Treibt Frost in der Türkei den Nutellapreis?
12. August 2025
Wir haben uns an Engpässe in Supermärkten gewöhnt, von Toilettenpapier während der COVID-19-Pandemi, über Sonnenblumenöl im Ukraine-Krieg bis hin zu Eiern während der Vogelgrippe. Jüngstes Opfer ist die Haselnuss, die im April in der Türkei, dem weltweit größten Produzenten, von einem verheerenden Frost betroffen war.
Seit April sind die Haselnusspreise um mehr als 35 Prozent gestiegen, da die Exporteure sich beeilt hatten, das begrenzte Angebot aufzukaufen. Zeitweise überstiegen die türkischen Haselnuss-Futures-Preise 200 Lira (4,91 US-Dollar oder 4,22 Euro) pro Kilogramm, während international ein Preis von 10 Dollar pro Kilo prognostiziert wurde.
Dieser Engpass wird Naschkatzen hart treffen, da die Preise für Nutella, dem beliebten Schokoladen-Haselnuss-Aufstrich, sowie für andere Schokoladenprodukte und Backwaren mit signifikantem Haselnuss-Anteil stark steigen werden.
Nutellas Nuss-Problem
Obwohl Haselnüsse oft nur wenig Beachtung finden, sind sie eine wichtige Zutat in vielen Massenmarktprodukten. Für Marken wie Ferrero, den Hersteller von Nutella, der Berichten zufolge rund ein Viertel der weltweiten Haselnussproduktion verbraucht, steht viel auf dem Spiel.
Nutella besteht zwar hauptsächlich aus Zucker und Palmöl, aber Haselnüsse machen etwa 13 Prozent der Rezeptur aus. Jährlich werden Millionen Gläser des Schokoladenaufstrichs verkauft, was bedeutet, dass selbst kleine Preiserhöhungen die Produktionskosten in die Höhe treiben und die Margen drücken.
Hält der Haselnussmangel an, könnte er Ferrero und andere Hersteller dazu zwingen, die Rezepturen für ihre süßen Leckereien zu ändern. Süßwarenhersteller könnten gezwungen sein, die Packungsgrößen zu verringern oder die Kosten über höhere Preise an die Verbraucher weiterzugeben.
Ferrero hat seine Wurzeln im italienischen Piemont, wo hochwertige Tonda-Gentile-Haselnüsse angebaut werden. Neben Italien bezieht Ferrero aber auch Haselnüsse aus der Türkei, Chile und den USA. Der italienische Lebensmittelriese stellt zahlreiche weitere Produkte her, die Haselnüsse enthalten.
In einer Erklärung gegenüber der DW äußerte das Unternehmen keine Bedenken hinsichtlich Engpässen und erklärte: "Die Ferrero-Gruppe diversifiziert ihre Beschaffung aus verschiedenen Quellen weltweit und erwartet dank ihrer langfristigen Strategie keine Lieferunterbrechungen für ihre Produkte." Das Unternehmen erklärte, seine Beschaffungsstrategie stelle "eine konstante Versorgung das ganze Jahr über" sicher.
Wie groß ist der Mangel wirklich?
Schätzungen des türkischen Statistikinstituts (TurkStat) vom Juni zufolge wird die Ernte 2025 520.000 Tonnen betragen, statt der ursprünglich erwarteten rund 750.000 Tonnen. Der International Nut & Dried Fruit Council (INC) teilte uns mit, dass der Frost in der Türkei die prognostizierte Haselnussernte um fast 22 Prozent reduziert habe und verwies dabei auf eine optimistischere Prognose der Black Sea Exporters' Association (KiB).
Laut INC geht die jüngste Schätzung davon aus, dass das Land durch den Frost etwa 167.000 Tonnen verloren hat. Glücklicherweise hat die Türkei einen Teil ihrer Ernte 2022 zurückgehalten - etwa 150.000 Tonnen, so der INC, die nun aufgebraucht seien. Dies sollte dazu beitragen, das Defizit zu verringern.
Haselnüsse werden jährlich geerntet, typischerweise im Spätsommer. In Jahren mit Überschuss lagert die Türkei Nüsse für einen späteren Verkauf ein, wenn die Landwirte mit höheren Preisen rechnen.
Suche nach anderen Lieferanten
Einkäufer blicken nun nach Chile, Georgien und in die USA, um die Abhängigkeit von der Türkei zu verringern. Insgeheim hoffen sie aber auch auf eine Preisstabilisierung, falls die türkische Ernte 2025 doch besser ausfällt als befürchtet. "Die Haselnussernte in der Türkei beginnt am 10. August und wird voraussichtlich Mitte September abgeschlossen sein", erklärte der Bundesverband der deutschen Süßwarenindustrie BDSI gegenüber der DW in einer schriftlichen Stellungnahme. Die Auswirkungen könne man erst nach der Ernte beurteilen.
Auch die anderen Produzenten stehen vor Herausforderungen. Chile und Georgien produzieren deutlich weniger als die Türkei. US-Haselnüsse, hauptsächlich aus Oregon, sind zwar günstiger, unterscheiden sich aber im Geschmack. Dazu kommt: Eine Ausweitung der Produktion dauert Jahre, da Haselnusssträucher oder -bäume fünf bis sieben Jahre brauchen, um auszureifen - eine kurzfristige Lösung des Haselnussproblems kann so nicht gelingen.
Außerdem könnte die Verzögerungstaktik der Türkei bei der Bekanntgabe eines Grundpreises für Haselnüsse im vergangenen Jahr ein Vakuum hinterlassen haben, das von Spekulanten und Exporteuren gefüllt wurde. Die KiB legt traditionell zu Beginn der Ernte einen Mindestpreis fest, um den Markt zu stabilisieren und die Erwartungen der Landwirte zu lenken.
Das Fehlen eines Basispreises verstärkte jedoch die Angst vor Engpässen, trieb die Preise in die Höhe und löste Panikkäufe aus. Weil die Landwirte die Chance witterten, ihre Gewinne zu steigern, hielten sie ihre Bestände zurück, was das Angebot weiter verknappte und die Preise antrieb.
Der Klimawandel bedroht Mandeln und Nüsse
Der Engpass offenbart auch eine noch größere Gefahr: die Auswirkungen des Klimawandels. Haselnüsse reagieren besonders empfindlich auf Frost im Frühling, und der diesjährige Kälteeinbruch in der Türkei ist eine deutliche Erinnerung daran, dass die Klimakrise nicht nur Hitzewellen oder Kälteperioden, sondern auch eine generelle Unvorhersehbarkeit mit sich bringt.
Auch Kaffee und Kakao waren in letzter Zeit von klimabedingten Störungen betroffen. Der Haselnussmangel zwingt Süßwarenhersteller nun, nicht nur die Beschaffung der Nüsse neu zu organisieren - auch die Rezepturen für ihre süßen Leckereien müssen überdacht werden. Experten warnen, dass unbeständiges Wetter häufiger auftreten wird und die Ernten von Nüssen und Mandeln bedrohen könnte.