1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Tory-Parteitag: Johnson im Kampfmodus

Barbara Wesel
29. September 2019

Es ist Boris Johnsons erster Tory-Parteitag als britischer Premierminister. Sein Slogan heißt: "Bringt den Brexit hinter euch." Aber er bekommt Gegenwind von mehreren Seiten. Aus London Barbara Wesel.

Manchester Parteitag der Konservativen
"Unterstützt Boris!"- Boris-Johnson-Puppe beim ParteitagBild: Reuters/P. Noble

"Ich war ein Modell an Zurückhaltung", behauptet Boris Johnson, als er zum Auftakt des Tory-Parteitags in Manchester der BBC ein Interview gibt. Damit reagiert er auf die Vorwürfe, seine aggressive Sprache im Parlament in der vorigen Woche vertiefe die Spaltung im Land und provoziere möglicherweise sogar Gewalt. Alle sollten sich mal beruhigen, befindet der britische Premierminister.

Vor ihrem Parteikongress hatten die Konservativen angekündigt, sie wollten endlich auch über ihre Politik reden, über das Ende der Einsparungen, über Steuersenkungen und Hilfen für das kränkelnde Gesundheitssystem NHS. Es sollten 40 neue Krankenhäuser gebaut werden, berichten einige Sonntagsblätter. Im Interview wird Johnson dann damit konfrontiert, dass es wohl nur sechs Umbauten sind. Der Premier kontert, 21 NHS-Zentren würden "strahlend frisches" Geld für Modernisierungen bekommen.

Wie viele sind es nun wirklich? Hier scheint wieder die "Methode Boris Johnson" im Einsatz zu sein: Er macht überdimensionale Versprechen und geht davon aus, dass bei der Öffentlichkeit eine positive Botschaft hängen bleibt. Das hat schon vor drei Jahren bei der Brexit-Kampagne funktioniert.

Tory-Parteitag im Zeichen des Brexit

Der Premierminister verteidigt auch den Begriff "Kapitulations-Gesetz" für das spezielle Gesetz, mit dem das Parlament versucht, einen harten Brexit zu verhindern. Danach müsste er die EU noch im Oktober um eine Verlängerung bitten, wenn kein Austrittsabkommen zustande käme. Und seine kriegerische Rhetorik den anderen Europäern gegenüber? Boris Johnson verweist auf die Geschichte: "Die Reden der meisten Politiker über die Jahrhunderte waren gespickt mit militärischen Metaphern."

Schnellen Schrittes voran - Boris Johnson auf dem Weg zum Tory-Parteitag in ManchesterBild: picture-alliance/dpa/PA/S. Rouseau

Er sehe nach wie vor eine gute Chance für einen Brexit-Deal, wiederholt Boris Johnson, ohne allerdings auf Einzelheiten einzugehen. Und er windet sich angesichts des Dilemmas, dass er Großbritannien um jeden Preis am 31. Oktober aus der EU führen, keine Verlängerung beantragen und nicht das Gesetz brechen will. Eigentlich ist das logisch nicht möglich.

Nicht nur die Signale aus Brüssel stimmen pessimistisch - der Gipfel in zwei Wochen könnte erneut ohne Abkommen enden. Auch glauben inzwischen weniger als 50 Prozent der Konservativen selbst, dass der Brexit tatsächlich am 31. Oktober stattfinden wird, wie eine Umfrage jetzt zeigt. Boris Johnsons Verwirrungsstrategie scheint auch im eigenen Lager für Verunsicherung zu sorgen.

Johnson: Rücktritt? Nein danke!

Nicht alle Redner vermögen zu fesseln - Szene vom Tory-Parteitag am SonntagBild: picture-alliance/dpa/PA/D. Lawson

Der Premier tritt auch Gerüchten entgegen, er plane einen strategischen Rücktritt: "Ich habe es übernommen, das Land und die Partei in dieser schwierigen Zeit zu führen und werde das weiter tun." Das kann er allerdings nur so lange, bis ihn die Opposition mit einem Misstrauensantrag zu Fall bringt, denn ihm fehlt im Parlament die Mehrheit. Die Opposition diskutiert derzeit die Bildung einer Übergangsregierung, um einen Brexit-Verlängerungsantrag in Brüssel sicherzustellen.

Neuer Ärger erwartet die Tory-Rebellen, die Anfang des Monats gegen die Regierung und für das Gesetz zur Verhinderung des harten Brexit gestimmt hatten. Sie waren zunächst aus der Partei geflogen. Jetzt sehen sie sich auch noch einer Untersuchung wegen möglicher Zusammenarbeit mit fremden Regierungen gegenüber, wie eine Quelle aus der Downing Street zitiert wird. Es wird vor allem der französischen Regierung unterstellt, sie habe bei der Formulierung des Brexit-Gesetzes geholfen. Die Pro-Brexit-Presse vermutet "geheime Absprachen", passend zu ihrer martialischen Rhetorik von "Feinden und Verrätern".

Die Brexit-Partei von Nigel Farage nutzt den konservativen Parteitag zu einem Frontalangriff auf die Tories. "Ein sauberer Schnitt oder ein schlechter Deal" - so wirbt sie ganzseitig in den Sonntagszeitungen für einen harten Brexit. In Umfragen liegt seine Partei derzeit bei rund 14 Prozent und spaltet damit das Pro-Brexit-Lager. Trotzdem schließt Boris Johnson ein Wahlbündnis mit Farage weiter aus.

Eine private und eine politische Affäre

Für leichte Unterhaltung sorgt seit Tagen die Affäre um Jennifer Arcuri. Boris Johnson soll in seiner Zeit als Londoner Bürgermeister ein Verhältnis mit dem blonden Ex-Model aus den USA gehabt haben. Er soll Arcuri auf offizielle Reisen mitgenommen und der frischgebackenen Internet-Unternehmerin über 100.000 Pfund aus öffentlichen Fördergeldern beschafft haben. Der Rat der Stadt London untersucht den Fall, während Johnson beteuert, es habe keinerlei Unregelmäßigkeiten gegeben.

In Manchester werden seine Getreuen ihn mit diesen Vorwürfen nicht konfrontieren. Was sein persönliches Verhalten betrifft, gilt Boris Johnson längst als Teflon-beschichtet. Skandale jeglicher Art gleiten seit jeher von ihm ab, weil die Erklärung "So ist eben Boris" noch jedes Fehlverhalten in den Augen seiner Anhänger wegwischen konnte. Ob und inwieweit ihn diese Strategie auch über die harten Fakten beim Brexit hinwegtragen kann, ist derzeit offen. Der Premier scheint alles auf eine Karte zu setzen: Brexit am 31. Oktober, um jeden Preis. In den nächsten Tagen werden die Säle in Manchester davon widerhallen.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen