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Tote bei Protesten gegen Mohammed-Karikaturen

6. Februar 2006

Bei Protesten gegen die Veröffentlichung der umstrittenen Mohammed-Karikaturen sind in Afghanistan, in Somalia und im Libanon Menschen getötet worden. Die Demonstrationen dauern in zahlreichen Ländern an.

Protest in der irakischen Stadt KutBild: AP
Antidänische Proteste in DjakartaBild: picture-alliance/dpa

In mehreren Ländern haben am Montag (6.2.2006) erneut Muslime gegen die umstrittenen Mohammed-Karikaturen protestiert. Vor dem US-Luftwaffenstützpunkt im afghanischen Bagram wurden nach Angaben der örtlichen Regierung zwei Demonstranten erschossen, als Polizisten rund 2000 Protestierende mit Schüssen am Vordringen auf das Gelände hindern wollten. In Mihtarlam erschoss die Polizei zwei Demonstranten, nachdem ein Mann aus der Menge heraus auf die Beamten geschossen hatte. Mindestens 19 Menschen wurden bei den Ausschreitungen verletzt. In Kabul setzte die Polizei Schlagstöcke und Gewehrkolben ein, um die Menge aufzulösen. In Bossaso in Somalia wurde ein Jugendlicher getötet, als die Polizei eine protestierende Menge mit Schüssen in die Luft zerstreuen wollte.

Annan fordert erneut ein Ende der Gewalt

UN-Generalsekretär Annan hatte in der Nacht zum Montag erneut ein Ende der Gewalt gefordert. Er teile zwar die Gefühle vieler Muslime, die ihre Religion durch die Veröffentlichung der Karikaturen beleidigt sähen, jedoch rechtfertige "dieser Groll keine Gewalt". Aufgebrachte Muslime demonstrierten am Montag auch in Iran, Ägypten, Indonesien, Thailand, Indien, in den Philippinen und in den Palästinensergebieten. In Teheran kam es vor der österreichischen Vertretung zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Die mehreren hundert Demonstranten protestierten auch gegen andere europäische Länder. Sie skandierten "Tod Deutschland", "Tod England" und verbrannten Flaggen der Länder.

Fatwa gegen die Karikaturisten gefordert

In der zweitgrößten indonesischen Stadt Surabaya drängte die Polizei Demonstranten mit Warnschüssen vom US-Konsulat zurück, wie Augenzeugen berichteten. Im Irak demonstrierten rund 2000 Menschen nach einem Aufruf des radikalen Schiitenführers Moktada Sadr im Zentrum der 175 Kilometer südlich von Bagdad gelegenen Stadt Kut. Auf einem Transparent forderten sie ihre religiösen Führer zum Erlass einer Fatwa auf, welche die Ermordung der Karikaturisten gestattet.

Nahe der irakischen Stadt Basra wurden dänische Soldaten nach einem Verkehrsunfall, bei dem mindestens drei Kinder getötet wurden, aus einer aufgebrachten Menge heraus beschossen. Die Soldaten hätten versucht zu helfen, sagte ein Militärsprecher am Montag, seien jedoch von einem Iraker beschossen worden.

Reisewarnungen für 16 Staaten

Nach Demonstrationen im Irak hatte das Transportministerium in Bagdad am Wochenende erklärt, die Regierung wolle alle Aufträge an dänische Unternehmen bis auf weiteres einfrieren. Dänemark hat etwa 500 Soldaten im südlichen Irak stationiert. Unterdessen hat Dänemark seine Reisewarnung auf 16 islamische Länder ausgeweitet.

Vor dem seit Tagen geschlossenen Gebäude der EU-Kommission in Gaza-Stadt versammelten sich 200 Palästinenser, zahlreiche Jugendliche bewarfen wachhabende Polizisten mit Steinen. Augenzeugen berichteten, die Randalierer hätten eine Fahne mit den Emblemen der Europäischen Union verbrannt. Im indischen Teil Kaschmirs legte ein Streik gegen die Karikaturen am Montag das öffentliche Leben in der Stadt Srinagar lahm; in Delhi ging die Polizei mit Tränengas und Wasserwerfern gegen mehrere hundert Menschen vor.

Libanesische Regierung entschuldigt sich

Die libanesische Regierung entschuldigte sich unterdessen bei Dänemark für den Brandanschlag auf die Botschaft in Beirut. Das Kabinett verurteile die Gewalt und entschuldige sich, erklärte Informationsminister Ghasi Aridi. Mehrere tausend Demonstranten hatten die dänische Landesvertretung gestürmt und Feuer gelegt. Mindestens ein Mensch wurde getötet, 30 weitere erlitten Verletzungen. Auch eine Kirche und Privathäuser im christlichen Stadtviertel Aschrafieh wurden angegriffen. Innenminister Hassan Sabei bot am Sonntag seinen Rücktritt an, die Regierung entschied darüber zunächst nicht.

Die Arabische Liga rief zur Mäßigung auf. Das Generalsekretariat der Liga äußerte am Montag in Kairo Besorgnis über die "Gewaltausbrüche, die an verschiedenen Orten in dieser Region stattgefunden haben, und die zu Feuersbrünsten in den diplomatischen Vertretungen Dänemarks und Norwegens führten." Von den Muslimen forderte die Liga Selbstdisziplin, "trotz der Veröffentlichung beleidigender Bilder des Propheten des Islam, Mohammed". Der Dialog müsse die Oberhand gewinnen und nicht die Gewalt, hieß es in einer Erklärung der Liga.

"Jyllands-Posten" will einlenken

Die dänische Zeitung "Jyllands Posten" erklärte sich zu einem Treffen mit Imamen der islamischen Glaubensgemeinschaft in Dänemark für eine gemeinsame Erklärung bereit. Als Sprecher der Glaubensgemeinschaft hatte Imam Ahmed Akkari vorgeschlagen, dass "Jyllands-Posten" sich in einer gemeinsamen Erklärung "unzweideutig" für die Veröffentlichung der Karikaturen vor vier Monaten entschuldigt. Umgekehrt würden die Imame zur Beendigung der Proteste aufrufen.

Der spanische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero und sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdogan riefen gemeinsam zu Besonnenheit auf. "Wir werden alle Verlierer sein, wenn es uns nicht gelingt, die Situation sofort zu entschärfen, die in ihrem Sog nur einen Pfad von Misstrauen und Missverständnis zwischen beiden Seiten hinterlassen kann", hieß es in dem gemeinsamen Aufruf. Frankreichs Präsident Jacques Chirac und der britische Premier Tony Blair versicherte dem dänischen Regierungschef Anders Fogh Rasmussen telefonisch der Solidarität ihrer Länder.

Aufrufe zur Besonnenheit

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel rief zur Besonnenheit auf. Vor einer Sitzung des CDU-Präsidiums sagte die Parteichefin am Montag in Berlin, sie verstehe, dass, wenn religiöse Gefühle verletzt worden seien, dies auch zum Ausdruck gebracht werde. Gewalt aber sei nicht akzeptabel und dürfe kein Mittel der Auseinandersetzung sein. Das Prinzip der gewaltlosen Auseinandersetzung gelte weltweit, betonte Merkel.

Der neue Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Ayyub Axel Köhler, verurteilte die Ausschreitungen scharf. Die Ausschreitungen hätten unter anderem in Syrien und im Libanon "Entsetzen bei den Muslimen in Deutschland ausgelöst", sagte er am Montag im Bayerischen Rundfunk. Sie seien ein Zeichen dafür, dass sich Frustration entlade, der sich lange aufgestaut habe, "das ist die Entwürdigung, das ist die Missachtung, das ist die Hilflosigkeit der islamischen Welt, aber all das entschuldigt nicht derartige Ausschreitungen". Der neue Zentralratschef betonte, die Gewalt habe nichts mit dem Islam an sich zu tun. "Wir müssen jetzt an alle Muslime der Welt appellieren, sich nicht provozieren zu lassen." (stu)

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