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PolitikEuropa

Wer war Agrarmagnat Oleksij Wadaturskyj?

1. August 2022

Bei einem russischen Bombenangriff starb einer der reichsten Ukrainer: Oleksij Wadaturskyj. In seiner Heimat gilt der Getreidehändler wegen seines Widerstandes gegen die russische Seeblockade als Held.

Ukraine-Krieg - Mykolajiw
Oleksij Wadaturskyj starb bei einem russischen Angriff - im Bild die Zerstörung des Gebäudes der RegionalregierungBild: dpa

Der Tod durch russische Bomben ereilte ihn im Schlaf. In der Nacht auf Sonntag erlitt die südukrainische Stadt Mykolajiw einen der schwersten Bombenangriffe seit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine. Oleksij Wadaturskyj und seine Frau Raissa waren sofort tot, als die Bombe ihr Haus traf. Angriffe sind für Mykolajiw Alltag: Seit Monaten stehen russische Truppen vor den Toren der Stadt, wo ihr Vormarsch von der Halbinsel Krim Richtung Odessa aufgehalten werden konnte.

Die meisten Zivilisten haben die Stadt, die vor dem Krieg eine halbe Million Einwohner zählte, längst verlassen. Zu gefährlich ist das Leben unter Dauerbeschuss. Es gibt kein Trinkwasser, oft auch keinen Strom.

Kein Palast, kein Privatjet

Oleksij Wadaturskyj war mit einem Vermögen von rund einer halben Milliarde Euro einer der reichsten Bürger der Ukraine. Er hat sein Land während des Krieges nicht verlassen und viele Landsleute bewundern seinen Mut. "Er könnte seinen Lebensabend, wie einige andere reiche Ukrainer, in einer Villa in Wien oder in Genf verbringen und nicht unter russischen Bomben. Aber er war anders: mutig und bescheiden." Äußerungen wie diese hört man immer wieder von Insidern der Agrarbranche, die Wadaturskyj kannten.

Ein Kümmerer sei er gewesen, der das Wohl der mehr als siebentausend Mitarbeitenden seiner Firma immer im Blick hatte. Einer, der öfters in der Firmenkantine essen ging, während man von neureichen Agrarbaronen in der Ukraine eher gewohnt ist, dass sie ihren Reichtum zeigen. Doch Paläste und Privatjets waren nichts für Wadaturskyj.

Der 74-Jährige war einer der Pioniere der ukrainischen Marktwirtschaft nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion - ein Selfmademan. Sein Vermögen machte er im Handel mit Getreide. 1991 gründete der Sohn von Kolchose-Bauern aus der Südukraine seine Firma Nibulon zusammen mit Partnern aus Ungarn und Großbritannien. 30 Jahre später gehört Wadaturskyjs Firma mit einem Umschlag von vier bis fünf Millionen Tonnen Getreide jährlich zu den drei wichtigsten Agrarexporteuren des Landes. Bis zu seinem Tod leitete der Unternehmer die Geschicke von Nibulon selbst, in den vergangenen Jahren stand auch sein Sohn Andrij an seiner Seite.

Ein Visionär mit großen Plänen

Auf der Suche nach Geld für seine ambitionierten Pläne profitierte Wadaturskyj von seinem guten Ruf. Große institutionelle Investoren wie die Weltbank oder die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) gewährten Millionenkredite, mit denen der Getreidemagnat Silos und Umschlaghäfen errichtete. Später gab er seiner Firma ein zweites Standbein: Er baute Binnenschiffe, um das Getreide schneller und günstiger von der fruchtbaren Schwarzerde-Region der Zentralukraine in den Süden zu transportieren - nach Mykolajiw oder Odessa, wo es umgeschlagen wurde. "Er investierte jeden Euro in die Zukunft des Unternehmens. Bei ihm konnte man sicher sein, dass er kein Geld beiseite schaffte, um sich ein schönes Leben zu finanzieren", sagt ein Kenner der Branche, der für ausländische Entwicklungsbanken in der Ukraine gearbeitet hat.

Russische Soldaten vor einem ukrainischen Weizenfeld: Die beiden Weizenexportländer konkurrieren auf dem WeltmarktBild: AP/dpa/picture alliance

Legendär war auch Wadaturskyjs Geradlinigkeit. Als 2011 enge Vertraute des damaligen prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch Druck auf ihn ausübten und regierungsnahe Geschäftsleute mit einer feindlichen Übernahme seines erfolgreichen Unternehmens drohten, machte er die Erpressung öffentlich und bat ausländische Geldgeber um Hilfe. Ein Mut, der in der Regierungszeit von Janukowitsch selten war.

Widerstand gegen die russische Blockade

Mit gleicher Entschlossenheit trotzte Oleksij Wadaturskyj auch der russischen Invasion, als Moskaus Truppen im Februar 2022 die Ukraine überfielen und die Schwarzmeerhäfen blockierten. Der Nibulon-Konzern suchte nach alternativen Exportrouten für ukrainisches Getreide. Im April beschloss Wadaturskyj, mit Partnern einen Umschlaghafen in Ismail im Donaudelta zu bauen, um das Getreide flussaufwärts Richtung Mitteleuropa zu exportieren oder bis zum rumänischen Schwarzmeerhafen Constanta zu bringen. Das war lange bevor unter internationaler Vermittlung in Istanbul die Exportvereinbarung mit Russland unterzeichnet wurde. Die Verwirklichung dieser ambitionierten Pläne erlebte Oleksij Wadaturskyj nicht mehr.

Rumäniens größter Schwarzmeerhafen Constanta: Oleksij Wadaturskyj wollte ihn für Exporte nutzenBild: Vadim Ghirda/AP/dpa/picture alliance

Viele Menschen in Kiew vermuten hinter der Bombardierung von Oleksij Wadaturskyjs Haus einen gezielten russischen Angriff. Sein Tod schwächt einen wichtigen Konkurrenten auf dem globalen Agrarmarkt, wo russisches und ukrainisches Getreide in Konkurrenz stehen. Außerdem war Moskau Wadaturskyjs Einsatz für die ukrainische Verteidigungsfähigkeit ein Dorn im Auge. Im November 2021, wenige Monate vor der russischen Invasion, unterzeichnete Nibulon einen Vorvertrag mit dem französischen Schiffsbauer ОСЕА. Auf der Werft in Mykolajiw sollen Patrouillenboote für den ukrainischen Grenzschutz im Schwarzen Meer gebaut werden.

Vor dem Krieg war Oleksij Wadaturskyj außerhalb der Agrarbranche kaum bekannt. Nun wird er in der Ukraine als Held gefeiert. Für viele Menschen wurde er zum Vorbild - nicht nur wegen seines Widerstands gegen die russische Invasion, sondern auch als Geschäftsmann mit klaren Werten.

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