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Trauer und Scham bei Denkmaleinweihung

Marcel Fürstenau24. Oktober 2012

Nach langer Debatte gibt es einen zentralen Gedenkort im Herzen Berlins. Bundeskanzlerin Merkel sieht Deutschland und Europa in der Verantwortung, mehr für Sinti und Roma zu tun. Überlebende beklagen neuen Rassismus.

Das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma in Berlin: eine mit Wasser bedeckte kreisrunde Grantiplatte mit einer kleinen dreieckigen Stele in der Mitte, auf der eine Blume liegt. (Foto: picture alliance/dpa)
Bild: picture alliance/dpa

Am Ende zitiert Bundeskanzlerin Angela Merkel Artikel 1 des deutschen Grundgesetzes: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt." Kurz darauf erheben sich die Gäste zu einer Schweigeminute für die geschätzt 500.000 im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma. Ihnen ist das Denkmal zwischen Reichstagsgebäude und Brandenburger Tor gewidmet, das am Mittwoch in Berlin eingeweiht wurde.

Ein Denkmal mit viel Symbolik

Die kreisrunde Granitplatte mit einem Durchmesser von zwölf Metern ist mit Wasser bedeckt. In der Mitte befindet sich eine unscheinbare dreieckige Stele, die in ihrer Form an den diskriminierenden grauen Winkel erinnert, mit dem die Nazis Sinti und Roma in Konzentrationslager kennzeichneten. Der Entwurf für das Denkmal stammt von dem Künstler Dani Karavan. Der Israeli bezeichnet sein Werk als das "wahrscheinlich wichtigste" seines Lebens. Die auf Hebräisch gehaltene Rede Karavans gehört zu den bewegendsten Momenten der knapp eineinhalbstündigen Zeremonie.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma, Romani Rose (l.), neben Vertretern des öffentlichen Lebens, darunter Kanzlerin Angela Merkel (r.)Bild: picture-alliance/dpa

Es ist eine Gesellschaft, die es in dieser Zusammensetzung noch nie gegeben hat und wohl auch nicht mehr geben wird. Die altersbedingt immer weniger werdenden Überlebenden des Völkermords an den europäischen Sinti und Roma, deren Angehörige und zahlreiche hochrangige Vertreter des öffentlichen Lebens sitzen in langen Stuhlreihen in einem offenen Zelt. Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrates der Sinti und Roma in Deutschland, warnt angesichts zum Teil gewalttätiger und sogar tödlicher Verfolgung in mehreren europäischen Ländern vor neuem Rassismus. Zoni Weisz, Überlebender des Vernichtungslagers Auschwitz, schildert mit gebrochener Stimme, wie seine Familie in den Tod geschickt wurde. Der 75-Jährige bezweifelt, dass aus der Vergangenheit die richtigen Lehren gezogen wurden. "Nichts, fast nichts hat die Gesellschaft daraus gelernt, sonst würde sie anders mit uns umgehen."

Die schöne Blume ist auch giftig

Betroffen hören sich die Gäste Weisz' Vorwurf an. Später werden sie alle die wenigen Meter hinüber zum Denkmal gehen. Ihre Silhouetten spiegeln sich an diesem frischen Herbsttag im Wasser der schwarzen Schale, in deren Mitte wie von Geisterhand eine blaue Blume auftaucht. Es ist eine Eisenhut-Pflanze, die zwar schön aussieht, aber auch sehr giftig ist. Jeden Tag wird künftig eine Blume mit Hilfe der kleinen versenkbaren Stele ans Tageslicht gelangen. Dani Karavan verbindet damit den Wunsch und die Hoffnung, sich jedes Mal aufs Neue des Leids der Sinti und Roma zu erinnern, "bis in alle Ewigkeit"."Jedes einzelne Schicksal", hat Bundeskanzlerin Angela Merkel zuvor gesagt, "erfüllt mich mit Trauer und Scham. Und weil Sinti und Roma auch heute unter Ausgrenzung und Diskriminierung litten, müssten sie weiter um ihre Rechte kämpfen. Es sei eine deutsche und europäische Aufgabe, die Minderheit zu schützen, mahnt die Christdemokratin. Ihr abschließender Hinweis auf die grundgesetzlich garantierte Unantastbarkeit der Würde des Menschen veranlasst einen Zwischenrufer zu der Frage, was mit den von Deutschland abgeschobenen Sinti und Roma sei? Vernehmbar antworten kann die Regierungschefin nicht mehr, weil sie das Rednerpult bereits verlassen hat.

Denkmal für Sinti und Roma eingeweiht

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