Tokio warnt vor Folgen eines neuen Bebens
28. März 2013Die Zentrale Katastrophenmanagementbehörde Japans ist mit einem 400 Seiten starken Bericht an die Öffentlichkeit gegangen. Dieser beruht auf Forschungsergebnissen, die bereits im Laufe des vergangenen Jahres veröffentlicht wurden. Darin werden die Auswirkungen eines Erdbebens der Stärke 9 im instabilen Nankai-Graben dargelegt. Dieser verläuft unmittelbar vor der japanischen Ostküste, und zwar südlich von Tokio bis zur Südinsel Kyushu. Bei einem solchen Erdbeben würde ein Tsunami mit einer Wellenhöhe von 30 Metern erzeugt, der bis zu 320.000 Todesopfer fordern könnte.
Straßen und Eisenbahnverbindungen würden in diesem stark industrialisierten Teil des Landes zerstört. Gebäude, die durch das Beben bereits instabil geworden seien, würden von der Tsunami-Welle dem Erdboden gleichgemacht. Die finanziellen Schäden werden in dem Bericht auf umgerechnet 1,8 Billionen Euro beziffert. In dem Gebiet befinden sich Metropolen wie Nagoya, Osaka, Kobe und Hiroshima, die die Hauptwucht der Katastrophe zu spüren bekämen. Die Wirtschaftsleistung könnte in dem Jahr nach einer solchen Katastrophe um knapp 400 Milliarden Euro zurückgehen, so die Berechnungen des Regierungsreports.
Gravierender als die Katastrophe von Fukushima
Zu den Auswirkungen einer solchen Naturkatastrophe auf die Atomkraftwerke an der Ostküste äußert sich der Bericht nicht detailliert. Von Seiten der Kraftwerksbetreiber heißt es, sie würden weitere Sicherheitschecks durchführen und durch verschiedene Maßnahmen die Widerstandskraft der Atommeiler gegen solche Katastrophen verstärken.
Experten versichern, dass die Wahrscheinlichkeit eines solchen Mega-Erdbebens weniger als eins pro 1.000 Jahre beträgt. Keiji Doi, Leiter der Abteilung für Erdbebenvorhersage am Japanischen Meteorologischen Institut, befürchtet jedenfalls, dass die Auswirkungen eines Bebens im Nankai-Graben "weitaus gravierender" wären als die der Katastrophe in Fukushima von 2011. "Die japanische Regierung untersucht seit vielen Jahren seismische Aktivitäten und Bewegungen der Erdkruste in mehreren Regionen, auch im Nankai-Graben", erzählt Keiji Doi gegenüber der Deutschen Welle.
Doi und sein Team sind bislang nicht in der Lage, die genaue Stelle in der Erdkruste zu lokalisieren, an der eine Verschiebung zu erwarten ist. Den Zeitpunkt eines solchen Ereignisses könnten sie auch nicht vorhersagen: "Es könnte morgen passieren, oder es könnte fünf Jahre lang nichts passieren. Sicher ist nur, dass es passieren wird", so die nüchterne Einschätzung des Wissenschaftlers. "Besondere Sorge macht uns der Abschnitt des Grabens, der vor der Präfektur Shizuoka mit dem Berg Fuji verläuft", sagt Doi. "Wir hoffen, dass wir vor dem ganz großen Beben eine Warnung in Form eines kleineren Vorbebens erhalten."
Erste Vorbereitungen getroffen
Die Regierung hat als Reaktion auf die neue Bedrohung die nationalen Erdbeben-Übungen, an denen jedes Jahr Millionen Bürger im ganzen Land teilnehmen, erweitert. Sie finden am 1. September statt, dem Jahrestag des Großen Kanto-Erdbebens von 1923, das sein Zentrum unmittelbar südlich von Tokio hatte und über 140.000 Tote forderte. Von diesem Jahr an müssen die Verwaltungen auf nationaler und regionaler Ebene Notfallteams aufstellen, um auf die Folgen einer solchen Katastrophe reagieren zu können. Freiwillige werden Verletzte "spielen" und von Rettungswagen in die Krankenhäuser gebracht. In die Übungen sollen neben dem medizinischen Personal auch Polizei, Feuerwehr und Militär einbezogen werden.
Die Zeitung Yomiuri fordert in ihrem Leitartikel von der Regierung in Tokio ebenso wie von den Lokalverwaltungen der gefährdeten Gebiete, ihre Katastrophenvorsorge auf den neuesten Stand zu bringen. Es sei auch unabdingbar, die Straßen-, Schienen- und Luftverkehrsnetze auszubauen, um sicherzustellen, dass Rettungsteams die am schlimmsten betroffenen Gebiete erreichen können. Gebäude ohne Erdbebenschutz müssten so schnell wie möglich nachgerüstet werden. "Es darf keine Zeit verschwendet werden, Selbstzufriedenheit ist keine Option", so Yomiuri.