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Politik

Trauerzeit nach Todessturz im Hambacher Forst

20. September 2018

Die Räumung der Baumhäuser wurde vorerst gestoppt, auch der politische Streit über die Rodungen im Braunkohlerevier ist merklich abgeflaut. Viele Beteiligte wollen nun erst einmal Raum für Trauer und Besinnung haben.

Deutschland Hambacher Forst  Trauer
Waldbesetzer stellen zum Gedenken an den tödlich verletzten Journalisten Kerzen vor einer Polizeikette auf Bild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Nach dem Todessturz eines Journalisten im Hambacher Forst hat der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) die Klimaaktivisten zum Verlassen ihrer Baumhäuser aufgerufen. Angesichts des Unfalls während des später ausgesetzten Räumungseinsatzes äußerte Reul die Hoffnung, "dass diejenigen, die da in den Häusern sind, jetzt auch aus dem Wald rausgehen". Reul sagte im im WDR: "Wenn jetzt was passiert und wir uns nicht darum gekümmert haben, ist das nächste Problem da." Wie lange der nach dem Unfall von der Landesregierung in Düsseldorf verfügte vorläufige Räumungsstopp dauern werde, könne er nicht sagen: "Ich gehe davon aus, dass es weiter geht." Aber er könne "nicht sagen, wann und wie".

NRW-Innenminister Reul forderte alle Aktivisten zum Verlassen des Hambacher Forstes aufBild: picture-alliance/dpa/M. Gerten

Kein anderer für 15-Meter-Sturz verantwortlich

Unterdessen teilte die Staatsanwaltschaft Aachen erste Erkenntnisse über den Ablauf des tödlichen Unfalls mit. Demnach soll der 27-jährige Journalist aus Leverkusen nach Auskunft einer Aktivistin zur Unfallzeit am Mittwochnachmittag eine bereits vorgeschädigte Hängebrücke zwischen zwei Baumhäusern betreten haben, um von dort die Räumung eines weiter entfernten Baumhauses besser filmen zu können. Noch bevor der Mann die Seilsicherung einhängen konnte, gab demnach plötzlich das Trittholz der Hängebrücke unter ihm nach. Der Reporter stürzte rund 15 Meter tief in den Tod. Mehrere Zeugen gaben laut Staatsanwaltschaft an, dass sich der Mann unmittelbar vor dem tödlichen Sturz "allein und ungesichert" auf der Hängebrücke aufgehalten hatte.

Der Staatsanwaltschaft zufolge arbeitete der Leverkusener als freier Journalist für einen Youtube-Kanal und fertigte Filmaufnahmen von den Klimaaktivisten im Hambacher Forst. Bei den Aktivisten hatte er sich demnach als erfahrener Kletterer ausgegeben und einen eigenen Klettergurt mitgeführt. Die Auswertung seiner Kopfkamera ergab, dass sich in seiner Nähe niemand aufhielt, der für den Sturz verantwortlich gewesen sein könnte.

Der Unfall hatte sich am siebten Tag des großangelegten Polizeieinsatzes ereignet, mit dem zuletzt Baumhäuser von Umweltschützern im Hambacher Forst westlich von Köln geräumt wurden. Eine Polizeisprecherin beschrieb die Lage im Hambacher Forst derzeit als ruhig. Die Beamten kontrollierten weiterhin den Zugang zu dem Gelände und zu gefährlichen Punkten. Bislang seien 39 von 51 Baumhäusern geräumt worden.

Düsseldorfer Landtag sagt Debatte ab 

Der Landtag von Nordrhein-Westfalen sagte aus Pietät eine für diesen Donnerstag geplante Debatte zum Thema ab, die Grünen zogen ihren Antrag für ein Rodungsmoratorium zurück. Nun sei "nicht der Tag des politischen Schlagabtausches, sondern zum Innehalten", erklärten sie. Auch Umweltverbände reagierten erschüttert auf den Todesfall, die Umweltorganisation Greenpeace verschob eine angesetzte Pressekonferenz.

Betroffen zeigten sich zudem die Gewerkschaft der Polizei und der Energiekonzern RWE. Ein RWE-Sprecher äußerte die Hoffnung, "dass sich niemand mehr in derartige Gefahrensituationen bringt". Umweltverbände, Aktivisten, die Linksfraktion im Bundestag und die evangelische Kirche in der Region forderten, die Räumung des Waldgebiets nicht nur zu unterbrechen, sondern zu beenden. Mitte Oktober will RWE für den weiteren Braunkohleabbau mit der Rodung von etwa hundert Hektar Wald beginnen. Für den 6. Oktober planen Umweltverbände eine große Demonstration dagegen.

NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser nimmt die Unterschriftenliste zur Rettung des Hambacher Forstes entgegen Bild: picture-alliance/dpa/F. Gambarini

Greenpeace und die Umweltorganisationen BUND und Campact übergaben in Düsseldorf der Landesregierung über 500.000 Unterschriften gegen die Rodung des Hambacher Waldes. Sie fordern, die Bäume an dem Braunkohletagebau zwischen Köln und Aachen nicht zu fällen, solange die Kohlekommission in Berlin über den Kohleausstieg verhandelt. Dem schloss sich der Bund Deutscher Forstleute an. Im Hambacher Forst gehe es um Glaubwürdigkeit und Nachvollziehbarkeit von Politik, den Zusammenhalt der Gesellschaft und ein gemeinsames demokratisches Grundverständnis.

sti/uh (afp, dpa, epd)

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