Geithner lobt Europa
6. Dezember 2011So viel Wohlwollen waren die Europäer von Timothy Geithner gar nicht gewohnt. "Ich bin sehr ermutigt durch die Entwicklungen in Europa in den vergangenen Wochen", sagte der US-amerikanische Finanzminister am Dienstag (06.12.2011) in Berlin. Insbesondere die Reformversprechen der neuen Regierungen in Griechenland, Spanien und Italien und die jüngsten deutsch-französische Initiative zu strengeren Regeln für die Euro-Länder stimmten ihn zuversichtlich.
Rückgewinnung von Vertrauen
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hatte seinen Amtskollegen zuvor über die Vorbereitungen zum nächsten europäischen Krisengipfel am Freitag unterrichtet. "Von diesem Treffen wird die Rückgewinnung von Vertrauen der Finanzmärkte in die Euro-Zone als Ganzes ausgehen", wagte Schäuble zu prophezeien. Auf dem Gipfel soll nach Plänen Deutschlands und Frankreichs beschlossen werden, den Europäischen Stabilitätsmechanismus vorzuziehen. Der dauerhafte Rettungsschirm soll bereits im nächsten Jahr statt wie bisher geplant im Jahr 2013 bereitstehen. Die notwendigen Änderungen in den EU-Verträgen könnten schnell beschlossen und ratifiziert werden, sagte Schäuble.
Ein gern gesehener Gast ist Geithner in den letzten Monaten nicht gewesen in Europa. Als belehrend und ungerecht empfanden viele Europäer, dass ausgerechnet amerikanische Politiker von ihnen größere Anstrengungen bei der Euro-Rettung verlangte. So forderte Geithner beispielsweise, die Europäische Zentralbank solle Garantien für europäische Staatspapiere übernehmen und der Europäische Stabilitätsfonds müsse massiv aufgestockt werden. Beides lehnen vor allem die finanzstärkeren Euro-Länder bisher ab.
Einmischung unerwünscht
Als Geithner im September als Gast bei einem Treffen der EU-Finanzminister mit seinen Forderungen aufgetreten war, reagierten die Europäer deshalb äußerst empfindlich. Er werde die Ausweitung des Europäischen Rettungsfonds "nicht mit einem Nicht-Mitglied der Eurozone diskutieren", beschied Jean-Claude Juncker, luxemburgischer Premierminister und Chef der Euro-Gruppe, den Gast aus Amerika. Und Österreichs Finanzministerin Maria Fekter klagte, sie empfinde es angesichts der amerikanischen Staatsverschuldung und stagnierender Wirtschaftsdaten als "nicht gerechtfertigt, uns zu sagen, was wir zu tun haben."
Die Konjunktur in den USA leidet bis heute stark unter der Wirtschaftskrise von 2008. Und die Staatsverschuldung liegt mit rund 95 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ebenfalls auf sehr hohem Niveau. Verhandlungen über einen Schuldenabbau zwischen den beiden politischen Lagern in Washington sind in den letzten Tagen zum Erliegen gekommen.
Orakel zur EZB
Am Vormittag hatte sich der US-amerikanische Finanzminister in Frankfurt am Main mit dem neuen Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, getroffen, wollte sich aber nicht zu dem Gespräch äußern. "Die Europäische Zentralbank spielt eine zentrale Rolle in dieser Krise und wird das auch weiterhin tun", orakelte er. Und Schäuble erklärte einem amerikanischen Journalisten, dass "jeder in Europa die totale Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank" respektiere. "Verstehen Sie bitte, dass ich niemals irgendeinen Kommentar zur Politik der Zentralbank abgeben werde." Zuletzt war spekuliert worden, ob die Notenbanken in den USA und Europa Geld in einen Krisenfonds des Internationalen Währungsfonds (IWF) einzahlen könnten, und auf diese Weise zur Eurorettung beitragen könnten. "Wir werden eine konstruktive Rolle des Fonds weiterhin unterstützen", sagte Geithner unbestimmt. Weitere Nachfragen waren nicht zugelassen.
Autor: Mathias Bölinger
Redaktion: Sabine Faber