Japans Problem mit Rechtspopulismus
19. Juli 2025
Rechtspopulistische Parteien in Japan erfreuen sich steigender Unterstützung und sagen der Dauerregierungspartei LDP den Kampf an. An diesem Sonntag werden 125 Sitze im japanischen Oberhaus neu gewählt. Die Amtszeit beträgt sechs Jahre. Alle drei Jahre wird die Hälfte der Sitze neu besetzt. In der bleibenden Hälfte hält die Koalition zwischen LDP und ihrem Regierungspartner Komeito 75 Sitze. Um die Mehrheit im Oberhaus zu erhalten, müssen sie 50 von 125 neu zu wählenden Plätzen gewinnen. Das scheint eine Herausforderung zu sein.
Zwei der größten rechtsorientierten Parteien sind Sanseito und die Konservative Partei Japans (CPJ). Ihre politische Gesinnung ist im Ansatz vergleichbar mit der einer rechtsextremen Partei in Deutschland, der Alternative für Deutschland (AfD), und der "Make America Great Again (MAGA)"-Bewegung unter US-Präsident Donald Trump.
Die japanische Regierungskoalition vertritt bei vielen politischen Grundsatzfragen den Kurs der Mitte. Die rechten Parteien haben gleichzeitig mit Erfolg einwanderungsfeindliche Ansichten in den Wahlkampf eingebracht. "Wenn die in Japan lebenden Ausländer oder die nervigen Touristen in den eher ruhigen Seitenstraßen der Großstädte wie Kyoto randalieren, wird zu politischen Reaktionen führen", sagt Michael Cucek, Professor für Politik und internationale Beziehungen der Tokioter Temple University. Damit werde eine politische Debatte über den Umgang mit Ausländern in Gang gesetzt.
Japan bei Touristen beliebt
"Die schwache japanische Währung Yen zieht Dutzende Millionen ausländische Besucher ins Land an. Und alles, was die Japaner sehen, sind Gruppen von Touristen, die mit ihren Koffern in preisgünstigere Ferienwohnungen in ruhigen Vierteln kommen. Sie sind laut und trennen keinen Müll", sagt Cucek. Das löse Argwohn in der Bevölkerung aus.
Nach Angaben der japanischen Organisation für Tourismus (JTO) wurden allein in den ersten sechs Monaten 2025 21,51 Millionen Touristen gezählt. Das entspricht einem Anstieg von 21 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Zum Vergleich: Japan hat eine Bevölkerung von rund 120 Millionen. Ein wichtiger Faktor für die Zunahme ist die laufende Weltausstellung EXPO 2025 in der drittgrößten japanischen Stadt Osaka vom April bis Oktober.
Bis Ende 2025 rechnet die Behörde mit mehr als 40 Millionen Besuchern. Japan ist auf dem besten Weg, das Ziel der Regierung von 60 Millionen ausländischen Besuchern im Jahr 2030 zu erreichen.
Schattenseite des Massentourismus
Steigende Touristenzahl bedeuten steigende Einnahmen für Einzelhandel und Gastronomie. Aber ausländische Touristen schüren auch Ressentiments, wenn sie sich rüpelhaft, rücksichtslos und ungebührlich verhalten. Das wird von den Medien immer aufgegriffen.
Die Medien berichten auch gerne über Straftaten, die von in Japan lebenden Ausländern begangen werden. Viel Aufsehen erregte zum Beispiel die Verhaftung von vier Vietnamesen 2024. Diese reisten mit einem Touristenvisum ein, fuhren durchs Land, entwendeten dabei hochpreisige Markenkleidung und bedienten sich in Ladenlokalen. Andernorts wurden Ausländer beschuldigt, Autos für Ersatzteile zu klauen, Ernten von den Feldern der Landwirte zu stehlen oder Frauen sexuell zu missbrauchen.
Deswegen können die rechtspopulistischen Parteien bei Meinungsumfragen auch punkten. Sie fordern die Begrenzung der Einwanderung, obwohl die Unternehmen in Japan, wo genau wie in Deutschland eine alternde Gesellschaft lebt, Hände ringend nach qualifizierten Arbeitskräften suchen. Die Geburtenrate in Japan sinkt von Jahr zu Jahr. 2024 wurden 721.000 Babys geboren bei 1,61 Millionen Verstorbenen. Das ist der Jahrgang mit den niedrigen Neugeburten seit 1899.
"Japanischsein"
Trotzdem setzen die Rechtspopulisten auf das "Japanischsein". "Wir glauben, dass Japan die japanischen Kapazitäten nutzen muss", sagte Souhei Kamiya, Gründer und Parteichef der rechtspopulistischen Sanseito-Partei, Anfang Juli. "Japans Bevölkerung wird voraussichtlich von derzeit etwa 120 Millionen auf 80 Millionen sinken. Das ist immerhin noch so viel wie in Deutschland. Aber es wird trotz genug Japaner geben, um Japan am Laufen zu halten."
"Japan darf sich nicht auf die Gewinnung von ausländischen Arbeitskräften verlassen", betonte der 48-jährige Politiker, der zehn Jahre lang bei den Selbstverteidigungsstreitkräften gedient hatte. "Unsere Position ist, dass wir qualifizierte ausländische Arbeitskräfte für eine bestimmte Zeit aufnehmen; vorausgesetzt, dass sie keine Absichten haben, in Japan dauerhaft zu leben und dass sie nach dem verabredeten Zeitraum das Land wieder verlassen."
Kamiya behauptete, dass derzeit viele ausländische Arbeitskräfte ihrer genehmigten Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgehen würden. "Sie wenden sich kriminellen Organisationen zu, um Geld zu verdienen, zum Beispiel durch Raubüberfälle."
Seine Partei Sanseito werden Ausländer dulden, die Gesetze und Traditionen Japans befolgen, so Kamiya. Diejenigen, die die Gesetze und Traditionen ignorierten, hätten keinen Platz in Japan.
Sicherheitsbedrohung: "China kolonisiert Japan"
Yoichi Shimada, Mitglied des Unterhauses der ebenfalls rechtsgerichteten Konservativen Partei Japans (CPJ), teilt viele der Positionen der Sanseito und sagt, eine seiner Sorgen sei der Erwerb von Land und Eigentum durch Ausländer in Japan. "Reiche Chinesen sind das größte Problem", behauptet er. "Sie kaufen Grundstücke und Wohnungen in Tokio und sonst wo im ganzen Land. Und das ist besorgniserregend. Es ist in China unmöglich, ohne die Unterstützung der Kommunistischen Partei Chinas reich zu werden." Die Wohnungen in der japanischen Hauptstadt sind nicht dafür bekannt, dass sie bezahlbar sind.
"Die chinesische Regierung kolonisiert Japan absichtlich, und das ist eine Sicherheitsbedrohung", sagt er im DW-Interview. Privatpersonen und Unternehmen hätten schon Grundstück in der Nähe wichtiger japanischer Militärstützpunkte erworben.
Inspiration von Donald Trump
Japans Rechtsruck sei vom US-Präsident Donald Trump inspiriert, sagt Hiromi Murakami, Professorin für Politikwissenschaft an der Temple University in Tokio. In Anlehnung an Trumps Slogan "America first" hat der Sanseito-Parteichef Kamiya bei der TV-Debatte am Sonntag (13.7.25) auch "Japan first" ("Japan zuerst") ausgerufen.
"Die Positionen dieser rechten Parteien entsprechen in vielerlei Hinsicht denen der MAGA-Bewegung und beruhen auf dem Konzept der japanischen Exklusivität", sagt Politologin Murakami. "Die Wahrheit ist natürlich, dass legale Einwanderer die japanische Wirtschaft unterstützen. Japan braucht qualifizierte Arbeitskräfte. Aber diese ausländerfeindlichen Behauptungen kommen bei rechtsgesinnten Menschen gut an, die die Reinheit oder Überlegenheit der japanischen Ethnie fördern wollen."
Die Vorwürfe, Ausländer wären für die steigende Kriminalität verantwortlich, wies Murakami zurück. Im Jahr 2020 seien in Japan nach offizieller Statistik 10.963 Ausländer verhaftet worden. Diese Zahl sei jedoch auf 9.726 im Jahr 2023 gesunken. Im gleichen Zeitraum sei dagegen die Zahl der ausländischen Einwohner von 2,75 Millionen auf 3,4 Millionen gestiegen.
"Die Menschen haben zu Hause mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Es gibt einen wirtschaftlichen Abschwung. Die Preise sind gestiegen. Es herrscht große Ungewissheit infolge der US-Zölle. Es ist immer leichter, Ausländern die Schuld für die Probleme in der japanischen Gesellschaft zu geben", sagt Murakami.
Aus dem Englischen adaptiert von Dang Yuan