Lukaschenko  antreten wollte, wurde im Mai 2020 verhaftet. Ihm drohen derzeit 15 Jahre Haft wegen unterschiedlicher Anklagepunkte, darunter die Organisation von Massenprotesten und Aufruf zum Hass.

"Lukaschenko kann nicht an der Macht bleiben"

Nach der Inhaftierung ihres Mannes trat Swetlana Tichanowskaja als Präsidentschaftskandidatin an. Mit einer großen Gefolgschaft war sie eine ernst zu nehmende Gegnerin. Doch Lukaschenko beanspruchte den Sieg für sich, was zu Massendemonstrationen im ganzen Land führte.

Die Demonstranten wurden gewaltsam unterdrückt und Tichanowskaja musste das Land verlassen. Nur Neuwahlen und ein anderes politisches System könnten die derzeitige politische und humanitäre Krise beenden, sagte sie der DW. "Lukaschenko kann nicht an der Macht bleiben", fügte sie hinzu.

Während ihrer Zeit in der EU habe sie "demokratische Politiker" kennen gelernt, die die Meinung der Menschen ernst nähmen. "Das würde ich auch gerne in Belarus sehen." Was sie persönlich anbelangt, gestand sie, oft müde zu sein und Angst zu haben.

"Aber ich kann nicht aufgeben, denn die Menschen, die im Gefängnis sitzen, geben auch nicht auf. Sie leiden für uns", fügte sie hinzu. "Nur diese Menschen, die Familien derer, die in Belarus unterdrückt werden, haben mir die Energie gegeben, weiterzumachen."

Und auf die Frage, wann sie glaube, nach Belarus zurückkehren zu können, sagt sie: "Ich gehe nachhause, sobald mein Zuhause bereit für mich ist."

Doku über Belarus-Proteste

04:10

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