Traumberuf mit schlechtem Image
4. März 2013Was Paulina Greeb nach der Schule tun sollte, war für ihre Eltern schon lange klar: studieren. Doch die 23-jährige Kölnerin hatte andere Pläne. Mathematik, Physik oder Geschichte - all das langweilte sie. Paulina wollte lieber kreativ sein, mit ihren Händen etwas gestalten. "Ich glaube, man kann in einem Beruf nur erfolgreich sein, wenn er einem Spaß macht." Statt nach dem Fachabitur auf die Uni zu wechseln, begann sie eine Lehre beim Kölner Friseurunternehmen "Headlounge".
Eine Entscheidung, die sie nicht bereut hat. Der Salon hat viele Kunden, die sich gerne auf neue, ungewöhnliche Frisuren einlassen, Paulina Greeb wird nach Tarif bezahlt und erhält bei besonderem Einsatz sogar Provisionen. Doch so gut geht es in Deutschland nur wenigen Friseursalons und ihrem Personal. In vielen Städten müssen die Geschäfte ums Überleben kämpfen, entsprechend schlecht werden die Auszubildenden bezahlt. In Westdeutschland bekommen sie je nach Lehrjahr zwischen 330 und 500 Euro, in Ostdeutschland nur zwischen 210 und 330 Euro. Auf eigenen Beinen stehen kann man davon noch nicht.
Konkurrenz durch Billigfriseure
Später verdient ein Friseur mit Vollzeitstelle laut Statistischem Bundesamt rund 16.000 Euro brutto pro Jahr. Ein Niedriglohn, der aber noch deutlich geringer ausfällt, wenn Friseursalons unter Tarif bezahlen und unbezahlte Überstunden verlangen. Die Konkurrenz auf dem Mark ist hart: In den vergangenen zwölf Jahren stieg die Zahl der Salons in den deutschen Städten um ein Viertel, während der Absatz jedes Jahr gesunken ist.
Schließlich gehen nur zwei Drittel aller Deutschen überhaupt zum Friseur. Die Branche reagiert darauf mit Billigangeboten. Mittlerweile ist fast jeder zehnte Friseur ein Discounter, bei dem ein Haarschnitt pauschal nur die Hälfte der üblichen rund 30 Euro kostet und die Friseure wie am Fließband arbeiten. Kein Wunder, dass die Branche, in der in Deutschland über eine viertel Millionen Menschen arbeiten, Nachwuchsprobleme hat. Vor allem der männliche Nachwuchs bleibt aus.
Spezialisierung ist wichtig
Auch Marco Cerovac hat sich gut überlegt, ob und wie er als Friseur arbeiten kann. Der 26-Jährige begann seine Lehre in einem Friseursalon, in dem er sich unfair behandelt und eingeengt fühlte. Bereits im ersten Lehrjahr wechselte er den Arbeitgeber und wurde ein Kollege von Paulina Greeb. "Hier kann man sich richtig entfalten", betont er. "Und es gibt viele Möglichkeiten, sich weiter zu bilden." Ab Oktober arbeitet Marco Cerovac in seinem Lehrbetrieb als Geselle weiter und strebt die Meisterprüfung an. Danach überlegt er, sich als Visagist zu spezialisieren und zum Film oder Fernsehen zu gehen oder ein eigenes Geschäft zu eröffnen.
Auch Winnie Nana Karakari lässt sich von den allgemeinen schlechten Verdienstmöglichkeiten als Friseur nicht schrecken. "Es kommt auf einen selbst an, was man daraus macht", ist der 23-jährige afro-deutsche Auszubildende aus Düsseldorf überzeugt. Er fing mit 15 Jahren an, Haare im Afro-Look zu stylen und hat inzwischen einen prominenten Kundenstamm, zu dem auch der afrikanische Fussballspieler Gerald Asamoah zählt. Das ehemalige Mitglied der deutschen Nationalelf riet Winnie auch zur Friseurlehre, um einmal eine bessere Grundlage für seinen eigenen Betrieb zu haben. Nach seinem Studium zum Grafikdesigner begann Winnie dann mit Erfolg die klassische Ausbildung zum Friseur.
Mit Kreativität punkten
"In diesem Beruf kann man sehr viel Kreativität zeigen", sagt Wolfgang Schmitten, der "Headlounge" vor gut zehn Jahren gründete. Mittlerweile führt er neben dem Geschäft in Köln noch drei weitere Salons in Düsseldorf und beschäftigt 15 Lehrlinge. Nicht nur bei den Frisuren, auch bei der Einrichtung seiner Salons setzt Schmitten auf Kreativität und Exklusivität: In Köln etwa sitzen die Kunden an alten Tischnähmaschinen.
Jedes Jahr veranstaltet das Friseurunternehmen einen firmeneigenen Wettbewerb, in dem die Auszubildenden unter einem bestimmten Motto Haare stylen müssen. In diesem Jahr ging es um Märchenfiguren, die die Lehrlinge in einer dreiminütigen Performance auf einer Bühne präsentierten. Zum sogenannten "Kidswettbewerb" lädt Schmitten nicht nur Kunden, sondern auch Schüler aus den Abschlussklassen der Region ein, die er für die Friseurausbildung begeistern will.
Friseur - kein Beruf für schlichte Gemüter
"Mit der Veranstaltung möchte ich zeigen, wie attraktiv der Beruf des Friseurs ist", sagt Schmitten. Vor allem aber will der Unternehmer wie seine Kollegen von der Handwerksinnung mit dem schlechten Image des Berufs aufräumen, der in Deutschland eher als simple Tätigkeit für leistungsschwache Schülerinnen und Schüler gilt. "Als Friseur braucht man eine bestimmte Vorstellungskraft und auch gewisse psychologische Fähigkeiten, um die Kunden richtig einzuschätzen und optimal zu beraten", betont die Obermeisterin der Friseur-Innung Düsseldorf, Monika Schmitter. Zudem müsse man Konversationen führen können.
Das sieht die ehemalige Auszubildende Kathrin Heiny genauso. Deshalb setzt die heutige Mitinhaberin des Kölner Salons vor allem auf ältere Auszubildende in ihrem Betrieb. "Sie bleiben uns eher erhalten, weil sie genau wissen, dass sie sich kreativ verwirklichen wollen."