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Toxoplasmose: Wenn Maus die Katze angreift

5. November 2018

Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass der Toxoplasmose-Parasit den Stoffwechsel im Gehirn beeinflusst. Veränderte Synapsen werden mit Depressionen, Schizophrenie und Autismus in Verbindung gebracht.

Katze spielt mit Beutemaus
Bild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Mit Toxoplasmen infizierte Mäuse verhalten sich seltsam: Sie verlieren ihre natürliche Furcht vor Katzen. Das hatten Magdeburger Wissenschaftler bereits in früheren Versuchen herausgefunden. Und wenn man den Nagern den Geruch von Katzenurin präsentierte, schienen sie sogar eine Präferenz für Katzen entwickelt zu haben, so die überraschten Forscher.

Toxoplasmose wird durch den Erreger Toxoplasma gondii ausgelöst, einen einzelligen Parasit, der weltweit verbreitet ist. Er befällt Vögel und Säugetiere - also auch den Menschen. Seine Endwirte sind jedoch Katzen, die den Toxoplasmose-Erreger mit ihrem Kot ausscheiden. Menschen können sich beim Säubern der Katzentoilette infizieren oder wenn sie anderweitig - etwa bei der Gartenarbeit - mit dem Erreger in Kontakt kommen kommen und ihn über den Mund aufnehmen. Gefahr besteht auch wenn sie verunreinigte Lebensmittel essen. 

Die Hälfte aller Erwachsenen ist mit Toxoplasmen infiziert. Davon merken sie normalerweise nichts, da die Toxoplasmose meist unbemerkt verläuft. Der Körper bildet Abwehrstoffe gegen den Erreger und ist dann gewöhnlich lebenslang immun gegen die Krankheit. Nur selten kommt es bei einer Infektion kurzzeitig zu einem grippeähnlichen Krankheitsbild mit Fieber, Schlappheit, Muskelschmerzen und Durchfällen. 

Ist ein Mensch aber erst einmal infiziert, bleibt der Parasit oft dauerhaft im Organismus – etwa im Muskelgewebe oder im Gehirn. Mediziner sprechen deshalb von einer "versteckt fortbestehenden" Infektion. 

Mehr dazu: Fünf Krankheitserreger, die Ungeborenen schaden können

Endwirte der Toxoplasmose Erreger sind Katzen - von dort können sie zum Menschen gelangenBild: Colourbox

Gefährlich ist Toxoplasmose für Menschen mit einem geschwächten Immunsystem oder Patienten, die gerade eine Organtransplantation hinter sich haben. Gefährdet sind aber auch Schwangere: Hat sich eine Mutter bereits vor der Schwangerschaft infiziert und eine Immunität gegenüber Toxoplasmose aufgebaut, ist das ungeborene Kind normalerweise nicht gefährdet. Steckt sie sich aber erst in der Schwangerschaft an, kann dies zu Netzhautentzündungen, Entwicklungsverzögerungen und Krampfanfällen beim Kind oder sogar zur Fehlgeburt führen.

Parasiten beeinflussen Signalübertragung im Gehirn

Die Existenz von Toxoplasmose ist schon lange bekannt. Neu sind allerdings die Erkenntnisse, wie der Toxoplasmose-Parasit die Synapsen im Gehirn umbaut. Wissenschaftler vom Institut für Inflammation und Neurodegeneration der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (OVGU) und vom Leibniz-Institut für Neurobiologie (LIN) haben nachgewiesen, dass der Parasit den Stoffwechsel im Gehirn seiner Wirte beeinflusst und die molekulare Zusammensetzung von Synapsen verändert. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin Journal of Neuroinflammation veröffentlicht.

Der Parasit nistet sich nicht nur im Gehirn und Muskelgewebe infizierter Tiere ein: "Toxoplasma gondii wird vom Menschen über die Verdauung aufgenommen, gelangt in den Blutkreislauf und wandert auch ins Gehirn, um sich dort lebenslang in Nervenzellen einzunisten", beschreibt Dr. Karl-Heinz Smalla vom Speziallabor Molekularbiologische Techniken am LIN.

Das Beutetier Maus verliert durch die Toxosplamose-Parasiten die Angst vor KatzenBild: Fotolia/Sergii Figurnyi

Um die seltsamen Verhaltensänderungen bei den Mäusen zu erklären, untersuchten die Forscher Veränderungen in den Mäusegehirnen – insbesondere die molekulare Zusammensetzung von Synapsen, da die für die Signalverarbeitung im Gehirn verantwortlich sind.

In einer Kooperation mit dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig konnten sie dabei nachweisen, dass sich durch die Infektion die Mengen bei insgesamt 300 synaptischen Proteinen im Gehirn verändern. Besonders stark reduziert waren vor allem Proteine in der Nähe von Glutamat-freisetzenden erregenden Synapsen. Gleichzeitig wurden erhöhte Mengen an Proteinen gefunden, die an Immunantworten beteiligt sind.

Behandlung mit Sulfadiazin vielversprechend 

Zur Therapie von Toxoplasmose-Infektionen wird oft Sulfadiazin eingesetzt, das die Vermehrung der Toxoplasmen teilweise behindert. Diese Behandlung zeigte bei den untersuchten Mäusehirnen Wirkung: "Alle untersuchten Proteine, die für die glutamaterge Signalübertragung zuständig sind, waren wieder im Normalbereich. Und auch die Entzündungsaktivität ging messbar zurück," sagte der Psychiater und Neurowissenschaftler Dr. Björn Schott. 

Fehlfunktionen glutamaterger Synapsen werden mit Depressionen, Schizophrenie und Autismus in Verbindung gebracht. Bild: picture-alliance/dpa/C. Klose

Diese Erkenntnisse könnten auch für den Menschen relevant sein. "Sie unterstützen die Vermutung, dass Toxoplasma gondii ein Risikofaktor für neuropsychische Erkrankungen ist. Fehlfunktionen glutamaterger Synapsen werden mit Depressionen, Schizophrenie und Autismus in Verbindung gebracht. Auch Komponenten der Immunantwort zeigen Bezüge zu diesen Erkrankungen", so die Neuroimmunologin Dr. Ildiko Rita Dunay. "Das legt den Verdacht nahe, dass möglicherweise durch Immunreaktionen Veränderungen an der Synapse verursacht werden, die zu neuropsychiatrischen Störungen führen können."

 

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