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Politik

EU: Adieu Sommerurlaub?

28. April 2020

Wenn es Urlaub nach der Pandemie gibt, findet der wohl eher in der eigenen Region statt. Die EU-Tourismusminister haben keinen Zeitplan für eine Wiederbelebung des Reisens. Bernd Riegert aus Brüssel.

Italien Die Adriaküste bei Rimini
Soziale Distanz im Urlaub möglich? Strandliegen in Rimini, ItalienBild: Imago Images/localpic

Wann und wie die Grenzen sich für den Reiseverkehr wieder öffnen werden, könne heute niemand verantwortlich sagen, meinte der parlamentarische Staatssekretär Thomas Bareiß, der im Bundeswirtschaftsministerium für Tourismus zuständig ist. "Es ist eher unwahrscheinlich, dass deutsche Touristen im Sommer nach Spanien oder Griechenland reisen werden", so Bareiß. Es sei wahrscheinlicher, dass die Deutschen in diesem Jahr im eigenen Land oder der eigenen Region bleiben werden. "Da gibt es ja auch schöne Ziele."

Die wirtschaftliche Lage der Tourismusindustrie ist nicht nur in Südeuropa rund ums Mittelmeer, sondern auch in Deutschland katastrophal. Die Reisewirtschaft rechnet mit einem Buchungsrückgang bei Pauschalreisen von bis zu 70 Prozent in diesem Jahr. Am härtesten wird es wohl Kreuzfahrtunternehmen mit einem Ausfall von 90 Prozent treffen, schätzt die EU-Kommission in Brüssel.

Riesige Verluste erwartet

Der kroatische Innenminister Davor Bozinovic sagte als EU-Ratsvorsitzender nach einer Videorunde mit seinen Kolleginnen und Kollegen, man werde sehr vorsichtig mit der Öffnung der EU-Binnengrenzen und den Außengrenzen umgehen. "Wir waren alle einig, dass wir vor allem neue Wellen von Ansteckung verhindern müssen." Konkrete Zeitpläne nannte er nicht. 

Das war einmal: Panorama von Rimini vor der Corona-Krise (Archiv)Bild: picture-alliance/dpa/M. Schrader

In der EU werden 10 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) durch die Tourismusindustrie erbracht. In manchen Ländern wie Griechenland oder Malta erreicht der Anteil der Reisebranche am BIP 20 bis 25 Prozent. Spanien erwirtschaftete nach Angaben der EU-Kommission rund 145 Milliarden Euro im Tourismussektor, deutsche Hotels und Reiseveranstalter erwirtschaften rund 240 Milliarden Euro im Jahr. Der Schaden ist im "Quellmarkt" Deutschland, aus dem viele Touristen kommen, also in absoluten Zahlen noch höher als in klassischen "Zielmärkten" wie Spanien oder Italien.

Wann sollen Reisen möglich sein?

Der kroatische Tourismusminister Gari Cappelli, der zurzeit den Vorsitz in der EU führt, äußerte die Erwartung, dass die Nordeuropäer in der Sommersaison trotz der Pandemie nach Süden reisen, quasi als Akt der europäischen Solidarität. "Wir brauchen einen gemeinsamen Plan für einen Wiederaufbau des Tourismus", sagte Capelli. Man brauche ein gemeinsames Gesundheitskonzept und könne dann so etwas wie einen "Corona-Gesundheitspass" für alle Reisenden und Veranstalter ausstellen. Die Tourismusministerin von Malta, Julia Farrugia Portelli, wirbt für gemeinsame Standards der EU, was Gesundheitsschutz in Hotels, Restaurants, Flugzeugen und an Stränden angeht. "Es gibt Risiken, aber wir müssen diese Risiken managen", sagte Farrugia Portelli in der Sitzung der Minister.

Andere Regierungen sind da zurückhaltender und gehen eigene Wege. Österreich macht zum Beispiel seine Hotels am 29. Mai wieder auf,  Reisende sollen aber nur aus den unmittelbaren Nachbarstaaten und möglichst aus Regionen aufgenommen werden, in denen die Ansteckungsrate niedrig ist. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz wirbt dafür, dass Österreicher ihren Sommerurlaub im diesem Corona-Ausnahmejahr im eigenen Land verbringen.

Plexiglas und Korridore

In Italien entwickeln Hoteliers und die Betreiber von bewirtschafteten Stränden ungewohnte Konzepte, um mögliche Urlauber auf Distanz zu halten. Am Strand sollen Trennscheiben aus Plexiglas aufgestellt werden,  Hotels sollen nur zur Hälfte belegt werden und nur noch Ein-Gang-Menus an Tischen servieren, die zwei Meter auseinanderstehen. Griechenland denkt über eine Art Touristenkorridor aus Westeuropa nach. Nachweislich gesunde Reisende sollen in speziellen Flugzeugen in überprüfte und Corona-freie Ferienanlagen geflogen werden, beschrieb der griechische Tourismusminister Charis Theocharis das Konzept. In Belgien wird über Zugangskarten für Strände nachgedacht. Wieder andere Tourismusminister wollen für Urlaub auf dem Land werben, um Hotelanlangen und Strände zu entlasten.

Noch ist aber völlig unklar wann sich die zuständigen Innenminister der EU auf einen abgestimmten Plan für Grenzöffnungen für Touristen festlegen können. Beamte in der EU-Kommission, die Richtlinien für den Reiseverkehr ausarbeiten sollen, sind zurückhaltend. Zunächst müssten die Reisebeschränkungen innerhalb der Nationalstaaten aufgehoben werden, dann werde Reiseverkehr zwischen benachbarten Regionen möglich werden. Danach sei Reiseverkehr zwischen benachbarten Staaten möglich und ganz am Ende der innereuropäische Flugverkehr. Völlig unklar sei, wann touristische Reisen nach Asien, in die USA und andere Teile der Welt wieder möglich sein werden.

Vertrauen der Urlauber

Und dann sind da ja noch die Urlauber, die das alles noch als Entspannung und Erholung erleben sollen. Werden die überhaupt Strandurlaub hinter Plexiglas, ohne Party in der Bar oder Sport und Sightseeing in der Gruppe machen wollen? Maria Frontera, Vorsitzende des Hotelverbandes Fehm auf der spanischen Ferieninsel Mallorca, meint, es gehe jetzt vor allem darum, den Urlaubern das Gefühl der Sicherheit zu geben. "Es geht nicht darum, möglichst bald wieder die Vorkrisensituation zu erreichen, sondern alle notwendige Sicherheit. Wir müssen Vertrauen aufbauen und dürfen uns keine Fehler erlauben. Die Destinationen, die die Situation als Erste kontrollieren und das in den Quellmärkten auch glaubhaft vermitteln können, werden einen Vorsprung haben, wenn es wieder losgeht", sagte Maria Frontera dem "Mallorca-Magazin".

Reisen mit Mundschutz werden wohl zur Regel (Flughafen Tegel in Berlin)Bild: picture-alliance/dpa/C. Soeder

Die Welt-Tourismus-Organisation, eine Agentur der Vereinten Nationen schätzt, dass 96 Prozent aller Urlaubsziele weltweit während der Corona-Pandemie nicht erreicht werden können. Der Generalsekretär der Organisation, Zurab Pololikashvili, der an den Beratungen der EU-Minister teilnahm, forderte ein baldiges Ende der Beschränkungen. "Diese Krise hat uns die Stärke von Solidarität über Grenzen hinweg gezeigt. Aber nette Worte alleine werden die Millionen Jobs der Menschen, die in einem aufstrebenden Tourismus-Sektor gearbeitet haben, nicht retten", sagte Pololikashvili und verlangte mehr Hilfen für den Wiederaufbau. "Wir fordern, dass dem Tourismus die Unterstützung zuteil wird, damit er führend beim Wiederaufbau der Wirtschaft sein kann."

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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