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PolitikEuropa

Transparency kritisiert Westbalkan-Korruption

26. Januar 2022

Die Staaten des Westbalkans werden nie EU-Mitglieder werden, solange sie beim Kampf gegen die Korruption unter dem Weltdurchschnitt liegen, sagt Lidija Prokic von Transparency International im DW-Interview.

Transparency International 2021 Corruption Perceptions Index
Je röter, desto korrupter: Blick auf den Korruptionswahrnehmungsindex 2021 von Transparency International

DW: Frau Prokic, Albanien ist das einzige Land auf dem Westbalkan, das sich auf dem Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) 2021 verschlechtert hat. Was ist der Grund?

Lidija Prokic: Rückgänge oder Anstiege um einen Punkt im Vergleich zum Vorjahr sind kein Grund zu Sorge oder Stolz. Allerdings ist bei Albanien auffällig, dass das Land sich innerhalb von zehn Jahren nur um zwei Indexpunkte verbessert hat. Und das bedeutet, dass Albanien viele Gelegenheiten, die Korruption zu bekämpfen, verpasst hat.

Zum Beispiel die Gelegenheit, ein Wahlgesetz zu erlassen, das die Transparenz erhöht und gleiche Bedingungen für alle Parteien garantiert. Und auch beim Vetting-Prozess ist zwar gut, dass der Hohe Justizrat gegründet wurde, aber jetzt müssen die neu gewählten Richter und Staatsanwälte mit der Verfolgung von Korruptionsfällen beginnen.

Kosovo und Nordmazedonien sind die beiden einzigen Länder des Westbalkans, die Fortschritte erzielt haben. Was ist ihr Erfolgsrezept?

Bei Kosovo, der sich um drei Punkte verbessert hat, war positiv, dass dort innerhalb kurzer Zeit zwei Wahlen abgehalten wurden, nach denen die Machtübergabe beide Male friedlich verlief. Außerdem war Kosovo eines der wenigen Länder der Welt, in denen das Parlament während der Pandemie voll funktionsfähig geblieben ist. Das hat das Vertrauen der Menschen in die Entscheidungsträger gestärkt.

Nordmazedonien, das 39 Punkte erzielte - das sind vier mehr als im Vorjahr -, hat Fortschritte bei der Verfolgung hochrangiger korrupter Beamter und bei der Stärkung der Aufsichtskapazität der Antikorruptionsbehörde verzeichnet. Aber vergessen wir nicht, auch mit vier Punkten Verbesserung liegt Nordmazedonien nur bei 39 Punkten - und damit immer noch, wie der gesamte Westbalkan, unter dem Weltdurchschnitt von 43.

Montenegro hingegen liegt mit 46 Punkten über dem Durchschnitt und scheint das Vorbildland in der Region zu sein...

Wir hatten im Zuge des Regierungswechsels 2020 eine politische Krise in Montenegro. Dennoch gelang es Montenegro, einige Änderungen im Informationsgesetz vorzunehmen. Eine weitere Verbesserung besteht darin, dass die montenegrinische Regierung zum ersten Mal Informationen über öffentliche Ausgaben offengelegt hat. Das ermöglicht den Aufsichtsbehörden, viel unabhängiger zu agieren als zuvor.

Bosnien und Herzegowina wird in Ihrem Bericht besonders hervorgehoben. Warum?

Die aktuelle politische Krise in Bosnien und Herzegowina ist sehr besorgniserregend. Zudem findet der Kampf gegen Korruption keinen Platz auf der Agenda der Regierung. Die Regierung muss viel aktiver gegen die Korruption vorgehen und sich mit der Wahlrechtsreform befassen, um wirklich freie Wahlen zu gewährleisten.

Ein weiteres ernstes Problem ist, dass Journalisten in Bosnien Drohungen, körperlichen Angriffen und Medienmanipulationen ausgesetzt sind. Und nichts lässt hoffen, dass sich die Situation bald ändern wird. Es ist sehr enttäuschend zu sehen, dass die bosnische Politik den Kampf gegen die Korruption nicht ernst nimmt, insbesondere wenn man sich vor Augen hält, dass die Regierung immer wieder betont, sie strebe eine EU-Mitgliedschaft an.

Serbien wird in Ihrem Bericht vor allem wegen mangelnder Demokratie kritisiert. Ist das der Grund, warum das Land im Kampf gegen die Korruption nicht vorankommt?

Serbien ist in diesem Jahr auf dem gleichen Niveau wie im Vorjahr und befindet sich mit 39 Punkten auf dem niedrigsten Stand seit zehn Jahren. Mehrere auf dem Gebiet der Demokratie spezialisierte internationale Organisationen wie Freedom House und International IDEA stellen dort immer wieder staatliche Einflussnahme auf die Medien und Einschränkungen der Medienfreiheit fest. Für sie ist Serbien deshalb kein demokratisches Land. Ein weiterer Grund sind die Wahlen, die nicht frei sind, wovor die serbische Zivilgesellschaft immer wieder gewarnt hat.

Die Länder des Westbalkans sind korrupt - und dennoch fließen Millionen Euro aus der Europäischen Union in die Region. Was soll die EU tun, um den Regierungen auf dem Westbalkan bei der Bekämpfung der Korruption zu helfen?

Die EU verfügt trotz Schwächen über viele Instrumentarien zur Kontrolle der Verwendung von Mitteln. Aber letztlich sind sowohl die richtige Verwendung von Geldern als auch die Bekämpfung der Korruption Aufgaben der jeweiligen nationalen Regierungen. Und die EU wird nie bereit sein, die Länder des Westbalkans aufzunehmen, solange sie nicht eine Möglichkeit finden, die Korruption wirksam und effizient zu kontrollieren.

Bild: Privat

Lidija Prokic ist Koordinatorin der Ost- und Südosteuropa-Abteilung von Transparency International. Die in Berlin ansässige NIchtsregierungsorganisation gibt jedes Jahr den Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index, CPI) heraus. Der CPI ist der weltweit bekannteste derartige Index und listet Länder nach dem Grad der in Politik und Verwaltung wahrgenommenen Korruption auf. Dabei gilt: Je niedriger die Indexzahl, umso höher die Korruption.

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