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Transparenz in engen Grenzen

Rainer Sollich20. Mai 2003

Seit Chinas Regierung das wahre Ausmaß der SARS-Krise eingestanden hat, ist auch in den Medien des Landes eine neue Offenheit feststellbar. Mit Pressefreiheit hat dies jedoch nichts zu tun.

Im Zeichen von SARS: der Tiananmen Platz in PekingBild: AP

Krisen werfen Probleme auf, aber sie können auch heilsam sein - wenn man aus ihnen sinnvolle Kosequenzen zieht. Trifft dies auch auf China und die SARS-Krise zu? Bisher spricht wenig dafür, dass die neue Führung in Peking unter Staats- und Parteichef Hu Jintao im Umgang mit ihrer eigenen Bevölkerung umgedacht oder neu hinzugelernt hat - jedenfalls nicht in dem Sinne, wie westliche Beobachter oder chinesische Demokratie-Aktivisten sich dies wünschen würden.

Krisenmanagement

Die Kommunistische Partei betreibt Krisenmanagement - und dazu gehört unter anderem, dem Ausland und der eigenen Bevölkerung gegenüber etwas mehr Transparenz zu demonstrieren. So können chinesische Fernsehzuschauer jetzt bei Pressekonferenzen zum Thema SARS auch den kritischen Fragen westlicher Journalisten lauschen. Durchaus bemerkenswert, denn so etwas gab es früher überhaupt nicht und in den letzten ein, zwei Jahren nur in wohldosierten Ausnahmefällen - etwa bei Großveranstaltungen der Partei oder hochrangigen Staatsbesuchen wie dem von US-Präsident George W. Bush.

Sicherheitskräfte schützen sich vor SARS und die Regierung vor unliebsamen Presse-KommentatorenBild: AP

Echte Transparenz ist einstweilen aber nicht in Sicht. Im Gegenteil: zwar werden die Statistiken über SARS-Erkrankungen und Todesfälle offenbar nicht mehr schöngerechnet, aber darüber hinaus lässt die chinesische Regierung den Medien in SARS-Zeiten keineswegs mehr Freiheit für Recherche und Aufklärung. Kritische Worte seitens der Weltgesundheitsorganisation (WHO) über Chinas Umgang mit der Lungenkrakheit zum Beispiel fallen unter den Tisch oder werden schöngeschrieben.

Wie zu Maos Zeiten

Stattdessen hat die Regierung das noch aus Mao Zedongs Zeiten stammende Muster der staatlichen Erziehungskampagnen wiederbelebt: In Fernsehen und Printmedien wimmelt es dieser Tage nur so von Heldenstorys über aufopferungsvolle Ärzte und Krankenschwestern, die Hand in Hand mit Volk und Partei den so genannten "Krieg" gegen SARS meistern. All dies wird von oben gesteuert - und wirkt angesichts des modernen Alltaglebens, das heutzutage in Chinas Großstädten zu beobachten ist, ebenso bizarr wie anachronistisch.

Zwar wurden Mitte April der Gesundheitsminister und der Pekinger Bürgermeister aus ihren Ämtern geworfen. Doch scheint es sich bei ihnen in erster Linie um 'Bauernopfer' zu handeln: Der eigenen Bevölkerung und dem Ausland sollte demonstriert werden, dass Chinas Regierung angesichts der SARS-Krise nicht untätig bleibt und bereit ist, bei persönlichem Versagen auch personelle Konsequenzen zu ziehen.

Tabus

Interessanter jedoch ist, was weiterhin tabu bleibt. Tabu bleibt zum Beispiel, die Richtlinien der parteieigenen Propaganda-Abteilung zum Thema SARS zu ignorieren. Tabu bleibt ebenfalls, die Versäumnisse von Regierung und Partei zu Beginn der SARS-Krise anzuprangern, als das wahre Ausmaß noch komplett vertuscht wurde - sei es nun von der Zentralregierung oder von lokalen Behörden, die sich möglicherweise scheuten, den Machthabern in Peking unangenehme Nachtichten zu überbringen. Chinesische Journalisten begeben sich bereits in Gefahr, wenn sie entsprechende Versäumnisse auch nur andeuten. Und erst recht tabu bleibt, darauf hinzuweisen, dass Chinas Regierung mit ihrer Vertuschungspolitik dafür verantwortlich ist, dass sich SARS binnen kurzer Zeit in viele andere Länder verbreiten konnte.

Begrenzte Offenheit

Chinas Herrscher haben im Zuge der SARS-Krise eine "neue Offenheit" versprochen - aber diese Offenheit wird zentral gesteuert und findet in engen, penibel abgesteckten Grenzen statt. Abzuwarten bleibt jedoch, ob sich in Chinas Medienlandschaft wenigstens langfristig mehr Transparenz durchsetzen wird. In den letzten Jahrzehnten hat es hier durchaus Fortschritte gegeben - allerdings nur bei Themen, die nicht direkt oder indirekt das Machtmonopol der Kommunistischen Partei betreffen.

Wenn neben dem gestiegenen Informationsbedürfnis der städtischen Eliten, die sich immer öfter über ausländische Internet-Anbieter über die Zustände in ihrem Land informieren, auch ausländische Investoren deutlicher nach verläßlichen Informationen verlangen - dann könnten Chinas Zensoren sich über kurz oder lang gezwungen sehen, weitere Bereiche der Berichterstattung freizugeben. Allerdings bleibt auch dies bis auf weiteres nur in engen Grenzen und im Rahmen von zentral verordneten Partei-Richtlinien vorstellbar.

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