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Kunst

Das indische Raqs Media Collective im K21

22. April 2018

Ihren künstlerischen Durchbruch hatte das "Raqs Media Collectiv" 2002 auf der documenta. Jetzt kehren die Künstler aus Indien mit ihrer ersten Einzelausstellung nach Deutschland zurück - mit weltpolitischen Impulsen.

Ausstellung Raqs Media Collective Wandskulptur mit Uhr II
Bild: DW/H. Mund

Kennengelernt haben sich die drei Künstler des indischen "Raq Media Collective" an der Filmhochschule in Neu Delhi. Dort nahmen alle drei ihren künstlerischen Anfang - und das merkt man ihrem Werk, das jetzt in Düsseldorf mit 25 Arbeiten zu sehen ist, auch deutlich an: Sie verwenden raumfüllende Filmstills, Videoarbeiten, die fast schon fotografisch funktionieren oder Installationen, die den Bewusstseinsraum durch Videomonitore erweitern.

In allen ihren Arbeiten steht das Phänomen "Zeit" im Zentrum - die Endlichkeit ebenso wie die relative Unendlichkeit von gesellschaftlichen Situationen. Oft gehen sie mit dem filmischen Blick eines Regisseurs an die Themen heran. In der aktuellen Ausstellung im Düsseldorfer K21 Ständehaus setzen sie in ihren raumfüllenden Arbeiten Sprache und historischen Kontext in Beziehung zur Zeit - und das immer wieder anders und extrem vielschichtig.

"Every power has its moment of hybris."

Eine berühmte Fotografie des französischen Fotografen Henri Cartier-Bresson, auf der eine dicht gedrängte Menschenschlange vor einer Bank in Shanghai wartet, re-inszenieren die Künstler als Videoloop: 7 Minuten und 48 Sekunden, kein Ton, Titel: "Re-Run". Alles verdichtet sich in dieser raumhohen Arbeit zu einer sich unmerklich bewegenden Momentaufnahme der Zeit-Geschichte. Das Foto von Cartier-Bresson entstand vor der Bankenkrise im Jahr 1948.

Videostill "Re-Run": Die Raqs re-inszenieren hier ein Foto von Henri Cartier-Bresson aus dem Jahr 1948Bild: DW/H. Mund

"Die Leute haben hier eine Bank gestürmt, um ihre Ersparnisse abzuheben. Und diese in Gold einzutauschen", erklärt Kuratorin Beatrix Hilke. "Hier spielt der Aspekt der Zeit eine ganz wichtige Rolle. Bei diesen Bank-Runs handelt es sich um eine selbsterfüllenden Prophezeiung: die Anleger stürmen eine Bank, heben ihr gesamtes Erspartes ab und dadurch kommt es zu einer tatsächlichen Bankenkrise."

DasRaqs Media Collective sieht darin eine systembedingte Wiederholung. Die Auswirkungen des Kapitalismus seien seit den 1920er Jahren immer gleichgeblieben - und hätten 2018 nichts von ihrer latenten Gefährdung der Weltwirtschaft verloren. Shuddhabrata Sengupta (Jahrgang 1968), selbst Historiker und Künstler, sieht in diesen radikal politischen Ansätzen ihrer Arbeiten einen Zusammenhang mit dem europäischen Begriff der "Aufklärung". Nur wer die Geschichte kennt, könne die Politik heute verstehen.

"Raqs Media Collective" arbeiten immer wieder mit dem Phänomen ZeitBild: DW/H. Mund

"Everything else is ordinary"

Gegründet haben sie ihr Künstler-Kollektiv 1992. Dazu gehören bis heute noch Jeebesh Bagchi (Jahrgang 1965) und die indische Künstlerin Monica Narula (Jahrgang 1969). Alle drei studierten damals Dokumentarfilm an der Jamia-Millia-Islamia-University in Neu-Delhi und begannen, ihre medial ausgerichteten Installationen und Videoarbeiten gemeinsam zu entwickeln. Sie arbeiten künstlerisch immer wieder mit der Relativität des Zeitbegriffs, der in jeder Kultur, ob in Afrika, Indien oder im schnelllebigen Europa eine andere Dimension hat.

Ihre Basisstation ist nach wie vor in der indischen Hauptstadt Neu Delhi, sie bespielen auch in Mumbai und Kalkutta Projekträume und Ateliers. Inzwischen arbeiten die international stark vernetzten Künstler weltweit - auch als Kuratoren.

In Deutschland hatten sie 2002 auf der documenta 12 ihren ersten Auftritt, für sie auch international der Durchbruch als Medien-Kollektiv. Spektakuläre Einzel-Ausstellungen in namhaften Museen und ihre Teilnahme an den Biennalen von Venedig, Istanbul, Taipeh, Liverpool, Shanghai, Sydney und Sao Paulo haben das Rats Media Collective schnell in die erste Liga der internationalen Kunstwelt katapultiert.

Rauminstallation "Things That Happen When Falling in Love" (2010)Bild: DW/H. Mund

Susanne Gaensheimer, die neue Direktorin der Kunstsammlung NRW, zu der auch das K21 Ständehaus gehört, hat die Künstler bereits 2014 in einer Gruppenausstellung des Museums für Moderne Kunst (MMK) in Frankfurt gezeigt. Sie schätzt vor allem die Dichte und die aktuellen Sprachbezüge der Arbeiten: "In dieser sprachlichen Vielschichtigkeit sind die drei Künstler permanent unterwegs. Und es entstehen so künstlerische Momente von großer poetischer Kraft, fast wie Gedichte."

Die Ausstellung im K21 Ständehaus ist noch bis zum 12. August 2018 in Düsseldorf zu sehen. Es gibt einen umfassenden zweisprachigen Katalog (deutsch und englisch), Titel: "Everything else is ordinary".