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Politik

Von Trinidad nach Syrien

22. März 2017

Böses Erwachen in der Karibik: Im Inselstaat Trinidad und Tobago, nur wenige Flugstunden von den USA entfernt, rekrutiert der sogenannte Islamische Staat Kämpfer für den Jihad in Syrien. Warum in der Karibik?

Trinidad und Tobago Moschee in Two Princesses Town
Unter Beobachtung: Die ASJA Jammah Masjid Moschee in Two Princesses Town auf Trinidad und TobagoBild: picture-alliance/AP Photo/R. Nunes

"Die wirtschaftliche und soziale Situation ist ausschlaggebend. Sie ziehen nicht nur aus religiösen Gründen in den Krieg", erklärt  Umar Abdullah, Vorsitzender der "Islamischen Front Trinidad" gegenüber der DW. "Die Regierung stellt Muslime an den Pranger, sie kriegen keine Jobs, ihnen werden Verbrechen und Terrorismus unterstellt." 

Rund 1,3 Millionen Menschen leben auf Trinidad und Tobago, sechs Prozent der Bevölkerung bekennt sich zum Islam. Nach Informationen des einheimischen Ministeriums für Nationale Sicherheit sind in den vergangenen vier Jahren 130 Kämpfer und zahlreiche Familienangehörige nach Syrien ausgereist. Zum Vergleich: In den USA mit insgesamt 320 Millionen Einwohnern, waren es 250 Staatsbürger.

Die Bevölkerung der ehemaligen britischen Kolonie Trinidad und Tobago ist gemischt: Zu ihr gehören Nachfahren afrikanischer Sklaven und indischer Eisenbahnarbeiter sowie europäische und lateinamerikanische Einwanderer. Die Mehrheit bekennt sich zum christlichen Glauben, 18 Prozent sind hinduistisch.

Putsch im Namen Allahs

Seit der Ausreise karibischer Gotteskrieger nach Syrien steht nicht nur der Inselstaat  unter US-amerikanischer Beobachtung, sondern auch die "Islamische Front Trinidad". Im "Guide to Islamist Movements" (Führer islamistischer Bewegungen, Autor: Barry M. Rubin) wird die Bewegung als "potenzielle Bedrohung" eingestuft.

Zu radikal: Trinidads muslimische Verbände untersagten Prediger Imran N. Hosein bereits 2004 nach dessen Auftritt in der Mucurapo Moschee alle weiteren Reden Bild: picture-alliance/AP Photo/S. Bahadur

Anführer Umar Abdullah gilt als muslimischer Hardliner und scharfer Kritiker der US-Politik. Laut Buchautor Barry Rubin gehört er zu den islamischen Bewegungen, die im Zuge einer Welle von Kriminalität nach der Jahrtausendwende an Stärke gewonnen haben. Ein Schlüsselelement des "Afro-Trinidad-Islams" sei der Einfluss der "Black Power" Bewegung aus den 70er Jahren.

Bereits vor 27 Jahren machten auf Trinidad und Tobago radikale islamische Gruppen auf sich aufmerksam. Im August 1990 besetzten Rebellen der Bewegung "Jamaat al-Muslimeen" das Parlament in der Hauptstadt Port of Spain. "Allah hat den Premierminister gestürzt", verkündete damals ihr Anführer Yasin Abu Bakr im Fernsehen. Er werde Schluss machen mit Korruption, Raub, Inzest und Drogen. Nach sechs Tagen  gaben die Putschisten auf.

Abschied vom Calypso Paradies?

Schon damals erschien ein Putschversuch auf Trinidad schwer verständlich. Die Inselgruppe gilt als karibisches Urlaubsparadies, das seine Besucher mit Calypso-Rhythmen begrüßt. Mit einem Pro-Kopf-Einkommen in Höhe von 18.000 US-Dollar gelten Menschen für lateinamerikanische Verhältnisse als relativ wohlhabend.

Tropisches Paradies: Der Palmenstrand am Pigeon Point auf TobagoBild: PA/dpa

Doch der jüngste Verfall des Ölpreises macht dem Land schwer zu schaffen. Im vergangenen Jahr ging der Export von Öl um rund 70 Prozent zurück, die Ausfuhr von Gas schrumpfte um 45 Prozent. Die Einnahmeverluste ließen das Bruttoinlandsprodukt um 6,7 Prozent geringer ausfallen. Die Arbeitslosigkeit steigt.

"Wenn die Regierung ihre Hausaufgaben machte, würde sie die Jugendlichen in ihren Gemeinden und Ghettos aufsuchen, wo viele ein Leben ohne Perspektive führen", meint ein Leser der Zeitung "Daily Express" aus der Stadt Chaguanas. "Denn beim Islamischen Staat sind diese armen Seelen willkommen."

Bis jetzt richtete sich das Augenmerk der Regierung eher auf Moscheen statt auf Armenviertel. Mitte Februar berief Trinidads Minister für nationale Sicherheit General Edmund Dillon einen runden Tisch mit mehreren Vertretern islamischer Gemeinden ein. Dillon forderte die Gemeindevertreter auf, Informationen über potenzielle Anwerber von Jihad-Kämpfern oder Ausreisewillige an die Behörden weiterzugeben.

Gleichzeitig kündigte Trinidads Premierminister Keith Rowles an, seine Regierung wolle die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung unter Strafe stellen. Reisen in Kampfgebiete des IS sollen außerdem künftig einer Genehmigungspflicht unterliegen.

Schwierige Zusammenarbeit

In der ansonsten stark zerstrittenen muslimischen Community stießen die angekündigten Maßnahmen größtenteils auf Skepsis und Ablehnung. Nach Zeitungsberichten fürchten viele Gemeinden, dass diese zu einem negativen Image führen könnten. 

Impressionen aus Trinidad: Beim Karneval malen sich Mädchen aus Port of Spain ihre Gesichter weiß an Bild: picture alliance/blickwinkel/S. Rocker

"Es ist merkwürdig. Wir werden nicht von anderen religiösen Führern, sondern von der Regierung diskriminiert", kommentiert Umar Abdullah von der Islamischen Front. Abdullah und zahlreiche andere muslimische Anführer waren zu dem offiziellen Treffen mit Regierungsvertretern im Februar nicht eingeladen worden.

Eine Zusammenarbeit mit der Regierung in Sachen Terrorabwehr kann sich Umar Abdullah nicht so richtig vorstellen. Ob er Informationen über ausreisewillige Jihad-Kämpfer an die Behörden weitergeben würde, ließ er bewusst offen.

"Ich habe kein Problem damit, wenn einer nach Syrien gehen will", sagt er. "Doch wenn der Glaubensbruder meine Meinung hören will, dann würde ich ihm davon abraten. Hier auf Trinidad und Tobago gibt es noch genug zu tun, um den Islam zu verbreiten."

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