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Politik

Todesurteile gegen Minderjährige im Iran

10. Oktober 2018

Aufgrund von Scharia-Bestimmungen werden im Iran immer wieder Todesurteile vollstreckt, die gegen einst Minderjährige gefällt wurden. Nicht immer gelingt die Begleichung der Schuld durch "Blutgeld".

Deutschland Proteste gegen Hinrichtung von Iranerin
Bild: picture-alliance/dpa/M. Villagran

Nicht alle Hinrichtungen im Iran werden nach ihrer Vollstreckung offiziell bestätigt. Die von Zeinab Sekaanvand schon. Die 24-Jährige Kurdin wurde am 2. Oktober im westiranischen Urumia hingerichtet. Vor sieben Jahren soll Zeinab Sekaanvand ihren Mann umgebracht haben. Damals gab sie bei ihrer Vernehmung ein Geständnis ab, das sie später widerrief. Sie beschuldigte ihren Schwager, ihren Ehemann erstochen zu haben, jener habe sie auch mehrfach vergewaltigt.

Wie Amnesty International berichtet, hatte dieser Schwager Zeinab Sekaanvand versprochen, sie bei einem Geständnis zu begnadigen. Nach islamischem Gesetz ist es möglich, dass die Familie eines Mordopfers den Täter begnadigt und stattdessen einen finanziellen Ausgleich fordert. Falls es dieses Versprechen tatsächlich gegeben hat, wurde es gebrochen. Die Familie des Ehemanns bestand auf Vergeltung.

"Man darf nicht glauben, dass die Familie des Opfers jetzt glücklich wäre", sagt die Rechtsanwältin Masoumeh Tahmasebi im Telefongespräch aus Teheran der Deutschen Welle. "Den Fall von Zeinab Sekaanvand kenne ich zwar nicht persönlich. Aber ich kenne andere Familien, die solche Entscheidungen getroffen haben und nun darunter leiden."

Zeinab Sekaanvand: Mit 17 Jahren nach fragwürdigem Prozess wegen Mordes verurteilt und nun hingerichtetBild: humanrightsiniran

Schwerer Kampf gegen die Todesstrafe im Iran

Tahmasebi ist eine der wenigen Anwältinnen, die sich um zum Tode verurteile Minderjährige kümmert. Das Thema Todesstrafe ist ein heikles Thema im Iran. Prominente Kämpfer gegen die Todesstrafe sitzen im Gefängnis. So wie die Menschenrechtsanwältin und Sacharow-Preisträgerin Nasrin Sotoudeh oder Narges Mohammadi, die stellvertretende Geschäftsführerin des iranischen Menschenrechtszentrums.

Mehr als die Hälfte aller von Amnesty International weltweit dokumentierten Hinrichtungen im Jahr 2017 wurden im Iran vollstreckt: 507 Verurteilte wurden im vergangenen Jahr hingerichtet. Mindestens fünf Verurteilte darunter waren zum Tatzeitpunkt minderjährig. Der Iran ist das einzige Land, in dem auch straffällige  Minderjährige zum Tode verurteilt werden. Dieses Urteil wird nach Vollendung des 18. Lebensjahres vollstreckt – wenn es keine Begnadigung gab.

Dabei hat der Iran die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet. Laut dieser Konvention gilt jede Person unter 18 als Kind. Das islamische Gesetz im Iran sieht das anders. Demnach sind Mädchen schon ab neun Jahren und Jungen ab 15 Jahren strafmündig. Ab diesem Alter dürfen Kinder im Iran auch legal heiraten. 24 Prozent aller Ehen in diesem Land werden von Menschen geschlossen, die noch keine 18 Jahre alt sind. Die am 2. Oktober hingerichtete Zeinab Sekaanvand war im Alter von 15 Jahren  verheiratet worden. Zwei Jahre lebte sie mit ihrem Mann zusammen. Den Polizisten berichtete sie, er habe sie körperlich und psychisch schwer misshandelt. Einen Anwalt hatte sie bei ihrer Vernehmung nicht dabei.

Kampf gegen die Todesstrafe ist auch ein Kampf gegen die Scharia im Iran Bild: Irna

Unter dem Vergeltungsprinzip leiden alle

Schon zu Jahresbeginn war im nordiranischen Noshar die 20-jährige Mahboubeh Mofidi hingerichtet worden, auch hier ist der Hintergrund eine frühe Verheiratung. Sie soll im Alter von 16 Jahren zusammen mit ihrem Schwager ihren Mann umgebracht haben. Mit diesem war sie schon als 13-jähriges Mädchen verheiratet worden. Auch ihr Leben lag in den Händen der Familie ihres Mannes. Sie musste über die Vollstreckung des Urteils entscheiden - und entschied sich für Rache.

Mit Gerechtigkeit habe das nichts zu tun, urteilt die Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi. Die Juristin und Menschenrechtsaktivistin betont im Interview mit der Deutschen Welle: "Vergeltung ist keine Gerechtigkeit. Wenn im Iran jemand  dieses Recht auf Vergeltung zugesprochen bekommt, kann er über Freiheit und Tod eines anderen Menschen entscheiden."

Rechtsanwältin Masoumeh Tahmasebi erläutert, dass auch die Familien des Getöteten durch dieses traditionelle Rechtsinstrument – im modernen Verständnis eher Unrechtsinstrument - überfordert seien. "Diese Familien denken traditionell. Wenn ein Ehemann ermordet wird und die Ehefrau ein Verhältnis mit ihrem Schwager zugibt, wird es für sie zu viel.  Sie denken an ihre Ehre und sie müssen nach dem Verlust eines geliebten Menschen über das Leben oder den Tod eines anderen Menschen entscheiden – und ein Leben lang mit dieser Entscheidung leben." 

Wenn die Familie des Getöteten zustimmt, kann die Schuld auch mit Geld beglichen werden Bild: Imago/Upi Photo

Diskrete Umwandlung von Todes- in Geldstrafe

Die Anwältin sagt, dass Berichterstattung über solche Fälle eine humane Lösung sogar noch komplizierter mache. Man versuche oft diskret, mit der Hilfe von Nichtregierungsorganisationen eine Lösung zu finden. Diese sammeln Geld, um den Familien von Getöteten sogenanntes "Blutgeld" zahlen zu können. Daraufhin sehen manche Familien von der Verhängung der Todesstrafe ab.

Mit ihrem Mandaten Benjamin Rasouli ist Masoumeh Tahmasebi immer noch im engen Kontakt. Benjamin wurde im Alter von 16 Jahren zum Tode verurteil. Er soll seinen Freund umgebracht haben. Mit gespendetem "Blutgeld" konnte seine Anwältin die Vollstreckung des Urteils abwenden. Heute arbeitet der 27 Jährige in einem Friseursalon in Teheran.

 

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