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Mann oder Frau?

Vera Kern13. Mai 2014

Das Spiel mit den Geschlechtsidentitäten: Dragqueen und ESC-Siegerin Conchita Wurst beherrscht es perfekt. Doch wie tolerant ist Deutschland im Umgang mit Transgender? Ein Blick jenseits des Showbusiness.

Mann Frau Geschlecht Symbolbild (Foto: Rainer Jensen/Karl-Josef Hildenbrand/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Bin ich ein Mann oder eine Frau? Schon früh begleitet Liisa Seefried aus Erlangen diese Frage. Innerlich wächst die Klarheit - aber das Äußere entspricht nicht dem inneren Empfinden. Denn Liisa Seefried wächst als Mann auf. So zumindest steht es zunächst in ihrer Geburtsurkunde. Erst mit 45 Jahren hat sie den Mut, zu sagen: Ich fühle mich als Frau. Liisa Seefrieds Umfeld reagiert offen und verständnisvoll auf ihr Outing, erzählt sie im DW-Gespräch. Doch nicht bei allen transsexuellen Menschen ist der Weg zur eigenen Geschlechtsidentität so einfach.

Transgender oder transidente Menschen - so die bevorzugte Selbstbezeichnung vieler Betroffenenvereine - nehmen ihre Geschlechtsidentität anders wahr, als sie im Pass steht und ihnen bei der Geburt zugeordnet wurde. Es sind Menschen, die das Gefühl haben, im falschen Körper zur Welt gekommen zu sein. Sie können sich nicht mit ihren körperlichen Geschlechtsmerkmalen identifizieren. Wie viele Transgender in Deutschland leben, dazu gibt es keine genauen Zahlen. Patricia Metzer von der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti) schätzt, dass zwischen 20.000 und 80.000 Menschen in Deutschland transsexuell sind. "Transsexuelle Menschen werden ja nur dann sichtbar, wenn sie sagen: Halt, ich bin im falschen Geschlecht, ich muss mein Äußeres dem Inneren angleichen", so Metzer.

Mann oder Frau? Transgender fühlen sich im falschen Körper geborenBild: picture-alliance/dpa

Kritik am Transsexuellengesetz

Wer seine Identität auch sichtbar ausleben möchte, fällt unter das Transsexuellengesetz. Darin soll geregelt werden, unter welchen Voraussetzungen ein Mann zur Frau werden darf oder eine Frau zum Mann. Anfang der 1980er Jahre in Kraft getreten, sei vom Gesetz heute nur noch ein "löchriger Schweizer Käse" übrig, wie Patricia Metzer es formuliert. Mehrfach klagten Betroffene erfolgreich beim Bundesverfassungsgericht: Etwa gegen die Vorschrift, dass für eine Personenstands- und Namensänderung, wie der Geschlechtswechsel im Juristendeutsch heißt, eine Geschlechtsumwandlung nötig ist. Diese Regelung schaffte das Bundesverfassungsgericht 2011 aus der Welt. Andreas darf nun zu Andrea werden - oder Petra zu Peter - ohne Operation. Auch müssen Ehepaare sich nicht mehr scheiden lassen, wenn einer der Partner das Geschlecht ändert.

Bundesverfassungsgericht: Kippte so manche Regel im TranssexuellengesetzBild: picture-alliance/dpa

Doch die Kritik am Gesetz bleibt. Viele Psychiater und auch Selbsthilfeorganisationen sind der Meinung, dass ein Transsexuellengesetz nicht mehr zeitgemäß ist - und schlicht unwürdig. "Es wäre einfacher, wenn Betroffene zu Fachleuten sagen könnten: Ich bin Mann oder Frau - und dann einfach ihre Papiere umschreiben könnten", findet Patricia Metzer, die sich schon lange für mehr Akzeptanz von transidenten Menschen einsetzt.

Mann oder Frau: Psychologische Bestätigung nötig?

Das geht derzeit noch nicht. Wer seine Geschlechtsidentität offiziell ändern möchte, muss in Therapie gehen und zwei psychologische Gutachten vorlegen. Viele empfinden dieses Prozedere als diskriminierend, weil man sich für sein Mann- oder Frausein rechtfertigen muss. Auch Liisa Seefried hat die langen Therapiesitzungen "eigentlich nicht gebraucht", weil sie sich alleine stark genug gefühlt hat. Als Leiterin einer Selbsthilfegruppe weiß sie aber auch: Viele transidente Menschen leiden unter großen Belastungen auf ihrem Weg zur neuen Identität. Partner fühlen sich vor den Kopf gestoßen. Kinder verstehen nicht, warum der eigene Papa plötzlich zur Frau wird. Eltern oder Kollegen reagieren ablehnend.

Daher hält der Bonner Psychologe Bernhard Breuer es für durchaus sinnvoll, dass das Transsexuellengesetz eine psychologische Begleitung vorschreibt. "Die Menschen kommen nicht nur wegen der Papiere hierher", so Breuer, der auch Gutachten für transsexuelle Menschen ausstellt. Vielmehr kommen die Klienten auch zu ihm, weil sie an auftretenden Problemen arbeiten wollen: Wie sage ich es meinem Ehepartner, wie oute ich mich am Arbeitsplatz, wie halte ich eventuelle Anfeindungen gegenüber meinem Geschlechterwechsel aus?

Psychologe Breuer: Therapie beim Geschlechterwechsel ist wichtigBild: privat

Angst vor dem Outing

Einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge nimmt die Toleranz der Deutschen gegenüber Homosexuellen zu. Wie tolerant das persönliche Umfeld auf Transgender reagiert, lässt sich daran jedoch nicht ablesen. Toleranz sei immer eine individuelle Einstellung, so die Erfahrung von Patricia Metzer. Sie kennt Lebensgeschichten, bei denen Arbeitgeber und Kollegen sehr positiv auf das Outing reagiert haben. Aber es gibt auch Fälle von schwerem Mobbing. "Ein Mitarbeiter einer großen Sparkasse in Deutschland wurde in den Keller strafversetzt, bloß weg von den Kunden", erzählt die Transgender-Aktivistin Metzer. Natürlich könnte der diskriminierte Mitarbeiter nun vor Gericht ziehen - aber dadurch werde die Einstellung des Arbeitgebers auch nicht toleranter, so Metzer. Neben Homophobie existiert auch Transphobie.

Durch die Angst vor sozialer Ächtung am Arbeitsplatz aber auch in der eigenen Familie oder im Freundeskreis stehen viele transsexuelle Menschen unter großem Druck."Diese Angst zwingt einen dazu, dass man immer schauspielert", erzählt Liisa Seefried. Den Mann nach außen zu geben, den man geben soll, aber innerlich etwas ganz anderes empfinden - irgendwann wollte Liisa Seefried diese schizophrene Situation nicht mehr zulassen. Sie hat sich entschieden, ihr Äußeres dem Inneren anzupassen. Aus dem Webentwickler wurde eine Webentwicklerin. "Ich habe keinen einzigen Kunden verloren", sagt sie heute lachend. Für die meisten wird Liisa Seefried nun einfach eine Frau sein.

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