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Literatur

Trauer um polnischen Dichter Zagajewski

22. März 2021

Adam Zagajewski suchte früh den Kontakt zu Bürgerrechtlern. Seine Gedichte und Essays waren mit Geschichte und Humor gespickt. Nun verstarb er im Alter von 75 Jahren.

Adam Zagajewski
Polnischer Dichter Adam ZagajewskiBild: Andrzej Grygiel /PAP /picture alliance

"Der Dichter von 9/11" - so wurde Adam Zagajewski genannt, nachdem das US-Magazin "The New Yorker" eines seiner Gedichte "Try to Praise the Mutilated World" (Versuche, die verstümmelte Welt zu preisen) für die letzte Seite seiner Sonderausgabe zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ausgewählt hatte. "Du hast die Flüchtlinge gesehen, die nirgendwo hingehen, du hast die Henker freudig singen hören. Du solltest die verstümmelte Welt preisen", heißt es in dem Gedicht, das Zagajewski Monate vor dem Fall der Zwillingstürme in New York geschrieben hatte.

1945 wurde er im damals noch polnischen Lemberg/Lwów geboren, das nach dem Krieg an die Ukraine fiel und zu Lwíw wurde. Zagajewskis Familie musste umsiedeln, der Schriftsteller wuchs in Gliwice (ehemals Gleiwitz) auf, studierte Philosophie und Psychologie in Krakau und suchte früh den Kontakt zu Bürgerrechtlern und Dissidenten.

Seine Werke waren in Polen zeitweise verboten

Der Lyriker schloss sich der Dichterformation "Nowa fala" (Neue Welle) an, die mit althergebrachten Konventionen brechen wollte. 1975 gehörte er zu den Unterzeichnern eines offenen Briefs, in dem sich zahlreiche Intellektuelle gegen geplante Verfassungsänderungen der kommunistischen Regierung aussprachen.

Adam Zagajewski (l.) beim Poesiefestival in Berlin 2013Bild: DW/S. Padori-Klenke

Als der Schriftsteller mit einem Publikationsverbot belegt wurde, ging er 1979 im Rahmen des Künstlerprogramms des Deutschen Akademischen Austauschdienstes nach West-Berlin und dann 1982 nach Paris. 1988 erhielt Zagajewski eine Gastprofessur für "Creative Writing" an der Universität Houston/Texas. Nach dem Sieg der demokratischen Bewegung und dem Ende des kommunistischen Regimes kehrte er nach Polen zurück und ließ sich 2002 wieder in Krakau nieder. Als Pendler zwischen seiner Heimat und den USA unterrichtete er ab 2007 Literatur an der Universität von Chicago.

Geschichte, Philosophie, Musik, Malerei 

Angesichts seines autobiographischen Romans "Ich schwebe über Krakau" (2000) konstatierte die Neue Zürcher Zeitung: "Sein Œuvre ist reich an Assoziationen und Anspielungen. Geschichte und Philosophie, Musik und Malerei bilden sozusagen seinen Cantus firmus, über dem der Autor ins Schweben gerät." Von Ambivalenzen lebt auch der Gedichtband "Die Wiesen von Burgund" (2003), eine poetische Erkundung Europas und des eigenen Werdegangs.

Zagajewskis autobiografischer Roman (2000)

Zagajewski erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Heinrich-Mann-Preis, den Eichendorff-Literaturpreis und den Orden "Pour le mérite" für Wissenschaften und Künste. Der Lyriker, der zeitweise als Anwärter auf den Literaturnobelpreis gehandelt wurde, war seit 2015 Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.

Am Sonntagabend verstarb Adam Zagajewski in Krakau, wie die polnische Nachrichtenagentur PAP unter Berufung auf seinen Verlag A5 berichtete.

Sein Tod sei ein "großer Verlust für die polnische Literatur", schrieb Polens Präsident Andrzej Duda bei Twitter.

se/ack (afp, dpa, munzinger)

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