Kfz-Steuern in der EU
21. Februar 2007Weil er die Gefährlichkeit des Klimawandels erkannt hat, will Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee die Kfz-Steuer "radikal" umbauen. Bis zum Jahresende will er ein Abgabensystem einführen, das den Ausstoß von Schadstoffen und Klimakillern wie Kohlendioxid (CO2) mit einbezieht. Dass Tiefensee Lob von allen Seiten bekommt, zeigt, dass der Vorschlag überfällig war. "Der Plan steht im Koalitionsvertrag der neuen und der alten Bundesregierung“, erklärt Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland (VCD).
Tiefensees Vorstoß ist eine Reaktion auf die jüngsten Vorschläge der EU-Kommission zum Klimaschutz. Die Behörde will den CO2-Ausstoß massiv senken. Auch der Verkehrssektor soll endlich einen Beitrag leisten - bisher ist er nicht in den EU-Emissionshandel einbezogen. Versuche, den steigenden Schadstoffausstoß im Straßenverkehr zu senken, sind gescheitert: Die Selbstverpflichtung der Autobauer, bis 2008 einen Grenzwert von 140 Gramm CO2 pro Kilometer zu erzielen, lässt sich längst nicht mehr einhalten.
Ambitonierte EU-Pläne gescheitert
EU-Umweltkommissar Dimas wollte die Autoindustrie ab 2012 auf einen Grenzwert von 120 Gramm verpflichten. Er scheiterte aber an ihrem Widerstand. Die Hersteller müssen die Emissionen nun nur auf 130 Gramm drücken. Dimas wagte sich weit vor, weil ihm in wichtigen Bereichen wie der Steuerpolitik die Hände gebunden sind. "Nur mit einer umweltgerechten Kfz-Steuer lassen sich die EU-Klimaziele erreichen", sagt aber Gerd Lottsiepen. Deshalb wirbt die Kommission schon seit Jahren für schadstoffbezogene Kfz-Abgaben. Die Freude über Tiefensees Pläne ist in Brüssel daher groß. "Wenn Deutschland mit einer solchen Steuer vorangeht, werden viele andere folgen", frohlockte Industriekommissar Günter Verheugen gegenüber DW-TV.
Deutsche Reform keineswegs neu
Dabei ist Deutschland keineswegs der erste EU-Staat, der seine Kfz-Steuern ökologisch reformiert. Parameter wie Abgaswerte, Spritverbrauch und CO2-Ausstoß fließen als Bemessungsgrundlagen bereits in einigen Ländern in die Besteuerung ein. "Die CO2-Komponente ist in fast allen Staaten aber nur schwach ausgeprägt", sagt Uwe Kunert, Verkehrsexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.
Zurzeit haben neun EU-Staaten eine Zulassungs- oder Kfz-Steuer, die auch vom CO2-Ausstoß abhängt. Das zeigt die Statistik des Verbandes der Europäischen Autohersteller. Österreich, die Niederlande und Portugal belohnen die Anschaffung eines klimafreundlichen Autos mit gestaffelten Tarifen für die Erstzulassung. In Dänemark, Schweden und Großbritannien hängt hingegen die Kfz-Steuer von den Schadstoffwerten ab. Belgien, Frankreich und Zypern wiederum setzen auf eine Kombination aus der einmal fälligen Anmeldegebühr und jährlicher Kfz-Steuer.
Großbritannien hat ein System mit breiter Spannweite
In Großbritannien zahlen Besitzer von Fahrzeugen mit einem CO2-Ausstoß von weniger als 100 Gramm pro Kilometer nichts. Für Dieselfahrzeuge mit einem Ausstoß von mehr als 225 Gramm sind hingegen knapp 320 Euro fällig. Frankreich hat ein ähnliches System für Firmenwagen. Und in Schweden zahlen Fahrer von Standardmodellen 1,62 Euro extra für jedes Gramm CO2, das den Ausstoß von 100 Gramm pro Kilometer übersteigt.
"Die Umgestaltung der Steuer hat sich in England bereits auf den Neuwagenkauf ausgewirkt", sagt Uwe Kunert. In Schweden gab es den gleichen Effekt. In den Niederlanden brachen die Steuereinnahmen so stark ein, dass die Regierung Änderungen an der Reform vornahm. Ein Grund zur Euphorie sind diese Entwicklungen für Uwe Kunert aber nicht. "Die meisten Staaten tun sich noch schwer. Durchschlagende Erfolge hat es noch nicht gegeben."
Lupo-Denken ist gefragt
In Deutschland wird der Erfolg der Reform davon abhängen, ob umweltschonenden Motortechniken zu akzeptablen Preisen auf den Markt kommen. Klimafreundliche Modelle wie der Drei-Liter-Lupo von VW verschwanden vom Markt, weil sie zu teuer waren - und zu wenig für sie geworben wurde. Kräftig geworben wird für große Autos mit hohem CO2-Ausstoß, die in Deutschland besonders oft hergestellt werden. Die ausländische Konkurrenz ist der deutschen Industrie bei der Herstellung umweltfreundlicher Modelle weit voraus, wie Zahlen des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) zeigen: Deutsche Autobauer müssen den CO2-Ausstoß im Jahr um sieben, französische Hersteller aber nur um drei Gramm verringern, um die EU-Vorgaben für 2012 zu erfüllen.
Die Anstrengungen sind notwendig, um Klimafolgekosten in Billionenhöhe zu vermeiden. Das hat der UN-Klimabericht in erschreckender Weise vorgeführt. Gut, dass der deutsche Verband der Automobilindustrie Tiefensees Reform befürwortet. Offenbar hat die Branche die Zeichen der Zeit erkannt. Klimaschonende Autos werden gebraucht, und auch mit ihnen lässt sich Geld verdienen. Nicht nur die Franzosen haben gezeigt, dass dies möglich ist.