Mit seinem 34. Etappensieg bei der Frankreich-Rundfahrt zieht der Brite Mark Cavendish mit der lebenden Radsportlegende Eddy Merckx gleich. Der Belgier nimmt es gelassen.
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Auf dem Zielstrich in Carcassone ballte Mark Cavendish die Faust. Im Massenspurt sicherte sich der 36 Jahre alte Brite seinen vierten Etappenerfolg bei der diesjährigen Tour de France. Der Top-Sprinter baute damit auf dem 13. Teilstück seine Führung in der Punktewertung aus, das Grüne Trikot ist ihm kaum noch zu nehmen. Im Gelben Trikot des Spitzenreiters der Gesamtwertung fährt weiter mit einem großem Vorsprung von über fünf Minuten Vorjahressieger Tadej Pogacar aus Slowenien.
Cavendishs Sieg in Carcassone war einer für die Radsport-Geschichtsbücher. Auf den Tag genau 13 Jahre nach seinem ersten Etappenerfolg bei der Tour de France feierte er seinen 34. Tagessieg bei der Frankreich-Rundfahrt. Damit egalisierte er die Bestmarke des fünfmaligen Gesamtsiegers Eddy Merckx, der zwischen 1969 und 1975 ebenfalls 34 Etappen gewonnen hatte.
Über die Einstellung des Uraltrekords wollte Cavendish hinterher nicht reden. "Ich bin einfach nur tot", sagte der Brite nach dem schweißtreibenden Tagesabschnitt über 220 Kilometer in Südfrankreich. "Es ist für mich nur ein weiterer Tour-Etappensieg." Cavendish hat noch zwei Chancen, alleiniger Rekordhalter zu werden: auf dem flachen 19. Teilstück am 16. Juli und zwei Tage später bei der Schlussetappe auf den Champs Elysees in Paris, die schon fast traditionell im Sprint entschieden wird.
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"Dunkle Tage hinter mir gelassen"
Kaum jemand hatte Cavendish vor dem Start der Tour etwas zugetraut. Seine lange Profikarriere schien eher still auszulaufen, schon seine Nominierung galt als überraschend. Die größten Erfolge als Straßenradprofi hatte Cavendish vor zehn Jahren gefeiert: 2011 sicherte er sich das Grüne Trikot des besten Sprinters der Tour de France und wurde später in Kopenhagen Weltmeister. Auch bei den beiden anderen großen Rundfahrten war Cavendish erfolgreich: Beim Giro d'Italia gewann er zwischen 2008 und 2013 insgesamt 15 Etappen, bei der Spanienrundfahrt 2010 drei Teilstücke.
Vor vier Jahren hatte eine Virusinfektion Cavendish körperlich stark geschwächt. Dazu litt er an Depressionen. Zwischen 2018 und 2020 gelang ihm kaum noch etwas. "Es waren dunkle Tage", sagte der Top-Sprinter rückblickend: "Ich habe sie hinter mir gelassen."
Liebeserklärung an die Tour de France
Als der Brite Ende Juni auf dem vierten Teilstück in Fougères im Massensprint seinen ersten Tour-de-France-Etappensieg nach fünf Jahren Durststrecke feierte, vergoss er Freudentränen und erklärte seine Liebe zur Frankreich-Rundfahrt: "Dieses Rennen hat mir das Leben gegeben, das ich habe. Und ich haben dem Rennen das Leben gewidmet, das ich hatte."
Die lebende Radsport-Legende Eddy Merckx kann es verschmerzen, dass er nun nach 46 Jahren seinen Tour-Etappenrekord mit dem Briten teilen muss. "Das kostet mich keinen Schlaf. Rekorde sind da, um gebrochen zu werden", sagte der 76 Jahre alte Belgier jüngst. Außerdem seien viele seiner Bestmarken für Cavendish unerreichbar, so Merckx: "Mark Cavendish wird nie fünfmal die Tour de France gewinnen. Und er wird auch nie 96 Tage in Gelb fahren. Und was ist wohl das Wichtigste?"
Eddy Merckx: Momente im Leben des Rad-Kannibalen
Ein Leben für das Rad: Eddy Merckx feiert blickt zurück auf eine beeindruckende Laufbahn. Seine große Bühne war die Tour de France, bei der er Höhen und Tiefen erlebte.
Bild: Jean-François Frey/Imago Images
Are you r'Eddy?
Er ist ein Stehaufmännchen: Nach einem schweren Sturz im Oktober 2019 ist Eddy Merckx zu seinem 75. Geburtstag wieder wohlauf: "Ich kann mich nicht beschweren. Ich fahre so zwei, dreimal die Woche Rad", erzählt die belgische Radikone dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Beim Start der Tour de France 2019 in Brüssel (Foto) huldigen die Belgier Merckx mit Sprechchören und Plakaten: "Are you r'Eddy?".
Bild: picture alliance/dpa/D. Stockman
Vom Anfänger zum Weltmeister
Aufgewachsen als Sohn eines Lebensmittelhändlers, probiert Merckx erst andere Sportarten aus: Fußball, Basketball und Schwimmen. Mit 16 Jahren bestreitet er sein erstes Radrennen. Drei Jahre später gewinnt er überraschend die Straßen-WM der Amateure. Bis heute ist er der jüngste Titelträger aller Zeiten. 1971 (Foto) holt er sich in Mendrisio schon den zweiten WM-Titel bei den Profis.
Bild: picture alliance/Keystone
Vorstoß in andere Sphären
Beim Giro d’Italia 1969 wird Merckx wegen mutmaßlichen Dopings als Führender aus dem Rennen genommen. Grimmig entschlossen startet er bei der folgenden Tour de France. Er gewinnt sechs Etappen und hat im Ziel in Paris (Foto) knapp 18 Minuten Vorsprung auf den Zweiten. Darüberhinaus entscheidet er auch Punkte-, Bergpreis- und Kombinationswertung für sich. Ein bis heute einzigartiger Erfolg.
Bild: picture-alliance/dpa/Belga
Bestmarke für knapp 30 Jahre
1972 schafft der Belgier im Trikot des italienischen Teams Molteni erneut das Double und gewinnt Giro und Tour. Im Oktober wagt er einen Angriff auf den Stundenweltrekord. In der Höhe von Mexiko City kurbelt er in 60 Minuten 49,431 Kilometer weit. Unter vergleichbaren technischen Bedingungen kann erst Christ Boardman diesen Rekord brechen - 28 Jahre später.
Bild: Getty Images/AFP
Siegreich bei allen Grand Tours
Unbedingter Siegeswille macht aus Merckx den "Kannibalen" - sein nicht gerade schmeichelhafter Spitzname. Als einer der wenigen Radsportler gewinnt er alle drei großen Rundfahrten. Bei der Vuelta triumphiert er 1972, die Tour gewinnt er fünf Mal. Ebenso oft gewinnt er den Giro d’Italia. Zum ersten Mal bringt er das Rosa Trikot 1968 (Foto) ins Ziel.
Bild: picture-alliance/Augenklick/Roth
Durch die Hölle des Nordens
Sein Hunger auf Siege beschränkt sich aber nicht nur auf Rundfahrten. Er gewinnt Sechstage-Rennen auf der Bahn und ist bei den Klassikern erfolgreich. Bei seinem Lieblingsrennen Mailand-Sanremo ist er sieben Mal der Schnellste. Auf den holprigen Pisten von Paris-Roubaix (Foto) lässt er das Feld drei Mal hinter sich.
Bild: Getty Images/AFP
Kein sauberer Held
Doch seine glänzende Karriere hat auch dunkle Flecken: 1969 wird er aufgrund bis heute nicht geklärter Manipulationsvorwürfe vom Giro ausgeschlossen. "Ich bin überzeugt, dass ich Opfer eines Komplotts war", sagte er dazu später. 1973 und 1977 (Foto von Lüttich-Bastogne-Lüttich) wird er jedoch erneut positiv getestet. 1978 trat er zurück. Seinem Ruf in Belgien haben die Dopingfälle nicht geschadet.
Bild: picture alliance/Augenklick/Roth
Auch ein Eddy Merckx kennt Grenzen
Leichtfüßig, dominant, unbezwingbar. So mögen die Fans den Belgier. 1970 erleben sie bei der Tour eine andere Seite. Merckx gewinnt zwar auf dem Mont Ventoux, doch oben auf dem Gipfel zwingt ihn der Riese der Provence in die Knie. Merckx ist völlig erschöpft und muss von Sanitätern mit Sauerstoff versorgt werden. Die Tour gewinnt er am Ende dennoch.
Bild: UPI/dpa/picture alliance
Merckx wird zur Marke
Nach seiner aktiven Karriere baut Merckx eine Firma für Rennräder auf und stattet medienwirksam auch Stars wie Michael Schumacher aus (Foto). 2008 verkauft der erfolgreiche Unternehmer die Mehrheitsanteile der Firma und lässt es ruhiger angehen. Seit 2013 muss Belgiens Sportler des Jahrhunderts einen Herzschrittmacher tragen.
Bild: picture-alliance/dpa/G. De Coster
Zu große Fußstapfen für den Sohn
Was tut man als Sohn einer Sportlegende? Eddy Merckx' Sohn Axel entscheidet sich für den naheliegenden, aber schweren Weg - er eifert seinem Vater nach. Der junge Merckx fährt dabei durchaus gute Resultate ein: Olympia-Bronze, Zehnter der Tour, ein Etappensieg beim Giro. Von den Leistungen seines Vaters trennten Axel jedoch Welten. Bei einem Paarzeitfahren 2004 (Foto) hatte er die Nase aber vorn.
Bild: Michel Krakowski/epa/belga/picture alliance
Auch als Rentner immer vorne dabei
Nach seinem Rücktritt bleibt Eddy Merckx im Radsport: Als Nationaltrainer Belgiens, als Repräsentant, als Rennveranstalter, als Experte in den Medien und vor allem als Eddy Merckx. Natürlich ist er auch dabei, als die Tour de France 2019 seine Heimat Belgien besucht - und zwar ganz vorne an der Spitze des Rennens.