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Was die Ukraine über das Treffen in Washington denkt

19. August 2025

Die Ukraine bewertet das Treffen zwischen Selenskyj und Trump positiv. Sicherheitsfragen und internationale Unterstützung bleiben zentrale Themen. Beobachter betonen aber, dass konkrete Ergebnisse noch immer fehlen.

Selenskyj und Trump geben sich sitzend im Weißen Haus die Hand
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus im August 2025Bild: Julia Demaree Nikhinson/AP Photo/picture alliance

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und die ihn begleitenden europäischen Staats- und Regierungschefs sind nach ihrem Besuch bei US-Präsident Donald Trump in ihre Hauptstädte zurückgekehrt. Gesprächsthemen waren Sicherheitsgarantien für die Ukraine, die Freilassung von Gefangenen und der Wiederaufbau des Landes. Darüber hinaus wurden mögliche territoriale Zugeständnisse der Ukraine gegenüber Russland und die Aussicht auf Gespräche zwischen Selenskyj und dem russischen Staatschef Wladimir Putin diskutiert.

Vor dem Treffen mit Selenskyj hatte Trump mehrfach erklärt, territoriale Zugeständnisse der Ukraine seien nötig und ein NATO-Beitritt Kyjws komme nicht in Frage. Viele befürchteten daher, der ukrainische Präsident könnte im Oval Office erneut unter Druck gesetzt werden, wie es im Frühling dieses Jahres der Fall war. Öffentliche Skandale wurden diesmal vermieden. Obwohl die Gespräche kaum konkrete Ergebnisse brachten, verließ die ukrainische Delegation den Raum in positiver Stimmung.

Ein "historisches Treffen" für die Ukraine in Washington? 

Der Leiter des ukrainischen Präsidialamtes, Andrij Jermak, bezeichnete das Treffen in Washington als historisch. "Es ist äußerst wichtig, alles, was heute vereinbart wurde, vollständig umzusetzen", schrieb er auf Telegram. "Denn von gemeinsamen, entschlossenen Schritten hängt nicht nur ein dauerhafter Frieden ab, auf den alle Ukrainer so sehr warten, sondern auch die Sicherheit ganz Europas."

Beim Treffen im Weißen Haus wurde der ukrainische Präsident von Staats- und Regierungschefs europäischer Länder, der Präsidentin der EU-Kommission und dem NATO-Generalsekretär begleitetBild: Aaron Schwartz/UPI Photo/Newscom/picture alliance

Gleichzeitig ist man in der Ukraine der Ansicht, dass die Verhandlungen im Weißen Haus noch nicht abgeschlossen sind, aber eine positive Entwicklung zeigen. "Ja, es gab keinen roten Teppich, aber einen Kreis von Freunden", betont Jaroslaw Jurtschyschyn von der Parlamentsfraktion "Holos" (Stimme) auf Facebook.

Jurtschyschyn bezeichnet Putin als Diktator, der [bei seinem Treffen mit Trump in Alaska - Anm.d.Red.] eine einsame Erscheinung gemacht habe. Die westlichen Demokraten seien hingegen geschlossen aufgetreten.

"Nein, wir wurden nicht gezwungen, Gebiete abzutreten. Trump unterstützte den Vorschlag, dieses Thema auf ein Treffen mit Putin zu verschieben. Man sollte nicht erwarten, dass Putin schnell auf Verhandlungen eingeht, denn er hat das Wichtigste für sich selbst schon erreicht - einen Verhandlungsprozess ohne Waffenstillstand", so Jurtschyschyn.

Trump von schnellem Deal mit Russland abgebracht

Es sei gelungen, eine "Katastrophe" zu verhindern, formuliert es Wolodymyr Horbatsch vom Ukrainian Institute for Northern Eurasia Transformation (INET) im Gespräch mit der DW. "Nicht nur die Ukraine, auch unsere europäischen Partner haben sich sehr gut vorbereitet. Man sah eine klare Koordination beim Vorgehen, sogar bei den gewählten Worten auf europäischer Seite."

Horbatsch glaubt, dass Trump weiterhin auf eine schnelle Lösung des Konflikts nach "Putins Plan" fokussiert ist. Dieses Treffen, so der Experte, habe zwar nichts an Trump Ziel geändert, aber den US-Präsidenten vorübergehend "ausgebremst". "Es ist gelungen, Trump von einem schnellen Deal mit den Russen abzubringen. Man konnte sein Streben, alles 'hier und jetzt' zu regeln, etwas dämpfen", so Horbatsch.

Sicherheitsgarantien für die Ukraine bleiben weiter unklar

Das Treffen brachte allerdings keine Klarheit darüber, wie mögliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine nach einem Kriegsende aussehen sollen. Doch allein die Tatsache, dass Donald Trump sich bereit zeigte, sich an diesen Garantien zu beteiligen, deutet nach Ansicht ukrainischer Fachleute zumindest in gewissem Maße auf einen Erfolg der Gespräche hin.

Anna Schelest von der ukrainischen Denkfabrik "Ukrainisches Prisma" betont, dass sich die Verhandlungen zu dieser Frage noch in einem sehr frühen Stadium befinden. "Allein die Tatsache, dass wir über die Möglichkeit einer Stationierung ausländischer Streitkräfte auf ukrainischem Territorium diskutieren, ist ein großer Fortschritt im Vergleich zu den Istanbuler Gesprächen im Jahr 2022, als Russland sogar ein Verbot gemeinsamer Übungen mit ausländischen Truppen forderte", sagt sie der DW.

Der Politikwissenschaftler Oleksij Haran von der Kyjiwer Mohyla-Akademie weist darauf hin, dass die USA auch Ländern außerhalb der NATO Sicherheitsgarantien gewähren. Er nennt Israel, Japan und Südkorea als Beispiele. "Für uns ist aber alles weiterhin ungewiss. Wir wissen nicht, was genau für die Ukraine vorgesehen ist", so Haran im Gespräch mit der DW. "Die Frage bleibt, ob es ein weiteres 'Budapester Memorandum' geben wird oder ob die Ukraine verlässliche Garantien erhält, einschließlich der entsprechenden Waffenlieferungen." 

1994 hatte Russland nach dem sogenannten Budapester Memorandum alle sowjetischen Atomwaffen aus der Ukraine abgezogen. Im Gegenzug garantierten die USA und Russland der Ukraine ihre Souveränität und territoriale Integrität.

Haran findet aber, das Treffen in Washington für die Ukraine sei dennoch kein Misserfolg gewesen. Er verweist auf die Unterstützung Kyjiws durch europäische Länder. So habe etwa der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz gegenüber Trump öffentlich erklärt, dass vor Verhandlungen über ein Friedensabkommen ein Waffenstillstand nötig sei. Demnach sei es der Ukraine gelungen, mit den Europäern eine geschlossene Front zu bilden.

"Trump wird sich nicht einfach mit Putin einigen und die Ukraine dann zwingen können, ihren Bedingungen zuzustimmen. Nun müssen auch die Interessen der Ukraine und der europäischen Partner berücksichtigt werden."

Zweifel an einem Treffen zwischen Selenskyj und Putin

Eines der wichtigsten Ergebnisse der Gespräche war die Ankündigung eines möglichen Treffens zwischen Selenskyj und Putin. Ukrainische Beobachterinnen und Beobacher bezweifeln jedoch, dass es tatsächlich dazu kommen wird.

Beobachter halten ein Treffen zwischen Wolodymyr Selenskyj und Wladimir Putin für fraglichBild: Mandel Ngan/Andrew Caballero-Reynolds/AFP

Hanna Schelest ist der Ansicht, dass ein solches Treffen für die Ukraine positiv wäre, da Kyjiw so seine Dialogbereitschaft demonstrieren könnte. Jedoch sei anzunehmen, dass die russische Seite diesen Prozess nach dem Prinzip "Gespräche über Gespräche" in die Länge ziehen und ein Treffen auf Ebene der Präsidenten letztlich ablehnen werde. 

Bisher habe Putins Berater Dmitrij Uschakow lediglich erklärt, dass man bereit sei, die Ebene der Verhandlungsteilnehmer zu erhöhen. "Jetzt werden die Russen beginnen, mit Arbeitsgruppen auf Zeit zu spielen oder sehr lange darüber diskutieren, in welchem europäischen Land man sich treffen soll - denn ein solches Treffen ist für sie eigentlich nicht von Vorteil", so Schelest.

Auch der ukrainische Politologe Wadym Denyssenko ist überzeugt, dass ein Treffen zwischen Selenskyj und Putin höchst fraglich ist. "Für Putin würde ein Treffen mit Selenskyj bedeuten, dass damit eine seiner wichtigsten 'Trumpfkarten' hinfällig würde - nämlich die These, wonach Selenskyj keine Legitimität habe", schreibt er auf Facebook.

Adaption aus dem Ukrainischen: Markian Ostaptschuk

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