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Politik

Togos Opposition geht wieder auf die Straße

Katrin Gänsler
17. Oktober 2017

Seit Monaten demonstrieren Zehntausende in Togo gegen Präsident Gnassingbé. Der aber denkt nicht an Rücktritt und hat die Proteste verboten. Die Demonstranten wollen trotzdem wieder auf die Straße gehen.

Demonstranten in schwarzen T-Shirts mit der Aufschrift "Faure must go"
Bild: picture-alliance/dpa/A.Obafemi

Im Sylvanus Olympio-Krankenhaus im Zentrum der Hauptstadt Lomé schleppen sich einige Patienten von einem Gebäude zum nächsten. Im Gras liegen aussortierte Matratzen neben vollen Müllbeuteln. Die Türen einiger Patientenzimmer stehen offen: Dicht an dicht stehen dort die Betten. Der Geruch der Reinigungsmittel ist beißend scharf und verursacht Kopfschmerzen. "Schaut euch das hier an", sagt ein junger Krankenpfleger im Vorbeigehen. "Einige Leute liegen auf dem Boden. Es gibt zwar einen Sozialdienst, aber der kümmert sich nicht. Die Menschen leiden und sterben."

Offiziell darf der Pfleger keine Auskünfte geben. Darum spricht er leise und will seinen Namen nicht nennen. Doch die Wut über die Zustände in der Klinik ist ihm anzumerken. Auch er hat sich hat der Opposition angeschlossen und unterstützt die Demonstranten, die mehrmals im Monat den Rücktritt von Präsident Faure Gnassingbé fordern. Seit mehr als zwölf Jahren ist Togos Staatschef schon an der Macht. Zuvor hatte sein Vater das kleine westafrikanische Land mit seinen rund 7,6 Millionen Einwohnern 38 Jahre lang regiert.

"Weniger als ein Arzt für 10.000 Patienten"

14 Parteien und zivilgesellschaftliche Organisationen organisieren die Protesten gegen Gnassingbé. Der Chirurg David Ekoué Dosseh steht an der Spitze der neuen Bewegung "Front citoyen Togo debout". Der 48-Jährige kritisiert seit Jahren das marode Gesundheitssystem und die schlechten Arbeitsbedingungen. "Lomé ist die Hauptstadt. Hier haben wir etwa vier Ärzte für jeweils 10.000 Einwohner", zitiert Dosseh aus dem vorletzten Entwicklungsplan der Regierung. "Aber sobald man Lomé verlässt, dann kommt weniger als ein Arzt auf 10.000 Patienten."

Togos Gesundheitssystem ist in einem schlechten Zustand, Patienten müssen oft stundenlang auf einen Arzt wartenBild: DW/K. Gänsler

Togo habe ein "katastrophales Gesundheitssystem" sagt Dosseh. In anderen Bereichen, wie dem Bildungssektor, sieht es aber nicht besser aus. Gut jeder dritte Einwohner über 15 kann nicht lesen und schreiben. 58 Prozent der Menschen leben nach verschiedenen Schätzungen unter der Armutsgrenze. Sie müssen jeweils mit einem Betrag von gerade mal 1,61 Euro am Tag auskommen.

Opposition lehnt Referendum ab

In Westafrika ist Togo heute der einzige Staat, der seit fünf Jahrzehnten von einer einzigen Familie regiert wird. "Warum muss Togo eine Ausnahme bleiben? Ich will keine Ausnahme sein, sondern ein Bürger wie alle anderen auch", kritisiert Dosseh. Das sieht man auf dem Kontinent ganz anscheinend anders. Von der Afrikanischen Union (AU) und der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS bekommt die Opposition wenig Hilfe.

AU und ECOWAS unterstützen stattdessen den Plan der Regierung, ein Referendum abzuhalten. Das hatte sie Anfang September angekündigt, als die Proteste immer stärker wurden. Die Wähler sollen darüber abstimmen, wie lange der Präsident an der Macht bleiben kann. Nathanael Olympio, Interimspräsident der togoischen Partei, empfindet den Vorschlag jedoch als Beleidigung: "Das Referendum basiert auf einem Gesetz, das die Regierung ganz allein gemacht hat." Etwas anderes sorgt ihn aber noch mehr: "Egal, ob die Antwort ja oder nein lauten wird: Das Regime wird auch danach an der Macht bleiben."

Oppositionspolitiker Olympio lehnt das geplante Referendum abBild: DW/K. Gänsler

Verfassung von 1992 begrenzt die Amtszeit schon

Doch es gibt noch einen viel pragmatischeren Grund, der aus Sicht der Opposition gegen die Abstimmung spricht. Im Jahr 1992 bekam Togo eine neue Verfassung. Sie begrenzt die Amtszeit auf zwei Mandate -  somit kann der Präsident maximal zehn Jahre regieren. Die Regelung soll endlich eingehalten werden, sagt auch Oppositionsführer Jean-Pierre Fabre: "Das wichtigste heute ist, dass wir hart bleiben. Ich habe eine Position, von der ich nicht abweiche. Und genau das ist die Position der Bevölkerung."

Fabre fordert deshalb: "Wir müssen mit dem aktuellen Staatschef über seine Abdankung verhandeln." Anschließend soll eine Übergangsregierung Neuwahlen vorbereiten. Da mitunter bis zu 100.000 Menschen zu den Demonstrationen kommen, scheinen die Chancen besser zu stehen, als in den Jahren zuvor. Damals verebbten Proteste schnell wieder. Jetzt halten sie an. Für die Regierungskritiker bedeutet das aber auch: An jedem Tag, an dem sie auf die Straße gehen, haben sie kein Einkommen. Wird der ökonomische Druck zu groß, könnte das irgendwann zum Ende des Widerstands führen.

Spekulationen und Szenarien zum Machtwechsel

Oppositionspolitiker Nathanael Olympio ist trotzdem zuversichtlich. "Mit dem ganzen Engagement, das wir heute haben, und den aufrechten Menschen wird es uns gelingen, den Jahreswechsel als Demokratie zu feiern", sagt er überzeugt. In Togo kursiert aber noch ein mögliches zweites Szenario: Faure Gnassingbé bleibt bis zum Ende seines Mandats im Jahr 2020 an der Macht und tritt dann nicht erneut an.