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PolitikEuropa

Transitstreit zwischen Russland und Litauen

22. Juni 2022

Um die EU-Sanktionen durchzusetzen, hat Litauen den Güterverkehr in die russische Exklave Kaliningrad eingeschränkt. Moskau droht jetzt der Führung in Vilnius mit "ernsthaften Konsequenzen". Aus Riga Juri Rescheto.

Russland | Güterzüge in Kaliningrad
Güterzüge in KaliningradBild: Vitaly Nevar/REUTERS

Wer aus Moskau nach Kaliningrad mit dem Zug reist, muss seinen Pass an gleich drei Staatsgrenzen zeigen: der russischen, der belarussischen und der litauischen. Zwischen dem russischen Kernland und der Exklave Kaliningrad liegen Belarus und Litauen. Doch während Belarus weiterhin alle russischen Züge durchlässt, verbietet Litauen neuerdings die Durchreise der russischen Züge mit Gütern an Bord, deren Import nach Russland verboten ist.

Für den litauischen Außenminister Gabrielius Landsbergis ist das eine logische und vor allem legale Umsetzung der EU-Sanktionen gegen Russland. Für russische Politiker ist der Schritt Litauens dagegen eine feindliche Blockade der Bevölkerung der Region Kaliningrad, mit der das EU-Land internationale Regeln im Güterverkehr und sogar Menschenrechte verletze.

Gemeint sind Güterzüge, die unter anderem mit Kohle, Metallen, Zement, Holz und weiteren Baustoffen beladen sind - alles von der EU im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine für den Import nach Russland sanktionierte Waren. Der Gouverneur des Kaliningrader Gebiets Anton Alikhanov klagt, dass es sich um bis zu fünfzig Prozent aller Transportgüter nach Kaliningrad handelt.

Drohungen aus Moskau

Der in die russische Exklave eilig aus Moskau gereiste Chef des Sicherheitsrates, Nikolai Patruschew, polterte, Russland werde auf "solche feindseligen Aktionen reagieren. Entsprechende Maßnahmen werden abteilungsübergreifend ausgearbeitet und zeitnah umgesetzt." Diese Maßnahmen würden "schwerwiegende negative Auswirkungen auf die Bevölkerung Litauens haben", wird Patruschew von einer russischen Nachrichtenagentur zitiert.

Auch Russlands Außenministeriumssprecherin Maria Sacharowa drohte, Russland werde sich das Recht vorbehalten, "seine nationalen Interessen zu verteidigen", sollte der Güterverkehr nicht binnen weniger Tage wieder vollständig aufgenommen werden. Weder Patruschew noch Sacharowa wurden dabei konkreter.

"Logische Konsequenz": Litauens Außenminister LandsbergisBild: Mandel Ngan/AP Photo/picture alliance

In Litauen stößt Russlands Kritik des teilweisen Transitverbots auf Unverständnis. Gintautas Bartkus von der Universität Vilnius weist im Gespräch mit der Deutschen Welle auf die Pflicht jedes EU-Lands hin, alles zu tun, um beschlossene EU-Sanktionen umzusetzen. Von einer Blockade der Region Kaliningrad könne keine Rede sein, denn es würden nicht alle Güterzüge an der Einreise gehindert. Außerdem würden Passagierzüge weiterhin ohne Probleme durchreisen können. Dabei räumt Bartkus ein, dass "Sanktionen eben dafür eingesetzt werden, damit das Land, gegen das sie eingesetzt werden, möglichst viele negative Folgen spürt”.

Sensibler Transit

Politikwissenschaftler Linas Kojala vom Zentrum für osteuropäische Forschungen in der litauischen Hauptstadt beschuldigt Moskau, das teilweise Transitverbot für seine Zwecke auszunutzen: "Die russische Seite wusste ganz genau, dass Sanktionen den Transit einschränken werden und nutzt jetzt diesen Faktor als Waffe im Informationskampf.” Gegenüber der DW gesteht Kojala, dass die Transitfrage für beide Seiten sehr sensibel und viel diskutiert worden sei beim EU-Beitritt von Litauen. Darum hätte man auch scharfe Kritik aus Russland jetzt erwarten können: "Moskau versucht, die Situation für sich zu nutzen, um zu zeigen, dass die EU gegenüber Russland feindselig gestimmt ist.” Die EU dagegen müsse klar machen, dass es sich dabei nicht um den Alleingang Litauens handele.

Alternative Versorgung via See? Blick auf den Hafen von KaliningradBild: seagullNady/Zoonar/picture alliance

Das Kaliningrader Gebiet ist strategisch sehr wichtig. Es ist Moskaus westlicher Vorposten, dort sind russische Streitkräfte mit mobilen ballistischen Raketensystemen vom Typ Iskander stationiert. Erst Anfang Mai hatte Moskau auf seinen Militärbasen bei Kaliningrad nach eigenen Angaben Angriffe mit nuklearwaffenfähigen Raketen simuliert. Rund hundert russische Soldaten sollen dabei den "elektronischen Start" im Rahmen einer Übung geübt haben, erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau.

Erst von ein paar Wochen hat das russische Parlament die 1991 beschlossene Unabhängigkeit Litauens in Frage gestellt. Ein entsprechender Gesetzentwurf "über die Aufhebung des Beschlusses des Staatsrates der UdSSR über die Anerkennung der Unabhängigkeit der Republik Litauen" wurde in die Staatsduma eingebracht.

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