Togo und die Deutschen
12. Januar 2010DW: Wie sehen die Togolesen heute die Deutschen?
Amegan: Die meisten Togolesen haben heute noch ein positives Vorurteil gegenüber den Deutschen. Es ist verwunderlich, denn die Deutschen haben uns genauso grausam kolonisiert, wie die Franzosen. Aber Vorurteile sind eben hartnäckig. So denken viele meiner Mitbürger, es ginge dem heutigen Togo besser, wenn die Deutschen länger geblieben wären, an Stelle der Franzosen.
DW: Dabei fing die deutsche Kolonisation eher hinterlistig an…
Amegan: Die Deutsche Kolonisierung Togos basierte auf einer Lüge. Die deutschen Herrscher behaupteten, die Togolesen hätten sie um Schutz vor den Engländern gebeten, was nicht stimmte. Es waren vielmehr die deutschen Händler, die an der Küste angesiedelt waren, die Ende des 19. Jahrhunderts um die Hilfe der deutschen Regierung baten. Sie wollten den Engländern aus Ghana keine Steuer für deutsche Importwaren zahlen – etwa Schießpulver, Waffen oder den Schnaps, der aus Hamburg kam. Damals nannten sie Togoland (heute: Ghana und Togo) ein "herrenloses Land", weil sie dort steuerfrei handeln konnten, was den Engländern im Westen nicht gefiel. So kam 1884 Gustav Nachtigal nach Togoland. Er war der Reichsbeauftragte auch für Kamerun. Obwohl Bismarck es von ihm zunächst nicht verlangte, gab er dem Druck der deutschen Händler nach und nahm sich vor, Togo zu besiedeln. Er stellte das Land unter deutsche "Schutzherrschaft" und kreierte die sogenannte "Schutztruppe". Für die lokale Bevölkerung waren es extrem harte Zeiten. Die Schutztruppe sollte jeden Versuch eines Aufstandes im Keim ersticken. Der Distriktchef von Kpalimé, Baumann, benutzte zum Beispiel einen vermeintlichen Angriff in Tové als Rechtfertigung für Massaker in fünf Dörfern. Die Schutztruppe wollte der Bevölkerung Angst einjagen. Auch im Süden an der Küste.
DW: Gab es Beziehungen zwischen den deutschen Kolonialherrschern und der lokalen Bevölkerung?
Amegan: Die Deutschen, die nach Togoland geschickt wurden, waren junge Männer. Aber sie durften offiziell keine einheimischen Frauen heiraten. Heutzutage gibt es noch Mischlinge aus Beziehungen zwischen Deutschen und Togolesinnen, die sich bemühen, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen, aber sie haben keinen Anspruch, denn die Ehen wurden nicht offiziell anerkannt. Die Deutschen gingen zu den Dorfchefs und bekamen junge Mädchen gegen Schnaps oder Tabak. So hatten sie keinerlei moralische Verpflichtungen diesen Mädchen und ihren Kindern gegenüber. Im Archiv habe ich einen Deutschen gefunden, der sieben Frauen gleichzeitig hatte. Zum Glück gab es in Lomé ein Heim von katholischen Schwestern, die sich um diese Kinder kümmerten – die Steyler Missionare. Sie führten ein präzises Register, in dem man nachlesen kann, ob der Vater sich um das Kind kümmerte oder nicht.
DW: Vor Ihnen auf dem Tisch liegen Notarakten aus dem Archiv. Was sind das für Dokumente?
Amegan: Es sind Streitfälle. Viele Deutsche konnten damals ein Grundstück oder ein Haus für einen Appel und ein Ei erwerben – in dem Fall für eine Flasche Schnaps. Nun streiten sich die vermeintlichen Erben, und die historischen Akten müssen studiert werden, damit die Justiz urteilen kann, wem diese Grundstücke zustehen. Ich muss zugeben, dass dieses von den Deutschen akribisch geführte Archiv uns Forschern sehr hilfreich ist.
DW: Wie kamen Sie eigentlich dazu, Deutsch zu lernen?
Amegan: Ich war an einer katholischen Sekundarschule, die von französischen Priestern verwaltet wurde. Ich kann mich erinnern, dass die Namen unserer Deutschlehrer – es waren Elsässer – uns sehr exotisch vorkamen: Pater Riegert, Pater Götz… Wir Schüler fanden diese Namen sehr amüsant, weil sie von den französischen Namen abwichen, die wir bisher kannten. Der Klang der deutschen Sprache hat mir erst gefallen, dann die Poesie und die Ideen.
DW: Wie motivieren Sie heute ihre Germanistik-Studenten?
Amegan: Eine schwierige Frage… Denn Deutsch-Studenten haben wenige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt. So ermutige ich nur diejenigen, die ohnehin sehr motiviert sind. Deutsch ist ein "Plus" für Jugendliche, aber Englisch ist eben die Sprache, die man heutzutage beherrschen muss, wenn man ins Ausland geht. Nichtsdestotrotz bleibt die Beziehung zwischen Togo und Deutschland eine besondere. Es ist eine Art tief verwurzelte Liebe, die auch in den nächsten Jahrzehnten fortbestehen wird.
Das Gespräch führte Sandrine Blanchard
Redaktion: Klaudia Pape