Für Kiew ist es eine Sensation: US-Präsident Donald Trump empfängt womöglich den ukrainischen Kollegen Petro Poroschenko noch vor seinem ersten Treffen mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Die Erwartungen sind hoch.
Anzeige
An den Details wurde offenbar bis zur letzten Minute gefeilt. Anders ist nicht zu erklären, warum das Amt des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko seinen Besuch in den USA erst am Montagmorgen kurz bestätigte und keine Details nannte. Zu diesem Zeitpunkt war Poroschenko offenbar bereits im Flugzeug Richtung Washington. Dass Poroschenko überraschend in die USA fliegt und seinen US-amerikanischen Kollegen Donald Trump trifft, berichteten am vergangenen Mittwoch ukrainische Medien. Einigen Angaben zufolge soll der Besuch für Montag und Dienstag dieser Woche geplant sein. Ein Treffen mit Trump ist jedoch offiziell bis heute nicht bestätigt.
Seit dem Sieg Trumps bei der Präsidentenwahl in den USA bemühte sich Kiew intensiv um ein Spitzentreffen mit dem neuen Mann im Weißen Haus. Vor allem der Zeitpunkt war wichtig. Poroschenko wollte mit Trump möglichst vor dessen Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin sprechen, um seine Sicht auf den Konflikt mit Russland darzustellen und Washington als Verbündeten zu gewinnen. Der US-amerikanische und der russische Staatschef wollen sich am Rande des G-20-Gipfels in Hamburg Anfang Juli erstmals begegnen.
Kiew fürchtete Moskau-Washington-Deal
Die Eile der Ukraine hat mit Äußerungen Trumps während des Wahlkampfs zu tun. Die Kiewer Spitzenpolitiker gaben es zwar öffentlich nicht zu, doch es war offensichtlich: Kiew fürchtete einen Deal zwischen Moskau und Washington auf Kosten der Ukraine. Trump gab mehrmals Anlass dazu, in dem er Putin lobte und eine Lockerung der nach der Krim-Annexion eingeführten US-Sanktionen gegen Russland andeutete. Auch über eine Anerkennung der Krim als Teil Russlands war er bereit zu sprechen, oder so interpretierten zumindest viele Medien seine Antwort auf eine Reporterfrage.
Der Wahlkampfmanager Trumps und ehemaliger Berater des nach Russland geflüchteten ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch, Paul Manafort, musste nach Enthüllungen aus Kiew über angebliche schwarze Zahlungen wenige Monate vor der Wahl zurücktreten. Ob diese Episode das Verhältnis Trumps zur jetzigen ukrainischen Führung belastet hat, ist nicht bekannt.
Trump twittert Friedensappell
Seitdem in den USA Russland-Kontakte des Trump-Teams Gegenstand zahlreicher Ermittlungen sind, hört man Russland-freundliche Töne aus Washington jedenfalls viel seltener. Wenige Tage vor Poroschenkos Besuch in Washington beschloss der US-Senat, neue Sanktionen gegen Russland einzuführen. Vor diesem Hintergrund dürfte Poroschenko bei seinem ersten Treffen mit Trump entspannter sein.
Der ukrainische und der US-amerikanische Staatschef, beide ehemalige Geschäftsleute und Milliardäre, haben sich noch nie persönlich getroffen. Seit dem Sieg Trumps gab es nur zwei direkte Kontakte der ukrainischen Seite mit der neuen US-Administration. Mitte Februar traf sich Poroschenko am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz mit dem US-Vizepräsidenten Mike Pence. Aus Kiew hieß es danach, Washington habe zugesichert, die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zu unterstützen, um den Konflikt in der Ostukraine beizulegen. Mitte Mai empfing Trump in Washington dann den ukrainischen Außenminister Pawlo Klimkin - und zwar am gleichen Tag wir den russischen Außenminister Sergej Lawrow. Der US-Präsident twitterte Fotos der separaten Treffen und eine Botschaft in Großbuchstaben: "Lasst uns Frieden machen!"
Die neue Rolle der USA
Diese Gespräche mit dem russischen und dem ukrainischen Außenminister lassen vermuten, dass hinter den Kulissen über neue Impulse für den stockenden Friedensprozess in der Ostukraine verhandelt wird. Seit Monaten wird spekuliert, dass sich die USA aktiver als bisher in diesen Prozess einschalten könnten. Kiew wünscht sich das. Bisher führen Deutschland und Frankreich im sogenannten Normandie-Format Gespräche mit Russland und der Ukraine.
Der ukrainische Außenminister Klimkin sagte im Mai, ein Treffen zwischen Trump und Poroschenko werde dann vorbereitet, wenn Beratungen über eine künftige Rolle der USA bei der Lösung der Ukrainekrise abgeschlossen sein werden. Berlins und Paris seien in diese Beratungen involviert.
Der Kiewer Journalist Serhij Rudenko glaubt, nach dem Treffen Trumps mit Poroschenko könne es Bewegung in der Ukrainekrise geben. "Es könnte ein neues Gesprächsformat mit Beteiligung der USA entstehen", sagte Rudenko der DW. Gesucht werde eine Lösung, die Kiew Kontrolle über die Ostukraine zurückgeben und Moskaus Gesicht wahren würde. Vieles dürfte jedoch von Gesprächen zwischen Trump und Putin abhängen. "Der Schlüssel" zur Lösung des Konflikts, so Rudenko, "liegt weiterhin in Moskau".
Die Krim drei Jahre nach der Annexion
Im März 2014 hat Russland die ukrainische Halbinsel Krim annektiert. Wie hat sich das Leben seitdem verändert? Was wurde aus Putins Versprechen? Wie steht es um die Rechte der Menschen und die Freiheit der Medien?
Bild: DW/R. Richter
Die Besetzung der Krim
Wladimir Putin als Held auf Graffitis und Plakaten - russische anstelle ukrainischer Fahnen. So veränderte sich das Straßenbild auf der Krim seit dem Frühjahr 2014. Innerhalb weniger Tage besetzten Uniformierte - ohne nationale Abzeichen - das Regierungsgebäude und das Parlament in Simferopol, später auch Kasernen des ukrainischen Militärs in der - zur Ukraine gehörenden - Autonomen Republik Krim.
Bild: DW/I. Worobjow
Referendum über den Anschluss an Russland
Trotz Protesten gab es am 16. März 2014 in Umgehung der Verfassung der Ukraine ein illegales Referendum über den Anschluss der Krim an Russland. Dass die Halbinsel im Jahr 1954 von der Russischen Sowjetrepublik an die Ukrainische Sowjetrepublik übertragen worden war, wurde nicht anerkannt. Der Beitritt der Krim zur Russischen Föderation wurde beschlossen.
Bild: Reuters
Krimtataren ohne Rechte
Wer die Annexion durch Russland ablehnt, wird verfolgt. Das trifft besonders die Krimtataren: Ihre Vertretung, der Medschlis, wurde 2016 als extremistische Organisation eingestuft. Es gibt immer wieder Durchsuchungen und Verhaftungen. Das weckt Erinnerungen: 1944 waren die Krimtataren als "Volksfeinde" von den Sowjets von der Halbinsel deportiert worden.
Bild: picture-alliance/dpa
Nur noch russisches Fernsehen
Statt der ukrainischen TV-Kanäle, die auf der Krim im Frühjahr 2014 abgeschaltet wurden, gibt es jetzt nur noch analoges russisches Fernsehen. Der unabhängige Kanal der Krimtataren ATR, der für die territoriale Integrität der Ukraine eintrat, sendet nun von Kiew aus. Auf der Krim darf er nicht mehr tätig sein. Auch viele andere Medien wurden verboten.
Bild: picture-alliance/AP Photo/A. Zemlianichenko
So kommt man legal auf die Krim
Nach ukrainischem Recht ist es Ausländern verboten, die Krim ohne Einwilligung der ukrainischen Behörden zu betreten. Wer dagegen verstößt, dem droht ein Einreiseverbot für die ganze Ukraine. Um legal auf die Krim zu gelangen, muss man die Kontrollpunkte an der "administrativen Grenze" zwischen der Krim und dem ukrainischen Festland passieren - mit dem Auto oder zu Fuß.
Bild: DW/L. Grishko
Sanktionen nach der Annexion
Die EU und die USA erkennen die Annexion der Krim durch Russland nicht an. Sie verhängten Sanktionen und verboten ihren Bürgern Käufe von Immobilien und Unternehmen auf der Krim. Waren von dort dürfen weder in die EU noch in die USA eingeführt werden. Zusätzlich wurden zahlreiche Sanktionen gegen bestimmte Personen, Unternehmen und Organisationen verhängt.
Bild: picture-alliance/Sputnik/A. Polegenko
Warten, dass Putin seine Versprechen einlöst
Wer beim Krim-Referendum für den Anschluss an Russland gestimmt hat, hofft, dass Putin seine Versprechen einlöst: eine Brücke zum russischen Festland, eine Gasleitung und Kraftwerke. Auch soziale Probleme sollten gelöst werden. Doch die Einkommen halten mit der Preissteigerung nicht mit. Berichte über Unmut und lokale Proteste gibt es nur in sozialen Netzwerken und unabhängigen Medien.
Bild: DW/R. Richter
Brücken-Auftrag für Putin-Freund
Der Bau einer Brücke über die Meerenge von Kertsch zum russischen Festland läuft auf Hochtouren. Den Bauauftrag im Wert von 228 Milliarden Rubel (ca. 3,7 Milliarden Euro) erhielt ein Unternehmen des russischen Oligarchen und Putin-Freunds Arkadi Rotenberg. Geplant sind vier Fahrspuren und zwei Eisenbahngleise. Ende 2019 soll diese Verbindung zum russischen Festland fertig sein.
Bild: picture-alliance/Tass/V. Timkiv
Umverteilung zugunsten der Russen
Kleinunternehmer auf der Krim leiden unter einer Umverteilung von Eigentum zugunsten russischer Geschäftsleute. Radio Liberty meldete, dass die Anzahl kleiner Firmen von 15.000 (2014) auf 1000 (2016) zurückgegangen sei. Probleme haben auch Besitzer von Immobilien an der Küste. Gerichte können Dokumente, die vor der Annexion ausgestellt wurden, für ungültig erklären.
Bild: DW/A. Karpenko
Große Verluste im Tourismus
Während der Badesaison sind auf der Krim alle Strände geöffnet. Doch der Zustrom von Touristen ist in den vergangenen drei Jahren um fast 30 Prozent eingebrochen. Bahnverbindungen sind unterbrochen, Flüge sind teuer. Wegen der EU-Sanktionen steuern Kreuzfahrtschiffe die Krim nicht mehr an.
Bild: DW/A. Karpenko
Historische Goldschätze landen in Kiew
Der Goldschmuck und die Waffen der mittelalterlichen Reiternomaden Skythen werden nicht mehr auf die Krim zurückkehren. Ende 2016 entschied ein niederländisches Gericht, die einzigartige Sammlung von 550 Artefakten aus Museen auf der Krim an Kiew zu übergeben. Die Goldschätze waren Teil einer Ausstellung, die zum Zeitpunkt der Krim-Annexion gerade in Westeuropa unterwegs war.
Bild: picture-alliance/dpa/B. Maat
Die Gewinner: Rentner mit russischem Pass
Seit der Annexion können die Krim-Bewohner etwa SIM-Karten für Mobiltelefone nur mit russischem Pass kaufen. Aber mit einem auf der Halbinsel ausgestellten Pass gibt es kein Visum für die EU oder USA. Gewinner der Annexion sind die Rentner, die einen russischen Pass angenommen haben. Ihre Rente wurde auf russisches Niveau angehoben. Frauen bekommen schon mit 55 statt erst mit 60 Jahren Rente.