Tierisches Übergewicht bei Hund und Katze
2. Januar 2018Der Blick von oben zeigt die Realität. Wenn Ihr Labrador, Mops oder Stubentiger aus dieser Perspektive betrachtet wie eine Tonne aussieht, dann sollten Sie es sich eingestehen: Das Tier ist zu dick. Es gehört zu den 40 bis 60 Prozent der übergewichtigen Haustiere in Deutschland. Tendenz steigend. Nicht nur Herrchen und Frauchen werden immer dicker, auch ihre treuen Begleiter leiden immer häufiger an Übergewicht und Fettleibigkeit. Und wie beim Menschen auch, ist zu viel Speck auf den Rippen mehr als ein rein kosmetisches Problem. Die zusätzlichen Pfunde machen das Leben des Tieres im wahrsten Sinne des Wortes schwerer. Und das, obwohl der Hauptgrund für das Übergewicht des Haustieres ein seltsamer Ausdruck von Liebe ist.
"Das Tier zu füttern ist ein menschliches Bedürfnis", sagt Kathrin Irgang, Tierärztin und Ernährungsberaterin für Hunde, Katzen und Pferde. "Viele Tierbesitzer drücken darüber ihre Zuneigung aus und wollen deshalb gar nicht weniger füttern." Besonders ältere und kastrierte Tiere, deren Stoffwechsel sich verlangsamt haben oder die sich aufgrund von Gelenkproblemen nur noch eingeschränkt bewegen können, gehen dann auf wie ein Hefekloß.
Neben falsch verstandener Liebe spielen Maßlosigkeit und Unwissenheit eine entscheidende Rolle bei der Fütterung der Vierbeiner. "In manchen Haushalten ist der Futternapf ständig voll. Wie viel das Tier am Ende des Tages gefressen hat, lässt sich so gar nicht nachvollziehen", sagt Irgang.
Das Gegenteil von gut ist gut gemeint
Tierisches Übergewicht sei, wie beim Menschen auch, eine Wohlstandskrankheit und ein Problem, das immer größer wird. Auch die Folgen sind die gleichen, sagt die Tierärztin. Bereits vorhandene Gelenkprobleme bei älteren Hunden und Katzen werden größer. Viele Tiere entwickeln Diabetes. Irgang hat Katzen erlebt, die so dick waren, dass sie sich nicht mehr überall putzen konnten, was zu Hautentzündungen geführt hat. Herz-Kreislauf-Probleme nehmen zu. Nach Irgangs Erfahrung sind Hunde, Katzen und Pferde am stärksten von Übergewicht und seinen Folgen betroffen.
Trotzdem die Tiere offensichtlich unter ihrem überschüssigen Fett leiden, sind viele Besitzer erstmal unbelehrbar. Die größte Herausforderung sei es, Herrchen und Frauchen klarzumachen, dass ihr tonnenförmiger Liebling ein ernsthaftes Problem hat, sagt Irgang. "Ich versuche immer, mit dem Body Condition Score (BCS) zu argumentieren."
Mit Hilfe des BCS können nicht nur Tierärzte sondern auch Laien die Fettauflage auf dem Rumpf des Vierbeiners erkennen und so beurteilen, ob das Tier zu dick ist. Die Rippen sollten ohne langes Suchen zu ertasten sein. Von der Seite betrachtet sollte der Bauch vom Brustkorb in Richtung Becken eine Linie nach oben beschreiben und nicht nach unten hängen. Und von oben geschaut darf der Patient eben nicht an ein Fass erinnern, sondern muss eine deutliche Taille vorweisen können, um den Test zu bestehen.
Diät aus Liebe zum Tier
Irgang verordnet den Tierbesitzern zunächst einmal Hausaufgaben. Anhand eines Fragebogens müssen Herrchen und Frauchen ganz genau auflisten, was sie ihren vierbeinigen Freunden am Tag zwischen die Zähne schieben. "Vor allem die Leckerlis zwischendurch werden gerne vergessen", sagt Irgang. Dabei seien das oft richtige Kalorienbomben.
Danach wird ein Ernährungs- und Sportplan erstellt. Doch auch hier geht nichts ohne die Bereitschaft des Tierhalters. Der ambitionierteste Plan nützt gar nichts, wenn er nach zwei Wochen wieder abgebrochen wird. "Die Diät des Haustieres muss immer in den Tagesablauf von Herrchen und Frauchen passen", sagt Irgang. Dabei ist der Abspeckprozess sehr individuell. "Viele Tiere haben zusätzliche Beschwerden, wie Futtermittelallergien, die bei der Auswahl der Nahrung berücksichtigt werden müssen. Grundsätzlich ist es auch hier wie beim Menschen: Eine Kombination aus Bewegung und gesundem Futter bringt den Vierbeiner wieder in Form. Ansonsten ist Durchhaltevermögen im Abspeckprozess angesagt, sagt Irgang. "Drei bis sechs Monate sind für eine Diät realistisch."