Tony Blair: Auf Friedensmission in Gaza?
4. Oktober 2025
Großbritannien und die Palästinenser verbindet eine besondere Vergangenheit, das war schon vor Tony Blair so. 1922 erhielt London vom Völkerbund das Mandat, Palästina zu verwalten. Bereits zuvor hatten die Briten in der "Balfour-Deklaration" versprochen, den Juden aus aller Welt dort "eine Heimstätte" zu errichten. In der Folge nahm die jüdische Einwanderung nach Palästina zu - und so auch die Spannungen zwischen der jüdischen und arabischen Bevölkerung.
Als die Briten dem Konflikt nicht mehr Herr wurden, gaben sie ihr Mandat 1947 an die Vereinten Nationen zurück. Die UN schlugen daraufhin einen Teilungsplan in einen jüdischen und einen arabischen Staat vor. Die arabische Bevölkerung fühlte sich jedoch massiv benachteiligt - und so wurde 1948 nur der jüdische Staat gegründet: Israel. Der Rest ist Geschichte.
Kritik an führender Rolle für Blair
Nun geschah das alles weit vor Tony Blairs Zeit. Und doch könnte der britische Ex-Premier, Jahrgang 1953, nun erneut eine Art Verwaltungsmandat in der Region übernehmen – jedenfalls, wenn es nach dem Willen Donald Trumps geht. Der US-Präsident hatte zu Beginn der Woche einen 20-Punkte-Plan vorgelegt, mit dem der seit zwei Jahren tobende Krieg im Gaza-Streifen beendet werden soll.
Nach einer Entwaffnung der Terrormiliz Hamas soll Gaza wieder aufgebaut und in dieser Übergangszeit von einer Regierung aus Technokraten geführt werden - gesteuert und überwacht von einem international besetzten Gremium, dem "Board of Peace". Leiten will Trump dieses Gremium selbst; Blair aber könnte eine hervorgehobene Rolle darin spielen - eine Aussicht, die nicht nur in der Region auf deutliche Kritik stößt.
Der palästinensische Politiker und Bürgerrechtler Mustafa Barghouti etwa erklärte bei CNN, es wäre "besser, wenn er in seinem eigenen Land bliebe und die Palästinenser sich selbst regieren lassen würde, […] anstatt uns einer erneuten Kolonialherrschaft zu unterwerfen." Noch deutlicher wurde die UN-Sonderberichterstatterin für die palästinensischen Gebiete, Francesca Albanese. "Tony Blair? Zur Hölle, nein!", schrieb sie auf X: "Hände weg von Palästina!" Und schob hinterher: "Sollen wir uns vielleicht in Den Haag treffen?"
Blairs umstrittene Rolle im Irakkrieg…
Albanese spielt damit auf den dunkelsten Fleck in Tony Blairs Lebenslauf an, der das Bild des 72-Jährigen im Nahen Osten bis heute prägt: seine Rolle im Irak-Krieg 2003. Zuvor war Blair ein durchaus erfolgreicher und populärer britischer Spitzenpolitiker gewesen. 1997 erstmals gewählt, wurde er der Labour-Premier mit der längsten Amtszeit in der Geschichte des Landes.
Das auch von ihm ausgehandelte Karfreitagsabkommen war ein entscheidender Wendepunkt im lange festgefahrenen Nordirland-Konflikt. Doch nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York stellte er sich nahezu bedingungslos hinter den vom damaligen US-Präsidenten Bush geführten "Krieg gegen den Terror". Dies brachte ihm heftige Kritik ein, von der Opposition wurde er sogar als "Bushs Pudel" geschmäht.
Zwei Jahre später brach er gemeinsam mit Bush den Irak-Krieg vom Zaun – mit der Begründung, dass Saddam Hussein angeblich Massenvernichtungswaffen besitze und gestoppt werden müsse. Eine Behauptung, die später widerlegt wurde.
Der Untersuchungsbericht der Chilcot-Kommission zur britischen Rolle im Irak-Krieg fällte 13 Jahre später ein geradezu vernichtendes Urteil: Die Geheimdienstberichte über Saddams mutmaßliche Massenvernichtungswaffen hätten hinterfragt werden müssen, der Krieg nicht geführt werden dürfen. Blair habe die Soldaten zudem schlecht vorbereitet in den Irak geschickt - und keinerlei Plan für die Zeit danach gehabt. Blair musste sich immer wieder gegen Vorwürfe seiner Gegner wehren, ein "Kriegsverbrecher" zu sein. So weit geht der Chilcot-Bericht nicht. Dennoch lasten die Vorwürfe der Untersuchungskommission schwer auf dem Labour-Politiker.
…und als Nahost-Sondergesandter
Und doch blieb Tony Blair politisch in der Region aktiv. Nur einen Tag, nachdem er als britischer Premier 2007 zurücktrat, wurde Blair zum Sondergesandten des Nahost-Quartetts ernannt.
Das Quartett bestand aus den USA, Russland, der EU und den Vereinten Nationen und sollte im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern vermitteln. Doch auch hier geriet Blair zunehmend in die Kritik, unter anderem weil er nebenher auch zahlreiche private Geschäftsinteressen im Nahen Osten verfolgte. Acht Jahre hatte er das Amt inne; wesentliche Fortschritte erzielte Blair dabei nicht.
Die Palästinenser warfen ihm vor, er habe sich zunehmend auf die Seite Israels geschlagen. "Wir sind froh, dass er geht. Er hätte schon vor langem gehen sollen", kommentierte der damalige palästinensische Unterhändler Mohammed Shtayyeh Blairs Rücktritt im Jahre 2015. "Er hat nichts für die Anliegen der Palästinenser getan, sondern wurde von Israel benutzt, um die Besatzungs- und Siedlungspolitik zu rechtfertigen", so der Vorwurf Shtayyehs.
Blairs Thinktank und seine fragwürdige Rolle
Tony Blair blieb weiter als Geschäftsmann aktiv, gründete 2016 das "Tony Blair Institute for Global Change" (TBI). Damit beriet er in der Vergangenheit unter anderem Autokraten wie Ruandas Staatschef Paul Kagame oder Saudi Arabiens Kronprinz Mohammad bin Salman.
Gemeinsam mit israelischen Geschäftsleuten sollen Mitarbeiter des TBI auch an der Entwicklung eines Nachkriegs-Wiederaufbauplans für Gaza beteiligt gewesen sein, was das Institut selbst bestreitet. Dieser Plan beinhaltete auch eine "Trump-Riviera" und ein Gewerbegebiet, dass nach Elon Musk benannt werden sollte. Im Februar 2025 postete Donald Trump ein entsprechendes KI-generiertes Video, dass diese Vision verdeutlichte – und löste damit große Empörung aus.
Derartige Pläne dürften für Tony Blair keine große Rolle mehr spielen, falls er seine neue Funktion denn tatsächlich antreten sollte. In einer Erklärung sagte er lediglich, Trumps "mutiger und intelligenter" Plan biete die "beste Chance", den Krieg im Gaza-Streifen zu beenden. Ob er denn tatsächlich selbst eine Rolle dabei übernehmen wird, dazu äußerte sich Tony Blair bislang nicht.