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Politik

Schweinen in Deutschland soll es besser gehen

Kay-Alexander Scholz
6. Februar 2019

Dänemark und die Niederlande haben es schon. Nun will auch Deutschland ein staatliches Tierwohlkennzeichen einrichten. Was haben Tiere und Verbraucher davon?

Vorstellung der Kriterien des Tierwohlkennzeichens | Julia Klöckner
Bild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Eine große Mehrheit der Deutschen will am Kühlregal erkennen, ob es dem zum Schnitzel gewordenen Schwein im Stall einst gut ging oder nicht. 81 Prozent wollten deshalb ein Tierwohlkennzeichen, sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner bei einer Pressekonferenz in Berlin. Nun sollten die Verbraucher zeigen, dass ihnen das Thema Tierschutz in der Landwirtschaft nicht nur in Umfragen wichtig sei. Die Deutschen würden im europäischen Vergleich wenig für gute Lebensmittel ausgeben, merkte Klöckner kritisch an - dafür umso mehr für ihr Handy und den Status-Erhalt als Reiseweltmeister. 

Ab dem kommenden Jahr 2020 sollen nach Plänen der Ministerin in den Wurst- und Fleischtheken des Landes Produkte liegen, die ein Label tragen, das aussagt: Diese Schweine lebten besser als andere. Zum Beispiel, weil eine ausgewachsene, 100 Kilogramm schwere Sau nicht nur auf einem dreiviertel Quadratmeter leben musste, sondern in einer ein oder sogar anderthalb Quadratmeter großen Bucht.

Die Realität in deutschen Schweineställen ist meistens weniger artgerechtBild: picture-alliance/chromorange/E. Weingarten

13 Kriterien von der Geburt bis zum Schlachthaus

Auf Salamis oder Schnitzel-Verpackungen sind schon jetzt nicht wenige Label zur Qualitätskennzeichnung gedruckt. Der Unterschied zum staatlichen Tierwohllabel sei nun aber, so die Ministerin, dass gleich 13 Kriterien - und zwar von der Geburt bis zur Schlachtung - zu erfüllen seien. Das sei anders als bei den Haltungskennzeichen einiger Supermarkt-Ketten. Und: Das Label kennt drei Stufen mit steigenden Qualitätsansprüchen. Konkret heißt das zum Beispiel: Die Ferkel bleiben vier, sieben oder 14 Tage bei der Mutter - und können von ihr gesäugt werden.

Oder: Damit den Schweinen weniger langweilig im Stall ist, bekommen sie organisches Knabbermaterial wie Torf, Kompost oder Sägespäne. Durch mehr Platz und Beschäftigung sollen die Tiere davon abgehalten werden, die Schwänze ihrer Nachbarn anzuknabbern oder gar abzubeißen. Was vielleicht skurril klingen mag, ist in der Schweinezucht ein riesiges Problem. Denn so entstehen Infektionen, die mit Pharmaka behandelt werden müssen. Das übliche Abschneiden - im Fachjargon Kupieren - der Schwänze soll so vermieden werden.

Es geht aber auch darum, wie es den Schweinen in ihren letzten Lebensstunden geht. Dürfen sie 24 Stunden lang auf einem Lastwagen zum Schlachthaus transportiert werden oder nur acht oder vier Stunden? Die Vorgaben reichen bis hin zur "Schlachtgeschwindigkeit" und der Höhe des tödlichen Stromstoßes.

Millionenschwere Werbekampagne soll beim Start helfen

Ein Quantensprung für das Tierwohl verspricht das Label nicht zu werden. Zum einen ist es nicht verpflichtend. Zum anderen werden die Bauern erst einmal draufzahlen müssen, um die neuen Bedingungen zu erfüllen. Dass sie ihre teureren Produkte auch loswerden, ist die nächste Herausforderung. Nicht alle Bauern und Verbraucher werden sich das leisten können oder wollen.

Für die Anschubkosten versprach die Ministerin den Bauern Geld vom Staat. Mit insgesamt 70 Millionen Euro soll zudem eine Werbekampagne beim Verbraucher für die Wurst von glücklicheren Schweinen werben.

10 bis 12 Euro werde es teurer - und zwar das ganze Schwein, schätzt die Christdemokratin Klöckner. Sie wolle aber ansonsten nicht in die Preishoheit der Händler eingreifen und halte sich deshalb mit Preisprognosen zurück.

Viele Kritiker

Die Ministerin könnte auch einfach die gesetzlichen Mindeststandards verschärfen, die mit der neuer Kennzeichnung nun übertroffen werden sollen. Doch davon will Klöckner derzeit nichts wissen. Sie spricht von Zielkonflikten, die Kompromisse verlangten. So dürfte es für die Bauern nicht zu teuer werden, weil sie ansonsten wirtschaftlich nicht überleben könnten.

  • Das sehen andere anders - Greenpeace zum Beispiel. Die NGO demonstrierte rund um die Pressekonferenz vor dem Gebäude des Ministeriums in der Berliner Wilhelmstraße. Sie fordert schärfere gesetzliche Vorgaben für die Schweinezucht und eine Pflicht zur Kennzeichnung von Fleisch.
  • "Der Grundfehler bleibt, dass die Ministerin weiter auf Freiwilligkeit setzt", erklärte auch der Deutsche Tierschutzbund.
  • Der Ökolandbauverband Bioland kritisierte, rund 20.000 Bio-Tierhalter, die bereits höchste Standards der artgerechten Tierhaltung praktizierten, würden durch Klöckners Kennzeichnungssystem "ausgegrenzt".
  • Klöckner setze den Verbrauchern "einen weiteren PR-Gag vor, statt echte Verbesserungen" durchzusetzen, urteilte die Verbraucherorganisation Foodwatch.

Und Europa?

Am liebsten, so Klöckner, wäre ihr ein einheitlich europäisches Vorgehen. Wie es zum Beispiel auch die Linkspartei fordert. "Doch wenn ich darauf warte, vergehen viele Jahre", so Klöckner.

Ein erster Schritt, sagt Bundeslandwirtschaftsministerin Julia KlöcknerBild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Der europäische Markt gerade für Schweine ist sehr wettbewerbsorientiert. Was eben auch dazu geführt hat, dass die Bauern immer mehr und billiger produzieren.

Das Tierwohlkennzeichen  beschrieb die Ministerin als wichtigen "Einstieg" und "Kompromiss" und vielleicht auch als "Anstoß auf europäischer Ebene".

Wie das Label schließlich aussehen könnte, ließ Klöckner offen. Das könnte auch daran liegen, dass sie bewusst abwarten will. Im Frühjahr soll es von einer großen Handelskette ein eigenes, neues Label geben. Das staatliche Label muss schließlich auffallen und soll anders aussehen.

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