Traueranzeige, Trauerfeier, Grabpflege: Hinterbliebene haben im Trauerfall viel zu bedenken und zu entscheiden. Individualität wird dabei immer wichtiger.
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Ruhe in Frieden - Bestattungskultur in Deutschland
Die deutsche Gesellschaft wandelt sich - und mit ihr auch die Bestattungskultur. Tod, Trauer, Traditionen: vom Friedhofszwang bis zum Leichenschmaus.
Bild: Winfried Rothermel/picture alliance
Das Leben is endlich
Im Jahr 2021 starben in Deutschland laut Statista 1.023.723 Menschen, im Vergleich zu 985.572 im Jahr zuvor. Es gibt etwa 32 Millionen Gräber auf circa 32.000 Friedhöfen. Doch die Bestattungskultur hat sich hierzulande stark verändert: Die "Gottesäcker" werden zunehmend eingeebnet und erinnern - mit weiten Rasenflächen zwischen immer weniger Erdgräbern - häufig an Parks.
Bild: Leo F. Postl/picture alliance
Innehalten
Auf dem größten Parkfriedhof der Welt, dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg, gibt es einen Rückzugsort für Trauernde, öffentlich zugänglich: die "Trauerhaltestelle". Hier können Trauernde mit bunter Kreide an die Wände der großen, offenen Halle schreiben, was sie bewegt.
Bild: Katharina Roggmann/Stiftung Deutsche Bestattungskultur
Trend zur Feuerbestattung
Bundesweit geht der Trend immer mehr zur Feuerbestattung und Beisetzung im viel kleineren, günstigeren Urnengrab. Urnenwände, Rasengräber: Die Laufzeit ist oft kürzer, der Pflegeaufwand gering. Bei Bestattungen unter Bäumen im "Friedwald" oder bei anonymer Bestattung fällt er sogar ganz weg. Bei der Feuerbestattung muss zusätzlich zur Urne ein spezieller Feuersarg gekauft werden.
Bild: Kai Nietfeld/picture-alliance/dpa
Das passende Gefäß
Die Asche eines Verstorbenen wird in eine Kapsel gefüllt, die dann - oft aus dekorativen Gründen - in eine Schmuckurne aus Metall, Holz, Keramik, Granulat oder einem biologisch abbaubaren Material hineingesetzt wird. Als erstes Bundesland hat Bremen den Friedhofszwang inzwischen abgeschafft: Seit 2015 darf dort die Asche von Verstorbenen auch auf privaten Grundstücken verteilt werden.
Bild: Klaus-Dietmar Gabbert/picture-alliance/dpa
Zurück zu den Wurzeln
Eine Alternative zum Urnengrab ist die Baumbestattung auf dem Friedhof oder in einem Bestattungswald, der ausdrücklich als Friedhofsgelände deklariert ist. Die Bestattung erfolgt - in etwa achtzig Zentimetern Tiefe - im Wurzelbereich der Bäume. Es gibt keine Kerzen, Blumen oder Fotos - denn individuelle Pflege ist nicht erwünscht. Diese Art der Bestattung gibt es in Deutschland seit 2001.
Bild: Arno Burgi/picture-alliance/dpa
Aufbahrung
Die Aufbahrung Verstorbener im offenen Sarg - im amerikanischen Sprachgebrauch "public viewing" genannt - ist in Deutschland weniger gang und gäbe als in anderen Ländern. Auch von einem Thanatopraktiker vorgenommene Einbalsamierungen sind hierzulande zwar möglich, aber kaum üblich.
Bild: Roland Mühlanger/Imago
"Do-It-Yourself"-Sarg
Wie man sich bettet, so ruht man: Ein Sarg kostet ab 1.000 Euro aufwärts. Mit vier Quadratmetern Holz, Zeit und Geschick kann man für wenige hundert Euro seine letzte Ruhestätte auch selbst bauen. Entsprechende Workshops werden immer wieder angeboten (Bild, Kursleitung in einem Berliner Hospiz). Oft nutzen Hobby-Handwerker den Sarg zunächst als Regal - weit mehr als eine interessante Erfahrung.
Bild: Christian Lohse
Begräbnis- und Trauerkultur im Museum
Wie haben sich die Menschen früher mit Tod und Sterben auseinandergesetzt? Mit dem Thema Bestattung, Friedhof, Trauer und Gedenken beschäftigt sich das "Museum für Sepulkralkultur" in Kassel. Einzigartig in Deutschland, widmet sich das Museum seit 1992 dem "Tod in allen seinen Facetten". Im Hof steht eine Prunkleichenwagenkutsche von 1880 neben einem Leichenwagen von 1978.
Bild: Museum für Sepulkralkultur Kassel
Löten und Gestalten
Seit 2005 hat die Bestatterbranche im fränkischen Münnerstadt ihr eigenes Bundesausbildungszentrum. Die Ausbildung zur Bestattungsfachkraft gibt es in Deutschland erst seit 2003. In Münnerstadt wird während der dreijährigen Ausbildungszeit der Umgang mit Verstorbenen und dem Tod geübt. Sogar aus China und Russland kommen Bestatter zu internationalen Seminaren in das deutsche Zentrum.
Bild: C. Löwinger
Solides Handwerk
In Münnerstadt befindet sich auch Deutschlands erster Übungsfriedhof, angelegt 1994 vom Bayerischen Bestatterverband. Hier üben angehende Bestatter, wie man fachgerecht Gräber aushebt und Urnen herablässt. Für Bestattungsfachkräfte ist der Tod ständiger Begleiter. Laut Verband verlangt der Beruf "ein hohes Maß an Verantwortung für Menschen - Verstorbene und Hinterbliebene".
Bild: Rosina Eckert
Kondolenz und Todesanzeigen
Bestatter decken sich gern mit passenden Sondermarken der Deutschen Post für Trauerkarten und Danksagungen ein. In Todesanzeigen in der Zeitung - manchmal sehr persönlich und kreativ, oft mit Foto - oder per persönlicher Karte werden Zeit und Datum der Beisetzung oder Trauerfeier bekannt gegeben. Außerdem, ob Blumen oder ein Kranz erwünscht sind oder lieber eine gemeinnützige Spende.
Bild: Dagmar Breitenbach/DW
Der Leichenschmaus
Nach einer Beerdigung oder Trauerfeier gehen Familie, Freunde, Nachbarn und Kollegen, meist auf persönliche Einladung der Hinterbliebenen, zum Traueressen - dem sogenannten Leichenschmaus - in ein Restaurant oder Café. Traditionell gibt es Kaffee, Tee, eine Tasse Suppe, Schnittchen und Streuselkuchen.
Bild: Daniel Karmann/picture alliance/dpa
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Es gibt zwei Trends in der deutschen Bestattungskultur: auf der einen Seite den Wunsch nach individuellen Trauerfeiern, die dem Leben der Verstorbenen gerecht werden. Auf der anderen Seite familiäre und ökonomische Erwägungen, die immer häufiger ausschlaggebend für Entscheidungen bezüglich Beisetzung, Art der Grabstätte und der Grabpflege sind, so Simon J. Walter, Kulturbeauftragter der Stiftung Deutsche Bestattungskultur im Gespräch mit der Deutschen Welle. Das Verhältnis der Feuerbestattung zur Erdbestattung betrage deutschlandweit mittlerweile drei zu eins.
Immer weniger Bundesbürger möchten in einer klassischen Grabstätte beigesetzt werden, ergab auch eine Umfrage 2019 im Auftrag von Aeternitas, der Verbraucherinitiative Bestattungskultur. Zunehmend beliebter werden Angebote, die keine Grabpflege erfordern. "Genau da liegt die Chance der Friedhöfe", so der Aeternitas-Vorsitzende Christoph Keldenich.
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"Stärker in den Fokus der Öffentlichkeit"
Bislang ist es aber offenbar nicht so leicht, diese Chance auch zu nutzen. Es gebe zwar einige Modellfriedhöfe, zum Beispiel Europas größten Friedhof in Hamburg-Ohlsdorf, die jetzt schon auf die Bestattungswünsche und Bedürfnisse der Hinterbliebenen eingehen und alle modernen Bestattungsvarianten anbieten, so Walter. Zum großen Teil aber seien Friedhöfe mit ihren vielen Vorschriften unflexibel, bedauert der Kulturbeauftragte. "Friedhöfe erfüllen wichtige Funktionen in unseren Gemeinwesen und diese gehören viel stärker in den Fokus der Öffentlichkeit", meint Walter, der sich einen breiten gesellschaftlichen Dialog rund um die aktuellen Probleme, vor allem aber auch die Potentiale, des Friedhofs wünscht.
Der Trend zur Feuerbestattung und neue Möglichkeiten der Beisetzung, die nicht mehr an den klassischen Friedhof gebunden sind, zum Beispiel Seebestattung oder Baumbestattung in einem Bestattungswald. Das bedeutet auch: Es gibt sehr viele Freiflächen, denn eine Urne braucht deutlich weniger Platz als ein Sarg.
Bestattungsgärten immer beliebter
Vielleicht kommt dem ja ein dritter Trend entgegen: pflegefreie Gemeinschaftsgrabanlagen, deren Einrichtung nicht zuletzt den "Lebenswirklichkeiten in unserer mobilen Gesellschaft" geschuldet sei, so Walter.
Diese weitläufigeren, bepflanzten und gestalteten Flächen sind fast schon kleine blühende Parkanlagen, mit Platz für Sargbestattungen und Urnen. Sie werden als Alternative zu herkömmlichen Einzelgräbern immer beliebter. Die Grenzen der einzelnen Gräber sieht man nicht, aber Hinterbliebene haben einen Ort der Trauer - ohne sich um ein Grab kümmern zu müssen.
Die meisten Menschen halten an Traditionen fest, dazu gehören die Trauerfeier und das Traueressen, meist Leichenschmaus genannt. Nur die Rahmenbedingungen haben sich geändert, erklärt Walter: Trauernde wollten einen "maßgeschneiderten Abschied mit traditionellen Elementen."
Das habe sich insbesondere in den ersten anderthalb Jahren der Corona-Pandemie gezeigt, wenn Abschiede aufgrund behördlicher Auflagen nicht frei gestaltet und beispielsweise nur in kleinstem Kreis stattfinden konnten. Was diese einschneidenden Erfahrungen für den Trauerprozess von Familie und Freunden bedeuteten, so Walter, werde erst die Zukunft zeigen.
Immerhin: die Pandemie hat digitale Entwicklungen in Bestattungs- und Trauerkultur beschleunigt. Es gibt digitale Trauerorte, QR-Codes auf Grabsteinen - manche Bestatterinnen und Bestatter bieten an, per WhatsApp Traueranzeigen zu verschicken, andere streamen die Trauerfeier oder zeichnen sie auf, damit Angehörige auch im Nachhinein noch Abschied nehmen können.
Mehr Inhalte über Deutsche und ihre Eigenarten, deutsche Alltagskultur und Sprache finden Sie auf www.dw.com/meetthegermans_de und auf YouTube.
Dieser Artikel ist eine Aktualisierung des im Oktober 2020 veröffentlichten Artikels.