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Wiedervereinigung in Sicht?

21. Dezember 2010

Wann es soweit sein wird, kann keiner sagen. Dass der Tag kommen wird, scheint aber gewiss. Auf einem "Forum für Frieden" diskutierten Koreaner und Deutsche über mögliche Szenarien eines wiedervereinten Koreas.

Zwei nordkoreanische Grenzsoldaten, einer schaut durch ein Fernglas (Foto: AP Photo/Ahn Young-joon).
Blick auf die andere Seite der Grenze: nordkoreanische SoldatenBild: AP

Zwei Bruderstaaten, die unterschiedlicher nicht sein könnten: im Norden eine aggressive, rückständige Atommacht, im Süden ein wirtschaftlich starker Tigerstaat. Und dennoch gehören die beiden Länder für die Redner auf dem Podium - südkoreanische Wissenschaftler und Botschaftsmitarbeiter sowie Vertreter der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur - zusammen.

"Wir haben als Deutsche die Erfahrung gemacht: Die Geschichte liebt plötzliche, völlig unerwartete Wendungen", sagt beispielsweise Peter Maser von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Er hält die Wiedervereinigung Koreas daher für durchaus möglich. "Ich glaube sogar, dass es schneller gehen wird. Möglicherweise so schnell, dass noch nicht einmal Zeit bleibt, sich noch Gedanken über mögliche Modelle zu machen."

Auch wenn keiner im Saal derzeit eine genaue Prognose wagen will, in einem Punkt sind sich alle einig: Südkorea sollte auf den Fall der Fälle vorbereitet sein. Allein schon deshalb bietet sich ein Vergleich mit der deutsch-deutschen Wiedervereinigung an. Seine deutschen Kollegen hätten ihm rückblickend oft berichtet, dass die wirtschaftliche Ausgangssituation der DDR bei der deutschen Wiedervereinigung völlig überschätzt worden sei, sagt Seon-Hong Sohn, Gesandter der südkoreanischen Botschaft. Diesen Fehler wolle Südkorea vermeiden und so gut wie möglich auf die Kosten eingestellt sein.

"Geiseln des Diktators". Eine wirtschaftliche Wiedervereinigung ist schwierig, eine gesellschaftliche noch viel mehrBild: AP Photo/Xinhua



Auf den inneren Wandel kommt es an

Eine enorme Herausforderung. Denn während Ostdeutschland etwa ein Drittel des westdeutschen Bruttoinhaltsprodukts produzierte, beläuft es sich in Nordkorea derzeit gerade einmal auf ein Siebzehntel des südkoreanischen Bruttoinhaltsproduktes. Hee-Youn Doo, Vorsitzender der Vereinigung "Advanced Unification Education Centre", gibt sich dennoch zuversichtlich: "Die wirtschaftlichen Probleme können wir lösen, wenn wir nur wollen. Wirklich wichtig wäre jedoch ein Wandel innerhalb von Nordkorea selbst." Und der wäre nicht einfach, da die meisten Nordkoreaner "Geiseln des Diktators" mit einer entsprechend festgefahrenen Meinung seien, die man nur schwer ändern könne.

Genauso sieht es auch Yeon-Cheol Kim, Dekan an der Hannam Universität. Er benutzt ein Bild, um die Situtation zu beschreiben. Die Bevölkerung in Ostdeutschland sei wie Softeis gewesen, die Nordkoreaner seien aber wie ein Eisblock. Softeis würde schmelzen, einen Eisblock aber müsse man zerschlagen.

Werner Pfennig, Dozent am Politikwissenschaftlichen Institut der Freien Universität Berlin, gibt allerdings zu bedenken, dass in diesem Punkt auch die Südkoreaner gefordert seien. "Bisher ist es der südkoreanischen Führung aus meiner Sicht nicht gelungen, sich in die Gehirnwindungen des Nordens hineinzudenken: Warum sind die so, warum ticken die ganz anders, warum fühlen die sich bedroht, und warum betreiben die eine so risikoreiche Politik?" sagt der Ostasien-Experte. "Wenn ich etwas verändern will, muss ich auch die intellektuelle Fähigkeit aufbringen, mich in die Motivation und Handlungsweisen der anderen Seite hineinzuversetzen, und das hat in Südkorea bisher sehr gefehlt."


Nur nichts überstürzen

Diese zwingend notwendige Kommunikation scheint jedoch seit dem jüngsten nordkoreanischen Angriff auf eine südkoreanische Insel, bei der vier Zivilisten getötet wurden, noch schwieriger geworden zu sein. Hee-Youn Doo glaubt dennoch fest an eine gemeinsame Zukunft. "Der Angriff zeigt die Brutalität und die Irrationalität der nordkoreanischen Führung und daher bin ich überzeugt, dass wir die Wiedervereinigung jetzt mehr brauchen als jemals zuvor, damit das Volk von diesem Diktator befreit werden kann."

Im November griff Nordkorea eine südkoreanische Insel anBild: AP

Werner Pfennig findet jedoch, dass eine Wiedervereinigung nicht überstürzt werden sollte. Ein Wandel könne nur von innen heraus kommen, und nicht erzwungen werden. Von außen könne Südkorea dafür aber der Klaustrophobie im Norden den Boden entziehen und eine faire Zusammenarbeit anbieten. "Zwei koreanische Staaten sollten erst einmal bestehen bleiben und sich Schritt für Schritt annähern, mit festen Wechselkursen und einer begrenzten Reise-Freizügigkeit zwischen Norden und Süden."

Mit einer allmählichen Annäherung könne so auf lange Sicht eine Vereinigung der beiden Staaten machbar sein, so der Ostasien-Wissenschaftler. Keine leichte Aufgabe, schließlich zeigt sich Nordkorea derzeit alles andere als gesprächsbereit.

Autorin: Nadine Wojcik
Redaktion: Esther Broders

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