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Toujours le Tour

Joscha Weber3. Juli 2015

Allen Unkenrufen zum Trotz: Sie ist immer noch da. Die Tour de France hat ihre Dopingskandale überlebt und erstrahlt in neuem Glanz. Der Kampf um Gelb verspricht Spannung wie lange nicht - und ein paar Überraschungen.

Tour de France Feld Landschaft 15. Etappe
Bild: Reuters

Die Strecke

Spannung vom Start bis zum Schluss - das muss die Idee von Tour-Streckenchef Thierry Gouvenou gewesen sein. Denn anders als in vielen Jahren beginnt die Tour nicht mit einer flachen Woche für die Sprinter. Erst ein Zeitfahren zum Start in Utrecht, dann Wind an der niederländischen Küste, Hügel in den belgischen Ardennen, Kopfsteinpflaster in Nordfrankreich sowie ein paar Rampen in der Bretagne werden das Rennen gleich zu Beginn abwechslungsreich und unvorhersehbar machen.

Ein welliges Mannschaftszeitfahren in Plumelec auf der 9. Etappe wird den starken Teams in die Karten spielen, ehe auf der 10. bis 12. Etappe in den Pyrenäen die Kletterer gefragt sind. Das zehnte Teilstück mit dem 15,3 Kilometer langen Schlussanstieg hinauf nach La Pierre-Saint-Martin wird erstmals Struktur ins Gesamtklassement bringen. Bevor es in die Alpen geht, warten anspruchsvolle Etappen durch das Zentralmassiv, insbesondere die Bergankunft in Mende auf dem 14. Teilstück verspricht einen erneuten Schlagabtausch der Favoriten. Die Alpen-Etappen sind in diesem Jahr wie ein Steigerungslauf: am Ende wird es immer schwerer.

Nach Pra-Loup (17. Etappe) und La Toussuire (19. Etappe) erwartet die Fahrer eine ultimative Herausforderung: die 21 Kehren hinauf nach Alpe d'Huez. Dort oben im Kult-Ski-Ort steht der Sieger der Tour 2015 fest. Denn am Tag darauf kommen die Profis zum großen Schlussspurt auf die Pariser Champs-Elysées.

Die Favoriten

Die 102. Tour verspricht ein offenes Rennen wie lange nicht. Gleich vier Fahrer sind in diesem Jahr heiße Sieganwärter: Der britische Tour-Champion von 2013 Chris Froome, Giro-Sieger Alberto Contador aus Spanien, der kolumbianische Kletterspezialist Nairo Quintana sowie Vorjahressieger Vincenzo Nibali (Artikelbild) aus Italien. Die Wettanbieter sehen Chris Froome vorne, weil er beim wichtigen Vorbereitungsrennen Dauphiné Libéré der Stärkste war. Für ihn spricht sein starkes Team sowie seine Stärke am Berg.

Für Titelverteidiger Nibali spricht seine Ausgeglichenheit auf jedem Terrain, inklusive der Kopfsteinpflasterpassagen. Im Hochgebirge dürften das 59-Kilo-Leichtgewicht Nairo Quintana und der nimmermüde Alberto Contador, der das Giro-Tour-Double anstrebt, aber einen Tick stärker sein. Dahinter müssen Fahrer wie Thibaut Pinot, Teejay van Garderen, Joaquin Rodriguez oder Romain Bardet auf eine Fabeltour hoffen, um mit dem Favoriten-Quartett bis Paris mithalten zu können.

Die Deutschen

Zehn deutsche Fahrer stehen am Start. Ihre Erfolgsaussichten wie Aufgaben sind höchst unterschiedlich. Für Tony Martin ist zum Beispiel der erste Tag in Utrecht gleich der wichtigste der ganzen Tour: Beim 14 Kilometer langen Einzelzeitfahren will und kann der dreifache Weltmeister im Kampf gegen die Uhr das Gelbe Trikot erobern. Auf den flachen bis welligen Etappen darauf soll dann Sprint- und Klassikerspezialist John Degenkolb in Erscheinung treten. Er hat in Abwesenheit von Marcel Kittel sein komplettes Team hinter sich und kann sich Hoffnungen aufs Grüne Trikot machen. "Diese Jahr bietet sich eine Chance für mich. Aber ich muss von Tag zu Tag schauen", meinte Degenkolb im DW-Interview.

Wie im Vorjahr peilt Sprinter André Greipel einen Etappensieg an und zeigte zuletzt starke Form. Im Gesamtklassement soll Dominik Nerz in Erscheinung treten, auch wenn es für einen Top-Platz beim 25-Jährigen noch nicht reichen wird. Andreas Schillinger, Paul Voss, Simon Geschke, Paul Martens, und Marcel Sieberg haben Helferaufgaben, könnten aber auch mal Freifahrt für einen möglichen Etappensieg bekommen. Jüngster Starter aus Deutschland ist Emanuel Buchmann, der sich vor wenigen Tagen mit gerade einmal 22 Jahren überraschend das deutsche Meistertrikot holte: "Ich bin ziemlich aufgeregt. Hier ist so viel los und es ist alles größer als bei anderen Rennen", sagte Buchmann im Gespräch mit der DW.

Die Teams

So bunt wie die Farben des Tour-Pelotons, so unterschiedlich sind die Zielsetzungen: Während die starken Rundfahrerteams Astana, Sky, Movistar und Tinkoff-Saxo alles auf ihre Kapitäne und einen möglichen Gesamtsieg ausrichten, schielen Mannschaften wie Cofidis, Lotto-Soudal oder Orica Greenedge nahezu ausschließlich auf Etappensiege im Flachland. Mehr als ein Dutzend superschnelle Sprinter werden sich bei den allerdings nicht sehr zahlreichen Massenankünften in der Ebene duellieren.

Rennställe wie die deutschen Teams Giant-Alpecin und Bora-Argon 18 sowie Trek Factory Racing, Katjusha oder das erste afrikanische Tour-Team MTN-Qhubeka setzen auf einen Mix aus endschnellen und kletterstarken Fahrern, um auf jedem Terrain zu glänzen. Und natürlich werden vor allem die einheimischen Teams wie Europcar, FDJ oder Bretagne wie gewohnt auf beinahe jeder Etappe mutige, aber meist doch aussichtslose Ausreißversuche wagen.

Die Doping-Frage

So ganz wird die Tour die Schatten der Vergangenheit nicht los. Dafür sorgt Lance Armstrong persönlich. Eigentlich zur Persona non grata bei der Tour erklärt, will der gestürzte Tourheld der Tour einen Besuch abstatten, bei einer Charity-Fahrt am Rande des Rennens. "Respektlos und völlig unangemessen", schimpfte Weltverbandspräsident Brian Cookson.

Doch nicht nur die Vergangenheit, auch die Gegenwart macht der UCI Gedanken: Das kasachische Astana-Team von Titelverteidiger Nibali lieferte im Vorjahr im A- sowie im Nachwuchsteam fünf (!) positive Dopingproben ab – und darf dennoch wieder mitfahren. Die Tatsache, dass die celestefarbene Équipe des überführten Dopers und heutigen Teamchefs Alexandre Winokurow beim vergangenen Giro d'Italia mit Ausnahme von Alberto Contador alles in Grund und Boden fuhr, ließ bei dem einen oder anderen Konkurrenten Zweifel an Astana aufkommen.

Außerdem kursieren weiterhin Gerüchte über Doping mit Mikrodosierungen unterhalb der Nachweisgrenze. "Man darf sich keinen Illusionen hingeben, es gibt noch immer genügend Tricksereien", glaubt der deutsche Biochemiker und Doping-Experte Fritz Sörgel. Auch wenn es derzeit keine neuen Dopingfälle gibt - die Tour wird den Zweifel nicht ganz los.

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