1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Polizei vermutet Auftragsmord an Journalist

10. April 2021

Der Polizeireporter Giorgos Karaivaz starb durch zehn Kugeln, die ihn in Brust und Kopf trafen. Die griechische Öffentlichkeit ist geschockt, die Politik in Athen reagiert.

Griechenland Griechischer Kriminaljournalist Giorgos Karaivaz wurde ermordet
Eine Straßensperre der Polizei nahe dem TatortBild: Costas Baltas/REUTERS

"Alles ging sehr schnell, in 15 Sekunden", so ein Augenzeuge, der die Tötung des griechischen Journalisten Giorgos Karaivaz am Freitag beobachtet hatte. Der Gemeindeangestellte, der sich am Freitagnachmittag zufällig in der Nähe des Tatorts befand, beschrieb den kaltblütigen Mord in einem südlichen Vorort der griechische Hauptstadt Athen auf dem Fernsehsender ANT1.

Er habe mit zwei Kollegen in einem Park vor dem Haus gearbeitet, in dem der Journalist wohnte, so der Zeuge weiter. Sie hätten einen Knall wie von einer Fehlzündung gehört, sich umdreht - und gesehen, wie der Killer den tödlichen Schuss auf Karaivaz abfeuerte und verschwand. Dann seien zwei Männer auf einem kleinen Motorrad davonfahren. Ihre Gesichter seien vermummt gewesen.

Nach Angaben der Polizei wurde Giorgos Karaivaz mit einer "sauberen", also polizeilich bisher unbekannten, 9-Millimeter-Pistole erschossen. Zehn Kugeln trafen ihn in Brust und Kopf, am Tatort wurden 13 Projektile gefunden.

Premier Kyriakos Mitsotakis: "der kaltblütiger Mord hat die ganze Gesellschaft schockiert"Bild: Hazem Turkia/AA/picture alliance

Die griechischen Sicherheitsbehörden gehen von einem von professionellen Killern verübten Auftragsmord aus, so ein Polizeisprecher. Man ermittle auf der Suche nach den Tätern und deren Auftraggebern "in allen Richtungen".

Mitsotakis fordert rasche Aufklärung

Morde dieser Art sind sehr selten in Griechenland. Dementsprechend geschockt sind Öffentlichkeit und Medienschaffende. "Willkommen in Mexiko", titelte heute die Tageszeitung "Dimokratia", "Wir sind das Kolumbien des Balkans geworden", stand auf der Titelseite der "Kontra News".

Premierminister Kyriakos Mitsotakis bestellte Bürgerschutzminister Michalis Chrysochoidis in sein Büro ein. "Der kaltblütige Mord an dem Journalisten George Karaivaz hat die ganze Gesellschaft schockiert", twitterte Mitsotakis, und forderte eine rasche Aufklärung des Falls.

Journalistenmorde sind sehr selten

"Die Ermordung von Giorgos Karaivaz ist ein abscheuliches Verbrechen", so der zuständige Minister Chrysochoidis nach seinem Treffen mit dem Premier und versprach, die Schuldigen würden "bald gefasst werden, wie es bei der griechischen Polizei üblich ist". "Der griechische Staat achtet besonders auf die freie Presse", fügte der Minister hinzu.

Gleichzeitig betonte Chrysochoidis, dass Griechenland eine der niedrigsten Mordraten in ganz Europa aufweise und Athen eine sichere Stadt sei. Natürlich gebe es auch in dem EU-Mitgliedsstaat Kriminalität und Morde - aber die Ermordung von Journalisten sei eine Seltenheit.

Der 2010 erschossene Journalist Socrates GioliasBild: Alexandros Beltes/dpa/picture alliance

Tatsächlich ist das einzige vergleichbare Mordopfer in Griechenland in den vergangenen 30 Jahren der Reporter Sokratis Giolias. Er wurde 2010 vor seinem Haus erschossen. Seine Mörder wurden nie gefunden.

Karaivaz fühlte sich nicht bedroht

Der 52-jährige Giorgos Karaivaz war ein erfahrener Polizeireporter. Er arbeitete seit Jahrzehnten für diverse renommierte Zeitungen und Rundfunkmedien und betrieb zudem seit ein paar Jahren den Nachrichtenblog bloko.gr. Er war einer der wenigen Investigativjournalisten in seinem Metier, galt als freundlicher, zuversichtlicher Kollege und ruhiger Mensch.

Karaivaz fühlte sich nicht bedroht, wie Kollegen auf dem privaten TV-Kanal STAR angaben. Nach Angaben der Behörden hat er zu keinem Zeitpunkt einen Waffenschein oder gar Polizeischutz beantragt. Allerdings hat Karaivaz in letzter Zeit viel über dunkle Geschäfte korrupter Beamter mit der Unterwelt berichtet; entsprechend groß ist der öffentliche Druck auf die Behörden, den Mord schnell aufzuklären.

Noch am Freitag wurden die ersten Blumen am Haus des getöteten Journalisten abgelegtBild: Giannis Panagopoulos/ANE/Eurokinissi/picture alliance

"Wer glaubt, auf diese Weise Journalisten zum Schweigen zu bringen, täuscht sich", betonte die Präsidentin des Athener Journalistenverbands ESIEA, Maria Antoniadou, in einer viel zitierten Presseerklärung. Sie war kurz nach dem Mord am Tatort. Allein in ihrem Verband seien weitere 6.099 Journalisten organisiert, "die weiter recherchieren werden. Niemand wird die journalistische Arbeit in Griechenland aufhalten".

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen