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Politik

Erleichterung und Siegestaumel in den USA

26. Juli 2018

Wirtschaftsexperten in den USA sind froh über den "Deal" im Handelsstreit mit der EU. Doch wie lange der hält, ist fraglich. Trumps Anhänger meinen, der Präsident habe die Europäer an den Verhandlungstisch gezwungen.

USA Washington Jean-Claude Juncker, Präsident EU-Kommission & Donald Trump
Bild: Reuters/J. Roberts

America First - die Welt sieht anders aus in der Sichtweise der USA. Am Tag nach dem "Deal" zwischen Donald Trump und Jean-Claude Juncker widmeten sich die wichtigsten TV-Nachrichtensender vor allem der angeblichen Affäre Donald Trumps mit einem Playboy-Model und den Ermittlungen zu russischen Manipulationsversuchen bei der letzten Präsidentschaftswahl. Handel und Handespolitik spielte vor allem deshalb eine Rolle in den Medien, weil Präsident Trump am Abend zu Besuch in Iowa erwartet wurde, wo er seinen Anhängern in diesem stark landwirtschaftlich geprägten Staat die vorläufige Einigung mit den Europäern als Sieg seiner Konfrontationspolitik verkaufen wollte. 

Nur in den linksliberalen Großstadtzeitungen wie der New York Times, der Washington Post und der LA Times schaffte es das Treffen von Trump und Juncker auf die Titelseiten, wo von "Waffenstillstand", "gemeinsamen Grundlagen" und "Entspannung" zu lesen war. USA Today, einer nationalen Tageszeitung, die eher den Durchschnittsamerikaner im Blick hat, war das Thema nur eine kleine Geschichte im Innenteil wert. Und viele Boulevard-Blätter ignorierten das Treffen von Trump und Juncker komplett. Womit davon auszugehen ist, dass ein Großteil der Amerikaner von dem in Europa so freudig aufgenommenen "Deal" nicht viel mitbekommen hat.

Eine Veränderung zum Positiven

Das heißt aber nicht, dass das Treffen und die daraus resultierende Vereinbarung nicht wichtig gewesen sei, meint Marie Kasperek, Wirtschaftsexpertin beim "Atlantic Council", einem überparteilichen Think-Tank in Washington mit Fokus auf transatlantische Sicherheitsfragen und Wirtschaftsbeziehungen. "Dieses Treffen hat die Atmosphäre in der Debatte zwischen den USA und der Europäischen Union zum Positiven hin verändert", sagte sie der Deutschen Welle. Wichtig sei allerdings, dass diese Veränderung der Tonlage jetzt auch in einen strukturierten Diskussions- und Verhandlungsprozess münde. Für überschwänglichen Optimismus und Siegesmeldungen sei es noch zu früh, denn die Kernfrage sei, ob Präsident Trump die Geduld für langwierige, komplizierte Verhandlungen aufbringe: "Das Ausbleiben einer Katastrophe ist noch kein Erfolg", so Kasperek.

Unbeliebt bei Aktivisten und Donald Trump: Hat das Handelsabkommen TTIP wieder eine Zukunft?Bild: picture-alliance/dpa/O. Hoslet

Ähnlich sieht man es auch beim konservativ-libertären Cato-Institut, das sich für Freihandel einsetzt und daher Trumps protektionistischen Tendenzen eher kritisch gegenübersteht: Verhandlungen über ein umfassendes Freihandelsabkommen hätte Trump auch schon früher haben können, meint etwa Cato-Experte und Handelsanwalt Scott Lincicome: "Er hätte einfach nur den Stab bei den TTIP-Verhandlungen mit den Europäern aufnehmen müssen." Aber auch bei Cato überwiegt letztlich die Erleichterung, dass das Schlimmste vermieden wurde: "Ein Tag Handelsfrieden ist eine gute Sache nach Monaten rauer Rhetorik und eskalierender Strafzölle", meint Simon Lester vom Zentrum für Handelspolitik-Studien.

Negative Folgen waren schon zu spüren

Vorsichtig positive Reaktionen gibt es auch von Investoren - der Dow-Jones-Index stieg am Donnerstag deutlich - und von Unternehmern: Viele Produzenten von Industriegütern, vor allem aber in der Agrarwirtschaft hatten in den letzten Wochen verstärkt Front gegen den Konfrontationskurs des Präsidenten gemacht, weil die negativen Folgen dieser Politik - sei es durch konkrete Gegenmaßnahmen von US-Handelspartnern, sei es durch die allgemeine Unsicherheit in den Märkten - bereits bei vielen Farmern spürbar wurden.

MAGA: Mützen mit Trumps Slogan werden seltenerBild: Getty Images/AFP/B. Wechter

Auch in der Republikanischen Partei von Präsident Trump hatte sich zunehmend Unmut breit gemacht: Bei einem Treffen von republikanischen Parlamentariern am vergangenen Mittwoch berichtete etwa Senator Mike Rounds, dass er in seinem Staat Süd-Dakota, einer Hochburg der Konservativen, aktuell immer weniger Mützen mit dem Trump-Slogan "Make America Great Again" sehe. Der spürbare Rückgang des Enthusiasmus für Trump machte den Republikanern große Sorgen mit Blick auf die anstehenden Zwischenwahlen im November - vielleicht mit ein Grund dafür, dass Trump nun auf einmal eine Kehrtwende machte, und Jean-Claude Juncker, den er zuvor als "Killer" bezeichnet hatte (und die EU als Widersacher der USA), am Mittwoch zu seinem neuen besten Freund zu erklären schien.

Die echten Trump-Fans im Kongress ficht das nicht an. Sie haben wieder Oberwasser. Der republikanische Abgeordnete Sean Duffy verkündete am Donnerstag im Trump-Haussender Fox News, nur die harte Haltung und die Drohungen des Präsidenten hätten die Europäer "an den Verhandlungstisch gezwungen". Nun könnten Amerikas Produzenten und Farmer wieder gewinnen. Denn, so Duffy, wenn nur faire Ausgangsbedingungen herrschten, "ist niemand besser als wir Amerikaner."

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