Timo Boll will nach seinen siebten Olympischen Spielen nicht mehr bei internationalen Tischtennisturnieren antreten. Die lange Karriere habe Spuren hinterlassen, sagt der 43-Jährige.
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Die Zeit fordert von jedem ihren Tribut - auch vom "ewigen Boll". "Ich habe die Entscheidung lange vor mir her geschoben und auch Angst vor dem Tag gehabt, sie treffen zu müssen. Aber ich merke, dass ich ein Alter erreicht habe, das doch sehr auf mein Niveau drückt. Und das macht mich unzufrieden", sagte der 43 Jahre alte deutsche Tischtennisstar Timo Boll. "Irgendwann verlierst du den ständigen Kampf gegen die Schmerzen und den Körper."
Boll kündigte an, dass er nach den Olympischen Spielen in Paris (26. Juli bis 11. August) seine internationale Wettkampfkarriere beenden werde. Für seinen Verein Borussia Düsseldorf werde er noch eine Bundesliga-Saison weiterspielen, um seinen Vertrag zu erfüllen, so der Routinier.
In Paris wird Boll sein siebtes olympisches Tischtennisturnier spielen. Damit zieht der Tischtennisstar mit dem ehemaligen Springreiter Ludger Beerbaum und dem Ex-Sportschützen Ralf Schumann gleich, die als deutsche Rekordhalter ebenfalls auf insgesamt sieben Sommerspiele kamen. Wenn man auch die Olympischen Winterspiele mit einbezieht, steht Eisschnellläuferin Claudia Pechstein mit acht Teilnahmen an der Spitze der deutschen Rekordliste.
Nach Verletzung zurückgekämpft
Der Einsatz in Paris ist für Boll die Krönung eines kaum mehr für möglich gehaltenen Comebacks. Im vergangenen Jahr hatte der Routinier wegen einer komplizierten Schulterverletzung für mehrere Monate pausieren müssen. In der Weltrangliste war er auf Position 200 abgerutscht. Obwohl er im Februar auch die Team-Weltmeisterschaft in Südkorea wegen einer Augenentzündung verpasste, meldete Boll sich in diesem Jahr eindrucksvoll in der Weltspitze zurück. Unter anderem gewann er im Januar das internationale Turnier in Doha.
Inzwischen hat sich der Tischtennis-Oldie in der Weltrangliste wieder unter die Top 30 vorgearbeitet. Bestplatzierter Deutscher ist aktuell als Neunter Patrick Franziska, der für die Olympischen Spiele in Paris allerdings nur als Ersatzmann vorgesehen ist. Neben Boll sind Europameister Dang Qiu und Dimitrij Ovtcharov nominiert. Ovtcharov hatte bei den Spielen 2021 in Tokio die Bronzemedaille gewonnen.
Dutzende internationaler Medaillen
"Der Aufwand ist inzwischen zwar sehr hoch, aber ich spüre, dass ich wieder auf ein anderes Level gekommen bin", sagte Timo Boll vor der Olympia-Nominierung durch Bundestrainer Jörg Roßkopf. "Es ist ein gutes Gefühl, gegen die Jungen mithalten zu können."
Als Boll 1996 als Fünfzehnjähriger sein Debüt in der Tischtennis-Bundesliga gab, waren viele seiner heutigen Gegner noch gar nicht geboren. Zwei Jahre später gewann der junge Hesse den ersten seiner 13 deutschen Meistertitel im Einzel. 2002 wurde Boll erstmals Europameister, 2021 gewann er seinen achten EM-Einzeltitel, Boll ist Rekordeuropameister.
Bei Weltmeisterschaften gewann Boll zweimal Bronze: 2011 und 2021. Zudem sammelte er Dutzende internationaler Medaillen im Doppel und im Teamwettbewerb. So gewann er mit der deutschen Mannschaft je zweimal Silber (2008 und 2021)und Bronze (2012 und 2016) bei Olympischen Spielen sowie fünfmal Silber und einmal Bronze bei Weltmeisterschaften. Bei den Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro hatte Timo Boll das deutsche Olympia-Team bei der Eröffnungsfeier als Fahnenträger ins Stadion geführt.
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Superstar in China
Mit 37 Jahren war Boll 2018 vorübergehend auch wieder Weltranglisten-Erster, der älteste aller Zeiten. Bereits 2003 und 2011 war der Deutsche für einige Monate in die Phalanx der dominierenden chinesischen Spieler eingebrochen. Boll hatte schon sehr früh in seiner Karriere seine Spielweise auf die wenigen Schwächen der Superstars aus dem Reich der Mitte eingestellt. Bis heute ist er für die Chinesen ein gefürchteter Gegner geblieben.
Ex-Doppelweltmeister Steffen Fetzner nannte Boll deswegen einmal scherzweise "Staatsfeind Nummer eins in China". Im tischtennisverrückten China ist der Linkshänder aus Deutschland ein Superstar, der auf der Straße erkannt wird. 2007 wurde er in China sogar zum "attraktivsten Mann der Welt" gewählt - vor dem damaligen Fußball-Superstar David Beckham.
Dieser Artikel vom 9. April wurde nach der Rücktrittsankündigung Bolls am 28. Mai aktualisiert.
Oldies but Goldies - Sport-Champions jenseits der 40
Irgendwann ist der Lack ab und man kann mit den Jüngeren nicht mehr mithalten? Viele Ausnahmesportler beweisen das Gegenteil - wie Tischtennisspieler Timo Boll.
Bild: Tom Weller/dpa/picture alliance
Timo Boll - Tischtennis
Monatelang ist Deutschlands erfolgreichster Tischtennisspieler an der Schulter verletzt und rutscht in der Weltrangliste weit ab. Mit dem Sieg beim WTT-Turnier in Doha meldet er sich im Januar 2024 in der Weltspitze zurück. Im Sommer nimmt Boll zum siebten Mal in seiner Karriere an Olympischen Spielen teil. Danach beendet er seine internationale Karriere.
Bild: Tom Weller/dpa/picture alliance
Kazuyoshi Miura - Fußball
Während andere Fußballer mit Mitte 30 an ihr Karriereende denken, spielt "King Kazu" auch mit fast 57 Jahren noch Profi-Fußball. In Portugals 2. Liga läuft er für UD Oliveirense auf. Miura ist seit 2017 ältester Fußball-Profi der Welt und will weitermachen, solange er fit ist. Seine Karriere im Nationalteam Japans beendet Miura bereits im Jahr 2000. Damals ist er aber auch schon 33 Jahre alt.
Bild: Kyodo/picture alliance
Tom Brady - American Football
Als er im Jahr 2000 in die US-Profiliga NFL kommt, ist er bei den New England Patriots nur Ersatzmann. Doch Brady ist ehrgeizig, arbeitet hart und nutzt die Verletzung des Stamm-Quarterbacks. Bald ist er aus dem Team nicht mehr wegzudenken. Sechsmal gewinnt er mit den Patriots den Super Bowl. 2020 wechselt er nach Tampa Bay, holt mit 43 Jahren auch mit den Buccaneers auf Anhieb die Meisterschaft.
Bild: Ben Liebenberg/AP Photo/picture alliance
Phil Mickelson - Golf
Als Phil Mickelson am 23.5.2021 die PGA Championship auf Kiawah Island seinen letzten Putt zum Sieg versenkt, avanciert er zum ältesten Sieger in der Geschichte der Major-Turniere. "Ich hoffe, andere finden auch diese Inspiration", sagt der 50-Jährige anschließend. Viele hatten Mickelson diesen Erfolg nicht mehr zugetraut, nachdem er zuvor acht Jahre auf einen Major-Titel warten musste.
Bild: David J. Phillip/AP Photo/picture alliance
Martina Navratilova - Tennis
Lange Zeit ist sie das Maß aller Dinge im Damentennis: Zwischen 1982 und 1987 ist Navratilova ununterbrochen Nummer eins der Weltrangliste. Sie gewinnt 18 Grand-Slam-Titel im Einzel, alleine neun davon in Wimbledon. 1994 tritt sie zurück, feiert im Jahr 2000 aber ein erfolgreiches Comeback. 2006 holt sie mit 49 Jahren an der Seite des 22 Jahre jüngeren Bob Bryan den Mixed-Titel bei den US Open.
Bild: Andrew Gombert/dpa/picture alliance
George Foreman - Boxen
Als junger Boxer liefert sich George Foreman (l.) legendäre Kämpfe mit Muhammad Ali und Joe Frazier. 1973 wird er Weltmeister, verliert den Titel aber ein Jahr später im "Rumble in the Jungle" an Ali. 20 Jahre danach besiegt er nach erfolgreichem Comeback den amtierenden Weltmeister Michael Moorer (r.) und holt sich mit 45 Jahren den Schwergewichtstitel zurück. Er verteidigt ihn, bis er 49 ist.
Bild: Carlos Schiebeck/dpa/picture-alliance
Birgit Fischer - Kanu
Zunächst für die DDR, danach für die Bundesrepublik, ist sie bei insgesamt sechs Olympischen Sommerspielen dabei und gewinnt acht Goldmedaillen. Den letzten Olympiasieg feiert Birgit Fischer mit 42 Jahren 2004 in Athen. 2012 wäre sie auch in London gerne noch einmal für Deutschland ins Kanu gestiegen, aber ihr Comeback-Versuch mit 50 scheitert, weil sie Herzprobleme bekommt.
Bild: Getty Images/AFP/M. Antonov
Claudia Pechstein - Eisschnelllaufen
Wie Fischer der Regattastrecke, bleibt Claudia Pechstein dem Eis-Oval lange treu. Fünfmal gewinnt sie Olympia-Gold und holt etliche internationale Titel und Medaillen. 2022 in Peking ist sie die erste Wintersportlerin, die an acht Olympischen Spielen teilnimmt. Damals ist sie 49 Jahre alt. "Ich scheine ein bisschen Geschichte zu schreiben", sagt sie selbst über ihre lange Karriere.
Bild: Kazuki Wakasugi/AP/picture alliance
Oscar Gomer Swahn - Schießen
Er ist der älteste Mensch, der jemals eine olympische Medaille gewonnen hat. Nachdem der schwedische Sportschütze Oscar Gomer Swahn (2.v.r.) bereits bei den Spielen in London 1908 und 1912 in Stockholm mit olympischem Edelmetall dekoriert wird, tritt er nach dem Ersten Weltkrieg auch 1920 in Antwerpen wieder an. Er ist 72 als er in der Teamdisziplin "Laufender Hirsch" die Silbermedaille gewinnt.
Bild: imago sportfotodienst
Jeannie Longo - Radsport
Kein männlicher Radrennfahrer ist so erfolgreich wie sie: 13 WM-Titel und ein Olympiasieg stehen neben hunderten Erfolgen bei Eintagesrennen und Rundfahrten auf ihrer Ergebnisliste. Ihre letzte Weltmeisterschaft gewinnt die Französin 2001 mit 43 Jahren. Sieben Jahre später verpasst Longo in Peking, bei ihren siebten Olympischen Spielen, die Bronzemedaille im Zeitfahren nur um eine Sekunde.
Bild: Lucas Schifres/dpa/picture alliance
Gordie Howe - Eishockey
Eishockey ist ein hartes Spiel, doch niemand ist rauer, aber auch geschickter als die kanadische Eishockey-Legende (l.). Howe ist so lange aktiv, dass er sogar gemeinsam mit seinen Söhnen Mark (2.v.r.) und Marty (r.) in einem Profiteam spielen kann. Seine letzte von 1.767 Partien in der nordamerikanischen NHL absolviert er im reifen Alter von 52 Jahren.
Bild: Zuma/IMAGO
Dara Torres - Schwimmen
Die US-Schwimmerin ist 1984 bereits mit 17 Jahren Olympiasiegerin. Nach siebenjähriger Wettkampfpause schafft sie mit 32 Jahren ein Comeback und gewinnt 2000 in Sydney weitere Olympia-Medaillen. Zwei Jahre nach der Geburt ihrer Tochter nimmt sie 2008 in Peking als 41-Jährige erneut an Olympia teil und gewinnt über 50 Meter Freistil und mit zwei Staffeln jeweils Silber.
Bild: Charles Pertwee/dpa/picture-alliance
Noriaki Kasai - Skispringen
Offiziell hat der japanische "Flugsaurier" seine Skisprung-Karriere auch mit über 50 Jahren noch nicht beendet. Allerdings gehört er seit einigen Wintern nicht mehr zum Weltcup-Kader Japans. Kasai wird 1992 mit 20 Jahren Skiflug-Weltmeister und gewinnt 2014 in Sotschi mit 42 Jahren Olympia-Silber - dazwischen etliche andere Medaillen Insgesamt ist er achtmal bei Olympischen Spielen dabei.
Bild: picture alliance/MAXPPP
John Whitaker - Springreiten
Zwar ist das Durchschnittsalter im Reiten generell höher als in anderen Sportarten, doch gehört John Whitaker (Jahrgang 1955) auch hier zu den ältesten Semestern. Trotzdem kann der Engländer in der Weltspitze noch mithalten. Für die britische Equipe reitet der Sieger des Großen Preises von Aachen von 1997 regelmäßig Nationenpreise und nimmt auch als Einzelreiter an großen Turnieren teil.
Bild: Michal Kamaryt/CTK/picture alliance
Björn Dunkerbeck - Windsurfen
Dunkerbeck wächst auf Gran Canaria auf und steht früh auf dem Surfbrett. Schon als Jugendlicher startet er im "World Cup" und gehört bald zur Weltspitze. Seinen ersten WM-Titel feiert der Sohn einer dänischen Mutter und eines niederländischen Vaters mit 20 Jahren. Die 42. und letzte Weltmeisterschaft kommt 2011 hinzu. Damals ist Dunkerbeck 42 Jahre alt.
Bild: Kellner/imago sportfotodienst
Juan Manuel Fangio - Formel 1
Die fünf WM-Titel in der Königsklasse des Motorsports, die Fangio zwischen 1951 und 1957 erringt, sind bis zum Jahr 2003 Rekord. Dann überbietet ihn Michael Schumacher. Fangio ist aber bis heute ältester Formel-1-Weltmeister. Beim letzten WM-Gewinn ist er 46 Jahre alt. Seinen Führerschein macht der Argentinier allerdings erst vier Jahre später, als er schon über 50 Jahre alt ist.
Bild: picture-alliance/dpa
Robert Parish - Basketball
In Boston erarbeitet er sich in den 80er Jahren Legendenstatus. Dreimal wird er mit den Celtics NBA-Champion. Im Spätherbst seiner Karriere wechselt Parish (2.v.r.) dann die Klubfarben und spielt erst für Charlotte und schließlich in Chicago. Als Ersatzcenter der Bulls erfüllt die Nummer "00" ihre Aufgabe und wird 1997 an der Seite Michael Jordans mit 43 zum ältesten NBA-Meister der Geschichte.
Bild: Mark Phillips/AP Photo/picture alliance
Stephane Peterhansel - Rallye
Keiner ist im Wüstensand so schnell wie er: Im Januar 2021 sichert sich der 55-jährige seinen 14. Erfolg bei der Rallye Dakar. Es ist der achte Sieg im Auto für den Franzosen, der zuvor schon sechsmal auf dem Motorrad erfolgreich war. Ältester Dakar-Sieger ist Peterhansel aber nicht. Der Spanier Carlos Sainz war bei seinem Sieg im Jahr 2020 schon 57 Jahre alt.
Bild: Frederic Le Floc'h/DPPI Media/picture alliance