Das Jahr 2020 war sogar für den titelverwöhnten FC Bayern historisch erfolgreich. Die Münchner flogen von Titel zu Titel, von Rekord zu Rekord. Hauptdarsteller der Erfolgsstory: Trainer Hansi Flick.
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Um die Dynamik des Erfolgs des FC Bayern im Jahr 2020 richtig einordnen zu können, ist ein Blick zurück vor die Jahreswende notwendig. Es war der 4. November 2019, als eine Erfolgsgeschichte begann, die sich wohl niemand rund um die Säbener Straße so hätte ausmalen können. Co-Trainer Hansi Flick wurde zum Chef der Bayern-Profis befördert. Nach einem 1:4 der Bayern bei Eintracht Frankfurt und der Beurlaubung von Nico Kovac. "Als er im November 2019 kam, war es so, als wenn einer den Lichtschalter angestellt hätte und dann sind wir in eine Erfolgsstory namens Hansi Flick mit dem ganzen Klub gekommen", sagt Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender des FC Bayern.
Was danach folgte, ist ein Jahr der Superlative für den FCB, das zunächst in einem Triple (Meisterschaft, Pokalsieg, Champions-League-Triumph) gipfelte. Und das in seiner Fortführung mit dem Verlauf der neuen Saison kaum eine Abschwächung fand. "Es ist ja unglaublich, dass ein Trainer, der noch nie Chefcoach in der Bundesliga war, solch eine Leistung gemeinsam mit seinem Trainerteam abliefert. Und das ist ja auch nicht so einfach beim FC Bayern", sagt Michael Rummenigge der DW. "Es war ein außergewöhnliches Jahr, mit dem Namen Hansi Flick verbunden."
Fit zurück aus der Corona-Zwangspause
Der ehemalige Nationalspieler, Profi beim FCB und Bruder von Karl-Heinz, spielte einst - Mitte der 80er Jahre - gemeinsam mit Flick in einem Team. Rummenigge, Flick und Lothar Matthäus bildeten damals eine kleinere Gruppe aus jungen Spielern bei den Bayern, die viel miteinander unternommen haben. "Hansi war sehr ruhig, hat nie geklagt, auch wenn er mal nicht spielte. In ihm müssen damals schon Dinge geschlummert haben, die lange nicht zu sehen waren", sagt Michael Rummenigge. "Solch einen Erfolg habe ich ihm nicht zugetraut. Aber er hat uns alle überrascht."
Sein Potenzial als Trainer kann Flick nun bei den Münchnern voll entfalten. "Es gibt drei Punkte, die ich immer wieder sage: Loyalität, Vertrauen, das braucht jeder Mensch. Aber es muss auch eine gewisse Qualität da sein", sagt Flick über seine Herangehensweise. Und diese Marschroute scheint geradezu optimal zu funktionieren. Flick hat aus einer verunsicherten Mannschaft ein Team geformt, das vor Selbstvertrauen nur so strotzt und auch nahezu perfekt im internen Umgang miteinander harmoniert. Zudem hat er die Corona-Pause mit seinem Trainerteam so gut gemeistert wie kaum ein anderer Fußballlehrer. Die Spieler kamen so fit aus der Zwangspause wie kein anderes Team - und überrannten danach so manchen Gegner.
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Großes Vertrauen
"Es hat noch nie so Spaß gemacht in einer Mannschaft wie jetzt", sagte Torhüter Manuel Neuer nach dem Champions-League-Sieg in Lissabon. Eine beim FC Bayern der Vergangenheit wohl nie da gewesene Erkenntnis. Galt der Klub doch lange als ein Sammelbecken von Stars, die vor allem ihre persönlichen Interessen in den Vordergrund gestellt haben.
"Er hat den Schlüssel zu den Spielern gefunden. Wenn man sieht, was Thomas Müller nochmal für eine Entwicklung genommen hat, dann spricht das einfach für die Qualität von Hansi. Er hat das große Vertrauen bei den Spielern entwickelt. Und wenn die Spieler solch ein Vertrauen spüren, dann passieren manchmal Dinge, mit denen niemand rechnet", sagt der 56-Jährige.
Zudem habe Flick eine nachhaltige Achse im Team der Münchner herausgebildet. Beginnend bei Manuel Neuer über Jerome Boateng, weiter zu Thomas Müller bis hin zu Robert Lewandowski habe der Trainer Schlüsselspieler eingesetzt, die die Verantwortung auf dem Feld übernommen haben. "So etwas muss man erstmal finden in Europa", sagt Rummenigge.
Rekorde ohne Ende
Wie dankbar die Spieler über Flicks Vertrauen waren und wie sehr sie diesen in sie gesetzten Glauben in Motivation umgesetzt haben, zeigt nicht zuletzt die Rekord-Bilanz der Bayern. Hier ein paar Auszüge:
Der FC Bayern ist der erste Verein, der alle Spiele in einer Saison der Champions League gewinnen konnte. Mit 49 von möglichen 51 Punkten in der Bundesliga-Rückrunde sowie einem Torverhältnis von +44 hat die Mannschaft ebenfalls einen neuen Bundesliga-Rekord herausgespielt. Im Schnitt erzielte der FC Bayern unter Hansi Flick 3,1 Tore pro Bundesliga-Spiel - Rekord. Die Bayern waren 30 Pflichtspiele lang ungeschlagen (29 Siege, ein Remis gegen Leipzig) – das ist ebenfalls deutscher Rekord. Die (Erfolgs-) Liste ließe sich weiter fortführen.
Und auch die individuellen Rekorde können sich sehen lassen. Hansi Flick gewann in seiner ersten Saison 88 Prozent aller Bundesliga-Spiele – das ist die historisch höchste Siegquote aller Bundesliga-Trainer. Müller gab 21 Torvorlagen und stellte damit ebenfalls einen neuen Rekord auf. Robert Lewandowski schaffte mit 34 Saisontreffern einen neuen Torrekord für ausländische Bundesligaprofis. Joshua Kimmich lief in der vergangenen Bundesliga-Saison 397,9 Kilometer (im Schnitt 12,7 Kilometer pro Spiel) - ligaweit legte er dami die größte Strecke zurück.
Mit fünf Siegen und einem Remis setzten die Münchner ihre Erfolgsserie in der Champions League auch in der Saison 2020/21 fort, zogen souverän ins Achtelfinale ein. In der Bundesliga haben sie nicht zuletzt aufgrund der hohen Belastung und einiger Verletzungen (Joshua Kimmich, Leon Goretzka) ihre Unbesiegbarkeit eingebüßt - dennoch sind sie wieder der Top-Favorit, es wäre ihr neunter Titel in Folge. "Der FC Bayern ist selten mehr für seinen Spielstil bewundert worden als im Jahr 2020", sagt FCB-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge. Hansi Flick setzt seinen Weg unbeirrt fort.
2020, das Triumphjahr des FC Bayern
Der deutsche Rekordmeister FC Bayern hat 2020 alle Titel abgeräumt, die der Klub gewinnen konnte - und das im Debütjahr Hansi Flicks als Cheftrainer der Münchener. Ein Blick auf die Höhepunkte.
Bild: AFP/M. Childs
Zurück an die Spitze
Am 1. Februar, einem nasskalten Tag in Mainz, lassen die Bayern unter Hansi Flick wieder ihre Muskeln spielen. Der 3:1-Sieg mag wie Routine klingen, bringt den Münchenern aber erstmals seit Niko Kovacs Ablösung als Cheftrainer wieder die Bundesliga-Tabellenführung ein. Thiago Alcantara (2.v.r.) gelingt ein herrliches Tor: Er tanzt die Mainzer Abwehr geradezu aus.
Bild: Getty Images/Bongarts/A. Grimm
Solidarität mit Hopp
Am 29. Februar, dem "Extratag" des Jahres, zeigen die Bayern erneut ihre Extraklasse. Nach rund einer Stunde führen sie in Hoffenheim mit 6:0. Als Bayern-Ultras den Hoffenheimer Mäzen Dietmar Hopp beleidigen, verlassen die Spieler zunächst das Feld, beenden die Partie schließlich aber doch noch: 15 Minuten lang schieben sich Bayern und Hoffenheimer den Ball nur noch gegenseitig zu.
Bild: Imago Images/Hartenfelser
Auf Wiedersehen, Fans!
Das vorerst letzte Spiel der Bayern vor den eigenen Fans steigt am 8. März. Das Stadion ist ausverkauft, der Klub feiert sein 120-jähriges Bestehen: mit einer großen Choreographie der Fans, einem Sondertrikot und einem standesgemäßen 2:0-Sieg gegen den FC Augsburg. Kaum jemand ahnt, dass dies für lange Zeit das letzte Mal sein wird, dass die Bayern vor einem vollen Haus spielen.
Bild: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images
Kimmichs Geniestreich
Nach elfwöchiger Pause wegen der Corona-Pandemie kehrt die Bundesliga als erste europäische Top-Liga zum Spielbetrieb zurück - vor leeren Rängen. Die Bayern gewinnen zum Re-Start 2:0 bei Union Berlin - und eine Woche später 1:0 in Dortmund. Joshua Kimmich trifft mit einem gefühlvollen Heber. BVB-Torwart Roman Bürki (r.) kann dem Ball nur hinterhergucken. Die Vorentscheidung im Meisterrennen.
Bild: AFP/F. Gambarini
Der achte Streich in Folge
Am 16. Juni ist es so weit: Dank eines Tors von Robert Lewandowski siegen die Bayern am drittletzten Spieltag der Saison 1:0 bei den abstiegsbedrohten Bremern und machen vorzeitig die achte Meisterschaft in Serie klar. Für den Rekordmeister ist es der 30. Titel der Vereinsgeschichte - und die erste Trophäe unter Trainer Hansi Flick.
Bild: picture-alliance/GES/POOL/M. Ibo GüngürL
Doppelte Freude
Keine drei Wochen nach dem Triumph in der Bundesliga machen die Bayern auch im DFB-Pokalfinale in Berlin gegen Bayer 04 Leverkusen alles richtig. David Alaba bringt den Meister mit einem Freistoß auf die Siegerstraße. Serge Gnabry und Robert Lewandowski mit einem Doppelpack stellen den 4:2-Sieg und damit das zweite Double in Serie sicher. Leverkusen bleibt wieder mal nur ein Vizetitel.
Bild: Getty Images/AFP/R. Wittek
Historischer Sieg gegen Barça
Mit breiter Brust reisen die Bayern zum coronabedingten Finalturnier der Champions League nach Lissabon, das im K.o.-Modus ausgespielt wird. Im Viertelfinale demütigen sie den spanischen Topklub FC Barcelona und fegen Lionel Messi und Co. mit sage und schreibe 8:2 vom Platz. Erstmals seit 1946 kassiert Barça acht Gegentore. Fußball-Europa reibt sich die Augen.
Bild: picture-alliance/SVEN SIMON/F. Hoermann
Europas Könige
Nach dem 3:0-Halbfinalsieg gegen Lyon treten die Bayern am 23. August im Endspiel gegen einen weiteren französischen Klub an: den von Thomas Tuchel trainierten Meister Paris Saint-Germain. Ein Kopfball von Kingsley Coman (l.) entscheidet das Spiel. Ausgerechnet Coman, der in einem Vorort von Paris aufwuchs und neun Jahre lang bei PSG spielte, sichert den Bayern Europas Krone und damit das Triple.
Bild: Getty Images/AFP/M. Fernandez
Quadrupel
Auch nach drei Titeln sind die Bayern noch nicht satt. Zum späten Saisonabschluss treffen sie am 24. September in Budapest im Supercup-Finale auf den FC Sevilla, den Gewinner der Europa League. Die UEFA sorgt für Diskussionen, weil sie trotz Corona Zuschauer zulässt. Rund 15.000 Fans, darunter knapp 1000 Bayern-Anhänger, sehen den 2:1-Siegtreffer von Javi Martinez (l.) in der Verlängerung.
Bild: Bernadett Szabo/Pool/dpa/picture-alliance
Die magische 23
Der Sieg in Budapest ist der 23. Erfolg der Bayern in Serie, ein neuer Rekord im europäischen Fußball. Den hielt seit 2014 Real Madrid unter Carlo Ancelotti mit 22 Siegen. Die Bayern-Bilanz in dieser Zeit ist beeindruckend: 78 Tore, nur 16 Gegentreffer, zwölfmal zu Null. Wenige Tage später reißt die Serie der Münchener: beim 1:4 in Hoffenheim.
Bild: Reuters/A. Hilse
Titel Nummer fünf
Nach dem Sieg im europäischen Supercup lassen die Bayern am 30. September den Erfolg im deutschen Supercup folgen. Vizemeister Borussia Dortmund müht sich in der Münchener Arena wacker, muss sich am Ende aber doch mit 2:3 geschlagen geben. Der späte Siegtreffer gelingt Joshua Kimmich (Bild).
Bild: Christof Stache/AFP/Getty Images
König Lewa
Es ist das Jahr von Robert Lewandowski. Bayerns Torjäger wird mit 34 Treffern Torschützenkönig der Bundesliga und mit 15 Treffern auch der Champions League. Der Pole hat damit maßgeblichen Anteil am Traumjahr der Bayern. Lewandowski räumt auch bei den Spieler-Ehrungen ab: Nachdem er zu Deutschlands und Europas "Fußballer des Jahres" gekürt worden ist, wird er auch der "Weltfußballer 2020".
Bild: Marco Donato/FC Bayern/Getty Images/picture alliance
Der Flick-Effekt
Nicht einmal ein Jahr ist Hansi Flick Cheftrainer der Bayern und darf sich in der maximalen Ausbeute von fünf Trophäen sonnen: Meisterschaft, DFB-Pokalsieg, Champions-League-Triumph, Erfolge im UEFA- und im deutschen Supercup. Mehr geht nicht - denn die Klub-WM in Katar wird erst im Februar 2021 ausgespielt. Und auch dort heißt der Favorit FC Bayern.