Nach dem Putsch hat die Demokratiebewegung den Druck auf die Militärmachthaber durch landesweite Proteste verstärkt. Überall sind Sicherheitskräfte präsent. Drei Demonstranten kamen bereits ums Leben.
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Sudans Militär demonstrierte seit dem Morgen mit massiver Präsenz in den Straßen der Hauptstadt Khartum Stärke. Sicherheitskräfte blockierten Brücken zu Nachbarstädten verbinden und richteten an Hauptverkehrsstraßen Kontrollpunkte ein. Fußgänger und Autofahrer wurden stichprobenartig durchsucht.
Das alles hielt viele Anhänger der Demokratiebewegung nicht davon ab, landesweit auf die Straße zu gehen. Auf Fernseh-Live-Bildern waren Menschenmassen zu sehen, die friedlich aber lautstark durch die Straßen Khartums ziehen. Die Demonstranten skandierten Slogans wie "Nein, nein zur Militärherrschaft" und "Wir sind freie Revolutionäre". Sie forderten die Wiedereinsetzung der von Zivilisten geführten Übergangsregierung und die Rückkehr auf den Pfad der Demokratie.
Im Osten der Hauptstadt setzten Protestierende Autoreifen in Flammen. Auch in anderen Landesteilen wurde protestiert. In der Stadt Omdurman starben nach Angaben von Ärzten drei Menschen durch Schüsse von Milizionären.
Die Sicherheitskräfte hätten dort und in der Hauptstadt Khartum mit scharfer Munition auf Protestierende geschossen. Mehr als hundert Menschen seien durch das gewaltsame Vorgehen oder durch Tränengas verletzt worden.
Die sudanesische Polizei bestritt, während der Demonstrationen auf Teilnehmer geschossen zu haben. Ein Polizist habe hingegen Schusswunden erlitten, hieß es im staatlichen Fernsehen.
Schon bis zu 30 Tote?
Die Furcht vor gewaltsamen Zusammenstößen bei den Protesten ist groß, nachdem das Militär am Montag die Macht in dem nordostafrikanischen Land übernommen hatte. Seitdem gehen landesweit täglich tausende Menschen auf die Straße. Bei Konfrontationen mit den Sicherheitskräften wurden nach Ärzteangaben bislang mindestens acht Demonstranten getötet und 170 verletzt. Ein US-Beamter sprach sogar von 20 bis 30 Toten. Die für diesen Samstag geplanten Proteste bezeichnete er als "echten Test" für die Absichten des Militärs.
Sowohl die Vereinten Nationen als auch die Europäische Union mahnten das Militär im Vorfeld der angekündigten Proteste und Demonstrationen zur Zurückhaltung. UN-Generalsekretär António Guterres erklärte in New York, die Machthaber im Sudan sollten "nicht noch mehr Opfer verursachen". Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell betonte, die Demonstranten seien mit Respekt zu behandeln. Im Namen der 27 Mitgliedstaaten forderte er zudem erneut die Freilassung der seit dem Putsch festgesetzten politischen Häftlinge. Ähnlich äußerten sich Großbritannien und die USA.
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Weitere Botschafter des Sudan abgesetzt
Inzwischen setzte die Militärführung erneut mehrere Botschafter des Sudan ab. Wie das Staatsfernsehen meldete, handelt es sich um Spitzendiplomaten in Südafrika, der Türkei sowie den Vereinigten Arabischen Emiraten. Der neue Militärmachthaber, General Abdel Fattah al-Burhan, habe zudem einige Diplomaten im Außenministerium von ihren Aufgaben entbunden. Bereits am Donnerstag waren der Botschafter des Landes bei der Europäischen Union und fünf weitere Diplomaten ihrer Ämter enthoben worden.
Putsch und Widerstand im Sudan
Das Militär im Sudan hat Ministerpräsident Abdullah Hamduk verhaftet und die Auflösung der Übergangsregierung verkündet. Auf den Straßen des Landes wird gegen den Putsch demonstriert, es kommt zu Ausschreitungen.
Bild: AFP/Getty Images
Die Bevölkerung geht auf die Straße
Tausende pro-demokratische Sudanesinnen und Sudanesen protestieren am Tag des Putsches, dem 25. Oktober 2021, in der Hauptstadt Khartum gegen das Vorgehen des Militärs. Bereits im September hatte es im Sudan einen Putschversuch gegeben. Seitdem waren die politischen Spannungen im Land enorm gestiegen.
Bild: Ashraf Idris/AP Photo/picture alliance
Tote und Verwundete
Bei den Protesten kam es auch zu Ausschreitungen: In Khartum brannten am Montag Autoreifen, Straßen wurden blockiert. Sieben Menschen sollen nach Angaben des Gesundheitsministeriums bei Zusammenstößen zwischen Demonstrierenden und Sicherheitskräften getötet worden sein. Am Dienstag setzten sich die Proteste fort, Panzer blockierten Brücken und Hauptverkehrsstraßen in der Hauptstadt.
Bild: AFP/Getty Images
Das Militär beschwichtigt
Frieden und Sicherheit im Sudan seien bedroht gewesen, begründete der Generalkommandant der sudanesischen Streitkräfte den Putsch. Man werde den demokratischen Kurs fortsetzen, bis die Macht an eine gewählte, zivile Regierung übergehe. Wahlen sollten wie geplant im Juli 2023 stattfinden. Internationale Beobachter befürchten jedoch, dass es sich bei der Erklärung um ein Lippenbekenntnis handelt.
Bild: AFP/Getty Images
Premierminister festgesetzt
Die Putschisten nahmen am Montag den amtierenden Premier Abdullah Hamduk sowie mehrere Kabinettsmitglieder fest. Sudans oberster General Abdel Fattah al-Burhan erklärte am Dienstag, Hamduk werde in seinem eigenen Haus festgehalten, er sei unverletzt. Auch mehrere zivile politische Führungspersonen wurden inhaftiert. Internet, Mobilfunk- und Festnetz blieben am Dienstag weitestgehend abgeschaltet.
Bild: picture alliance/dpa/XinHua
Streiks und Widerstand im ganzen Land
Überall im Sudan gehen die Menschen auf die Straße, so wie hier in Omdurman. Auch sonst regt sich Widerstand gegen das Militär: Medienberichten zufolge sollen Mitarbeitende der Zentralbank in den Streik getreten sein. Sudans Ärztegewerkschaft forderte auf Facebook Ärztinnen und Ärzte in Militärkrankenhäusern dazu auf, nicht mehr arbeiten zu gehen, wenn es sich nicht um dringende Notfälle handele.
Bild: AFP/Getty Images
Gespaltene Bevölkerung
Nicht alle Sudanesen stehen hinter dem demokratischen Übergangsprozess. Teile der bewaffneten Rebellengruppen sähen lieber eine Militär- als eine Zivilregierung an der Macht, sagt Theodore Murphy, Direktor der Afrika-Programme des European Council on Foreign Relations, der DW. "Sie sehen, dass eine demokratische Zukunft nicht zu ihren Gunsten ausfallen dürfte."
Bild: AFP/Getty Images
Vergebliche Hoffnung auf Demokratie?
Im Mai erhielt der Sudan einen milliardenschweren Schuldenerlass, der den Übergang zur Demokratie erleichtern sollte. Nach dem Putsch ist das Land davon weiter entfernt denn je. Westliche Länder drohten bereits, die Zahlung von Hilfsgeldern einzustellen, sollten die inhaftierten Regierungsmitglieder nicht freigelassen und zivile Kräfte an der Regierung beteiligt werden.