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Reise

Tourismus in Deutschland - gibt es den noch?

Andreas Kirchhoff
18. März 2020

Hotelübernachtungen zu touristischen Zwecken sind verboten, Ein- und Ausreisen nach und aus Deutschland nur noch in Ausnahmefällen möglich. Die Folgen des Coronavirus für die Tourismuswirtschaft sind dramatisch.

Deutschland Tourismus in Zeiten der Corona-Krise | Schloß Neuschwanstein
Die Türen bleiben bis auf Weiteres geschlossen - Schloss NeuschwansteinBild: picture-alliance/dpa/K.-J. Hildenbrand

Kurz vor Mitternacht ist Schluss. Das letzte Bier gezapft. Zum ersten Mal seit 120 Jahren schließt das Hofbräuhaus in München. Das weltberühmte Gasthaus, Ziel fast jedes Touristen in München, beugt sich am Dienstag (17.03.2020) den Einschränkungen durch das Coronavirus.

Das Hofbräuhaus, das sich sonst rühmen konnte, an 365 Tagen im Jahr geöffnet zu sein, hatte schon in den Tagen zuvor fast die Hälfte seiner Gäste verloren. "Wir fahren den ganzen Betrieb runter und wir nutzen die Zeit, um Dinge zu reparieren. Und dann machen wir wieder auf, wenn das Infektionsrisiko runter geht", sagt Geschäftsführer Wolfgang Sperger.

Das traditionsreiche Gasthaus ist nur eine von vielen Institutionen, die von den Einschränkungen im öffentlichen Leben und im Tourismus betroffen sind. Der Kölner Dom, der im Jahr sechs Millionen Besucher zählt, ist wegen der aktuellen Lage "bis auf Weiteres nur noch für Menschen geöffnet, die ihn zum Gebet aufsuchen möchten", wie der Dom auf seiner Internetseite mitteilte.

Auch die Bayerische Schlösserverwaltung erklärt, dass alle Sehenswürdigkeiten wie etwa Schloss Neuschwanstein bis zum 19. April für den Publikumsverkehr geschlossen sind. Nur die Park- und Gartenanlagen bleiben bis auf Weiteres geöffnet.  

Geschlossen - das erste Mal in 120 Jahren: das Hofbräuhaus in MünchenBild: picture-alliance/AP Photo/M. Schrader

Tourismus als Gefahrenquelle

Touristen gelten, neben den Geschäftsreisenden, als Überträger des neuartigen Virus, die die weltweite Verbreitung erst ermöglicht haben. Karnevalsaktivitäten und Skiferien in Norditalien und Tirol haben die Infektionen in ganz Europa beschleunigt.

Waren es vorher nur wenige touristische Einrichtungen, Zielorte und Regionen, die unter dem Ausbleiben der Gäste aus Asien gelitten haben, ist der Tourismus in Deutschland nun komplett zum Erliegen gekommen. Die Grenzen sind dicht. Hotels dürfen keine Touristen mehr beherbergen. Museen sind geschlossen, Restaurants nur eingeschränkt zugänglich.

Es herrscht eine Art Endzeitstimmung. Bevor am vergangenen Sonntag auch die Skigebiete auf und neben der Zugspitze geschlossen wurden, haben sich noch einmal Tausende auf den Weg gemacht. Auch das Verbot, die Nordseeinseln zu besuchen, wird von einigen Reisenden immer noch ignoriert.

Bundesland Schleswig-Holstein zieht die Notbremse

Im Kampf gegen die Corona-Epidemie wird Schleswig-Holstein zur touristenfreien Zone. Besucher dürfen das Bundesland ab Mittwoch (18.03.2020) nicht mehr betreten. "Reisen aus touristischem Anlass in das Gebiet des Landes Schleswig-Holstein werden untersagt. Das kann kontrolliert und ordnungsrechtlich durchgesetzt werden", sagte Tourismusminister Bernd Buchholz.

Möglich ist nur noch die Anreise aus anderen privaten oder beruflichen Gründen. Alle Beherbergungsbetriebe, Campingplätze und Yachthäfen für touristische Zwecke werden ab Mittwoch geschlossen. Die Abreise von Touristen müsse bis zum Donnerstag erfolgen. Auch der Tagestourismus findet nicht mehr statt.

Urlauber sollen Inseln verlassen - Anleger zwischen Rügen und HiddenseeBild: picture-alliance/dpa/S. Sauer

Folgen für die Tourismuswirtschaft und Fluggesellschaften

Nachdem bereits am Montag zahlreiche Reiseveranstalter, allen voran der weltweit größte Anbieter TUI, ihre Angebote gestoppt haben, hat jetzt auch DER Touristik Deutschland vorübergehend alle Reisen abgesagt. Der Stopp gilt bis  einschließlich 29. März. Damit reagiert das Unternehmen mit den Veranstaltern Dertour, ITS, Jahn Reisen, Meiers Weltreisen, ADAC Reisen und Travelix auf die weltweite Reisewarnung des Auswärtigen Amtes.

Wie andere große Fluglinien hat die Lufthansa wegen der Einreisestopps von immer mehr Ländern in der Corona-Krise den Flugplan erneut massiv reduziert. Ab Dienstag werden 90 Prozent der Langstreckenflüge und 80 Prozent der Kurzstreckenflüge in Europa bis zum 12. April ausfallen.

Die bislang verabschiedeten Maßnahmen der Bundesregierung - ein ausgeweitetes Kurzarbeitergeld, Liquiditätshilfen und Steuerstundungen - reichten zunächst aus, sagte der Luftfahrtkoordinator der Regierung, Thomas Jarzombek. Später werde entschieden, ob es weitere Hilfen geben müsse.

Reiseveranstalter, Hotels und Gaststätten - Existenzängste in der Branche

Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU), sieht die Reise- und Tourismusbranche angesichts der Corona-Krise in einer existenzbedrohenden Lage und hat sich für einen Notfallfonds ausgesprochen. "Wir dürfen nicht zulassen, dass die vielen Restaurants, Hotels und Unternehmen der Tourismusbranche mit über 3 Millionen Beschäftigten verschwinden", sagte der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium.

Der Reiseverband DRV bekräftigte seine Forderung nach staatlicher Unterstützung. "Die Reise- und Tourismusbranche trifft es ganz besonders hart. Der Handlungsspielraum sei keine Wochen mehr, sondern es handle sich um Tage. Wir brauchen jetzt schnell einen Notfallfonds, der einen Schutzschirm bildet", sagte Bareiß. Der jetzige Einnahmeausfall sei für immer verloren, in dieser Branche gebe es keinen Nachholeffekt. "Das ist eine außergewöhnliche Situation, die auch außergewöhnliche Mittel erfordert."

Selten so leer - das Brandenburger Tor in BerlinBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Dringende Warnungen kommen auch vom Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. "Die Umsatzeinbußen erreichen ein nie gekanntes Ausmaß", schlägt Dehoga-Präsident Guido Zöllick Alarm. Auch die private Nachfrage gehe spürbar zurück: "Inzwischen leidet die gesamte Branche in der gesamten Republik - ob Hotels, Restaurants, Caterer, Kneipen, Bars, Diskotheken und Clubs, ob Betriebs-, Stadion- und Verkehrsgastronomie - ob in der Stadt oder auf dem Land." 

Was bleibt - Reisen im Mikrokosmos der direkten Umgebung

In Abwandlung des Spruchs "Leben, wo andere Urlaub machen" können jetzt viele Menschen ihre Heimat genießen, als seien sie im Urlaub. Zwar sind auch für die Anwohner öffentliche Einrichtungen, wie etwa die Museen, geschlossen, aber den Blick auf Architektur und Stadtlandschaft kann man ja selten so menschenleer genießen wie zur Zeit.

(mit dpa, Reuters)