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Alle gegen das Slowenen-Duo

Tom Mustroph
25. Juni 2021

Bei der Tour de France kämpfen die beiden Slowenen Tadej Pogacar und Primoz Roglic gegen die geballte Mannschaftsstärke von Ineos. Für den Rest des Pelotons bleibt nur das Prinzip Hoffnung.

Tour de France 2020 - 21. Etappe | Primoz Roglic und Tadej Pogacar
Der Toursieg geht nur über sie: Primoz Roglic (l.) und Tadej Pogacar (r.)Bild: Kenzo Tribouillard/AFP

Die Übermacht ist schier überwältigend. Bei jedem Etappenrennen, bei dem Toursieger Tadej Pogacar in dieser Saison an den Start ging, gewann er - oder er wurde wenn überhaupt von seinem Landsmann Primoz Roglic bezwungen. Roglic, im Vorjahr hinter Pogacar Zweiter der Tour, verpasste eine makellose Rundfahrtbilanz in dieser Saison nur wegen eines Sturzes bei der Fernfahrt Paris-Nizza.

Die beiden Slowenen fahren in einer eigenen Liga. Pogacar, der für den Rennstall UAE Team Emirates startet, hakte Mitte Juni noch eine bislang unerledigte Aufgabe ab. Er gewann die Slowenien-Rundfahrt, sein Heimatrennen. "Vier Mal war ich hier schon am Start, konnte aber niemals gewinnen. Umso glücklicher macht mich dieser Sieg vor allen meinen Fans jetzt", sagte er. Für die Tour de France fühlt er sich bestens gerüstet. "Die Form ist gut", meinte er. "Ich muss noch ein bisschen feinjustieren. Aber ich bin optimistisch."

Roglics Rezept: Rennpause

Sein größter Rivale Roglic, der für die Niederländer von Jumbo-Visma startet, blieb dem Heimrennen fern. Seit Ende April legt er eine Rennpause ein. Das ist ungewöhnlich. Denn meist suchen die Aspiranten auf den Toursieg wenigstens etwas Wettkampfhärte vor dem Grand Depart. Allerdings ist der Ex-Skispringer ein Eigenbrödler. Als anfangs belächelter Seiteneinsteiger in den Radsport sucht Roglic gerne seinen eigenen Weg. Außerdem will er wohl vermeiden, dass er kurz vor der Tour noch einen Sturz erleidet, der seine Pläne für Frankreich durchkreuzt.

"Ich habe seine letzte Vorbereitung nicht ganz genau verfolgt. Ich hatte in den letzten Wochen auch schwer mit einer COVID-Infektion zu kämpfen. Aber ich bin überzeugt, dass er auf einem guten Niveau ist", erzählt Radoje Milic der DW per Telefon aus seinem Krankenzimmer. Milic ist Chefleistungsdiagnostiker der Sportmedizin der Universität Ljubliana. Er kennt Roglics Leistungsdaten, seit der nach einem schweren Sturz im Jahr 2011 vom Skispringen aufs Rad umsattelte. Und er hatte auch Pogacar im Leistungstest, als der noch für Amateurteams unterwegs war. Auch in diesem Jahr kreuzten beide in Milics Labor auf. Der Diagnostiker ist davon überzeugt, dass die beiden erneut die Tour de France aufmischen werden.

Auch Pogacar profitiert von Roglics Team Jumbo-Visma

"Pogacar ist ein sehr cleverer Fahrer. Ich vermute, dass er die Maschine von Jumbo-Visma nutzen und für seine Zwecke einsetzen wird", sagt Milic. Jumbo-Visma ist das Team von Roglic, das derzeit stärkste im Peloton. Allein bei den diversen Landesmeisterschaften im Juni haben Fahrer der Mannschaft sechs Titel abgeräumt, darunter auch den Zeitfahrsieg des Deutschen Tony Martin, Road Captain im aktuellen Tour-Aufgebot.

Starke Unterstützung: Wout van Aert, Steven Kruijswijk und Tony Martin (v.l.n.r.) fahren in Roglics TeamBild: Roth/picture alliance

Schon bei der letzten Tour war Jumbo-Visma das stärkste Team, fing alle wichtige Rivalen ein und sorgte für hohes Tempo. Nur einen Fahrer ließ die Truppe mal kurz entweichen: Pogacar, für Roglic damals so etwas wie ein jüngerer Bruder, dem er etwas Freiheit lassen wollte. Das wird er in diesem Jahr wohl nicht noch einmal machen.

Milic vermutet auch, dass Jumbo-Visma erst später im Verlauf der Rundfahrt die Verantwortung für das Gelbe Trikot übernehmen wird. 2020 fiel es Roglic bereits auf der 9. Etappe zu. "Die Verteidigung des Trikots kostet Kraft. Je später man es übernimmt, umso besser", meint Milic. Pogacar könne dennoch darauf setzen, dass Jumbo-Visma die wichtigsten Rivalen im Zaum hält und er und sein UAE-Team Kräfte sparen können, lautet seine Überzeugung.

Ineos mit neuer Philosophie

Eingreifen in den slowenischen Zweikampf will vor allem das Team Ineos Grenadiers. Der britische Rennstall, mit insgesamt sieben Gesamtsiegen in neun Jahren lange das Nonplusultra bei der Frankreich-Rundfahrt, ist aktuell nur noch das Beste vom Rest. Die Doppelspitze aus Geraint Thomas, dem Tour-Sieger von 2018, und Richard Carapaz kann es an rennfahrerischer Klasse nicht mit Pogacar und Roglic aufnehmen. Und Roglics Team Jumbo-Visma wirkt auch tiefer besetzt als die Briten.

"Widerstandskämpfer": Ineos-Co-Kapitän Geraint ThomasBild: Roth/picture alliance

Die ändern deshalb ihre Strategie: "Wir werden diese Tour nicht gewinnen, indem wir nur am Hinterrad kleben. Wir wollen ein lebendiges Rennen, wollen die Initiative ergreifen und jeden Kilometer Widerstand leisten", kündigte Teamchef David Brailsford an. Er betonte den Mentalitätswechsel, dem sich sein Team nach dem Abgang des früheren Dominators Chris Froome unterzogen hat: "Wir haben unsere Rennphilosophie geändert, wollen offener und aggressiver sein, stärker das Abenteuer suchen."

Das verspricht ein lebhaftes Rennen. In den Vierkampf der Ineos-Doppelspitze gegen das Slowenen-Duo wollen auch noch die beiden Movistar-Kapitäne Enric Mas aus Spanien und Miguel Angel Lopez aus Kolumbien hineinhalten. Für weitere explosive Momente sind mit Sergio Higuita und Rigoberto Uran (Education First) zwei weitere Kolumbianer, der Kanadier Michael Woods (Israel Start Up Nation) und Frankreichs Hoffnung David Gaudu (Groupama FDJ) gut. Deutschlands bester Rundfahrer Emanuel Buchmann will sich dagegen nach seinem sturzbedingten Ausscheiden beim Giro auf Etappenerfolge konzentrieren.

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