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Trinkwasser aus dem Meer?

Stuart Braun ts
22. März 2023

Mehr als zwei Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die Entsalzung von Meerwasser kann helfen, birgt aber auch Risiken für die Umwelt. Warum die Methode trotzdem eine Lösung sein kann.

Eine Welle trifft an der Küste auf Felsen bricht sich mit hoch aufspritzender Gischt (Foto: Nico Smit/Zoonar/picture alliance)
Das Meer könnte das rettende Ufer für wasserarme Gebiete seinBild: Nico Smit/Zoonar/picture alliance

Obwohl 70 Prozent der Erdoberfläche mit Wasser bedeckt sind, ist gerade einmal ein Prozent davon trinkbar. Hinzu kommt, dass die endliche Ressource Süßwasser sehr ungleichmäßig verteilt ist. In heißen und trockenen Regionen der Erde, in denen die Bevölkerung zusammen mit dem Lebensstandard wächst, gibt es nicht genügend Wasser für alle. Eine Situation, die durch den Klimawandel noch verschärft wird. Im Kampf gegen die Dürre gibt es bereits exotische Ansätze, wie das "Ernten" von Eisbergen, bei dem Eisberge abgeschleppt und in Trinkwasser umgewandelt werden sollen, oder das Erzeugen von Regen auf Knopfdruck durch die Injektion von Chemikalien in Wolken. Doch die haben sich in einem großen Maßstab noch nicht bewähren können.

Die Entsalzung von Meerwasser hat sich deshalb zu einer der wenigen realen und umsetzbaren Möglichkeit entwickelt wie sich Regionen, die unter Wasserarmut leiden, gegen die Dürre wappnen können. Die Idee an sich ist Jahrhunderte alt. Heute gibt es zum einen den Ansatz der thermischen Entsalzung und der umgekehrten Osmose. Bei ersterem wird das Wasser verdampft und destilliert, bei zweiterem werden Salz und Wasser durch eine Membran voneinander getrennt. Weltweit sind derzeit über 20.000 Entsalzungsanlagen in mehr als 170 Ländern in Betrieb – die zehn größten befinden sich in Saudi-Arabien, den Vereinigten Staaten, Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE).

Eine Entsalzungsanlage in Tel Aviv, Israel, einem Land, das zunehmend auf entsalztes Wasser angewiesen istBild: JIM HOLLANDER/Epa/picture-alliance

Fast die Hälfte des Frischwassers durch die Entsalzung von Meerwasser wird im Mittleren Osten und in Nordafrika gewonnen, so Manzoor Qadir, stellvertretender Vorsitzender der United Nations University for Water, Environment and Health. Diese trockenen Gebiete haben nur wenige andere Möglichkeiten an Wasser zu gelangen und sind auf die Entsalzung von Meerwasser angewiesen. Ihnen steht laut Qadir jährlich weniger als 500 Kubikmeter pro Kopf durch Regen oder andere Abflüsse zur Verfügung. Das ist etwa dreimal weniger als in den USA.

Neue Wasserquellen sind unerlässlich

Die Wasserarmut wird sich mit dem Bevölkerungswachstum und den steigenden Temperaturen weiter verschärfen, wobei Afrika südlich der Sahara bis 2050 zu "einem Hotspot der Wasserknappheit" werden dürfte, so Qadir. Meerwasser zu entsalzen sei eine gute Gelegenheit, vorhandene Ressourcen zu nutzen, auch weil die Kosten "extrem gesunken sind" sagt Qadir - von rund fünf Dollar pro Kubikmeter im Jahr 2000 auf aktuell durchschnittlich 50 Cent. "Da braucht man nicht lange nachzudenken", sagt Frithjof C. Kuepper vom Lehrstuhl für Artenvielfalt an der University of Aberdeen und Experte zum Thema "Umwelteinflüsse durch Entsalzungsanlagen" auf Zypern. "Für Länder wie Zypern, gibt es keine andere Möglichkeit, sofern sie ihren Lebensstandard halten wollen."

In der Republik Zypern, dem wärmsten und trockensten Land in der EU, kommen 80 Prozent des Trinkwassers aus der Entsalzung von Meerwasser, so Kuepper. Bereits in den 90er Jahren hätten schwankenden Niederschläge zu Wasserknappheit geführt. Damals hätte die zypriotische Regierung zunächst versucht, das Defizit durch den Import von Wasser aus Griechenland auszugleichen. "Das kostete aber zehn Mal mehr, als das Wasser zu entsalzen", so Kuepper weiter.  Deshalb habe die Regierung in den frühen 2000er Jahren begonnen, Entsalzungsanlagen zu bauen. Wasserknappheit sollte so vermieden werden. 

Folgen für die Meere und das Klima

Sowohl Kuepper als auch Qadir räumen ein, dass die vermeintliche Wunderwaffe gegen Wasserknappheit in ihrer jetzigen Form ernsthafte Probleme für die Umwelt mit sich bringt. Ein Grund ist, dass der Prozess sehr viel Energie verbraucht. Allein auf Zypern sind die Entsalzungsanlagen für rund zwei Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen und für fünf Prozent des Stromverbrauchs verantwortlich. Damit ist es einer der stromintensivsten Sektoren des Landes.

Meerwasserentsalzung gegen Wasserknappheit?

07:01

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Ein weiteres Problem ist die giftige Sole, ein hochkonzentrierter salzhaltiger Meerwasserrest, die bei dem Prozess entsteht. Das Gemisch hat gegenüber dem Meerwasser einen deutlich höheren Salzgehalt, wird aber oft wieder zurück ins Meer geleitet. Dort kann es den küstennahen Ökosystemen erheblichen Schaden zufügen. Ein von Manzoor Qadir mit verfasster Bericht zeigt auf, dass ein hoher Salzgehalt zusammen mit dem klimabedingten Temperaturanstieg im Wasser zu einem niedrigeren Sauerstoffgehalt führen kann. Dies hat eine sogenannte Hypoxie, ein Sauerstoffmangel, zur Folge. Dieses stark salzhaltige Wasser kann auf den Meeresboden sinken und Mikroorganismen im Wasser abtöten, die für die gesamte Nahrungskette lebenswichtig sind. Außerdem werden auch chemische Verbindungen wie Kupfer und Chlorid im Entsalzungsprozess eingesetzt, die laut des Berichts für die Organismen im Wasser giftig sein können.

Wie kann Entsalzung nachhaltig werden?

Laut den Autoren der Studie liegt die Lösung für die hohen CO2-Emissionen darin, Wind- und Sonnenenergie für den Betrieb von Entsalzungsanlagen einzusetzen. Das Berliner Unternehmen Boreal Light zum Beispiel hat Entsalzungsanlagen entwickelt, die sich komplett aus erneuerbaren Energien speisen und unabhängig vom Stromnetz und von Entwicklungen der Strompreise produzieren. "Das Wasser gibt es umsonst, den Strom gibt es umsonst aus Wind und Sonne. Dadurch können wir 1000 Liter [frisches Wasser] für 50 Cent produzieren", so Ali Al-Hakim, Mitgründer von Boreal Light im Gespräch mit der DW. Laut Al-Hakim können ihr Angebot und die Preise für einen Kubikmeter Wasser mit den Preisen für Frischwasser aus Flüssen oder Brunnen konkurrieren.

Eine Dorfbewohnerin holt Trinkwasser aus einer Wasserentsalzungsanlage in Bonbibi Tala in Satkhira, BangladeschBild: Mahmud Hossain Opu/AP/picture alliance

Die ausgeschiedene giftige Sole könnte laut Kuepper mit speziellen Rohren auch dort ins Meer abgelassen werden, wo sie weniger Schaden anrichtet. Besser sei es allerdings, die Abfallstoffe an Land zu lassen. Eine Studie aus dem Jahr 2019 zeigt, wie Natrium, Magnesium, Kalzium, Kalium, Brom, Strontium, Lithium, Rubidium und Uran aus dem gefilterten Material gewonnen und in Industrie und Landwirtschaft wiederverwendet werden könnten. Die Gewinnung dieser Ressourcen sei jedoch wirtschaftlich nicht wettbewerbsfähig, meint Qadir. Dies müsse sich ändern, da die Wiederverwendung eine wichtige nachhaltige Lösung sei, ergänzt er. Insbesondere "in Ländern, die große Mengen an Sole mit relativ geringer Effizienz produzieren, wie Saudi-Arabien, die VAE, Kuwait und Katar".

Recycling von Meerwasser-Sole? 

Wissenschaftler der US-Forschungseinrichtung Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben Möglichkeiten zur Wiederverwendung von Salzsole vorgeschlagen, indem sie das Salz zur Herstellung von Natronlauge oder Natriumhydroxid verwenden. Neueste Verfahren zur Wasseraufbereitung befinden sich laut Qadir zwar noch im Anfangsstadium, doch die neuesten und modernsten Anlagen in den USA produzieren schon heute weniger Salzsole.

Etwa 12 Prozent des weltweit entsalzten Wassers wird in den USA gewonnen, aber nur 4 Prozent der weltweiten Sole, erklärt Qadir. Im Gegensatz dazu kommt die Hälfte des entsalzten Wassers aus Regionen im Nahen Osten und Nordafrika. Da die Anlagen dort zum Teil nicht so effizient und modern seien, kommen 70 Prozent der gesamten weltweiten Sole aus diesen Regionen. Mit einer verbesserten Technologie werden sich die Auswirkungen auf Klima und Umwelt verringern, so Qadir. Für Kuepper geht in Zukunft kein Weg an der Entsalzung vorbei. "Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass sie dann auch nachhaltig ist."

Aus dem Englischen adaptiert von Tim Schauenberg.

Sauberes Wasser durch Sonne, Wind und Technik

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Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.
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