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Politik

Chemnitz: Ein Tatverdächtiger kommt frei

18. September 2018

Rund drei Wochen nach dem tödlichen Angriff auf einen Mann in Chemnitz wird einer der beiden tatverdächtigen Asylbewerber aus der Untersuchungshaft entlassen. Dessen Anwalt erhebt schwere Vorwürfe gegen die Behörden.

Deutschland Chemnitz - Blumen am Tatort
Blumen am Tatort in ChemnitzBild: picture-alliance/dpa/J. Woitas

Nach einem Haftprüfungstermin habe das Amtsgericht Chemnitz den Haftbefehl gegen seinen Mandanten Yousif A. aufgehoben, teilte der Berliner Rechtsanwalt Ulrich Dost-Roxin mit. Die Staatsanwaltschaft in Chemnitz bestätigte dies. Wie eine Sprecherin zudem mitteilte, bleibt der zweite Tatverdächtige, ein 23-jähriger mutmaßlicher Syrer, weiter in Untersuchungshaft. Das Amtsgericht habe die von dessen Anwälten beantragte Aufhebung des Haftbefehls abgelehnt.

Strafverteidiger: Haftbefehl war "rechtswidrig"

Der Strafverteidiger von A., einem  22-jährigen mutmaßlichen Iraker, bezeichnete die Aufhebung des Haftbefehls gegen seinen Mandanten dagegen als "überfällig". A. habe "ohne jeden Tatverdacht" mehr als drei Wochen in Untersuchungshaft verbracht, erklärte Dost-Roxin auf seiner Website. Den Haftbefehl gegen A. bezeichnete der Strafverteidiger als "rechtswidrig". Keines der Beweismittel belaste seinen Mandanten. Es sei "ein Phantasiegebilde der Staatsanwaltschaft", dass sein Mandant einer der Mittäter gewesen sein könnte.

"Kein Tatzeuge bezichtigte meinen Mandanten der Tatbeteiligung. Zeugen konnten ihn auf Lichtbildern nicht identifizieren. Die Polizei fand ein Messer mit Blutanhaftungen der Opfer. Aber Fingerabdrücke meines Mandanten befanden sich daran nicht", schreibt Dost-Roxin und bezeichnet die im Haftbefehlsantrag vom Staatsanwalt benannten Beweise als "Fake-Beweise".

Schwere Vorwürfe gegen die Behörden

Der Strafverteidiger erhob in diesem Zusammenhang schwere Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft in Chemnitz und den zuständigen Untersuchungsrichter, denen er die Missachtung von Rechtsstaatsprinzipien vorwirft. Zumindest der Untersuchungsrichter habe "zweifellos rechtswidrig gehandelt". Rechtliche Schritte zur Sühne des erlittenen Unrechts, auch gegen verantwortliche Beamte in der Justiz, gegen Regierungsmitglieder in Sachsen und im Bund, würden geprüft, erklärt Dost-Roxin weiter.

In Chemnitz war Ende August ein 35-jähriger Mann erstochen worden. Schon kurz nach der Tat nahm die Chemnitzer Polizei A. und einen zweiten Tatverdächtigen fest. Gegen beide wurde Haftbefehl erlassen. Medienberichten zufolge bestritten die Festgenommenen eine Tatbeteiligung. Nach einem dritten Tatverdächtigen, einem Iraker, wird noch international gefahndet. Der Tatvorwurf lautet auf gemeinschaftlichen Totschlag.

Aufmarsch rechter und rechtsradikaler Gruppen nach dem Tod eines 35-Jährigen in ChemnitzBild: Jan Woitas/dpa/picture alliance

Kein Polizeischutz für den entlassenen A.

Den Tod des Deutsch-Kubaners nahmen rechte und rechtsradikale Gruppen zum Anlass für Demonstrationen und Aufmärsche in Chemnitz. Dabei kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen und Übergriffen gegen ausländisch aussehende Menschen, Politiker und Journalisten. Zudem wurde ein jüdisches Restaurant angegriffen. 

Nach der Haftentlassung von A. bereitet sich die Polizei in Chemnitz nun auf mögliche neue Demonstrationen vor, wie ein Sprecher der Polizeidirektion auf Anfrage der Deutschen Welle mitteilte. Man behalte die Lage im Auge. Polizeischutz für A. wird es dagegen offenbar nicht geben. "Personenschutz für mutmaßliche Straftäter ist aus meiner Sicht nicht vorgesehen", sagte Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) in Dresden.

ww/sti (afp, dpa, rtr)

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