England startet weltweit erstes Impfprogramm gegen Tripper
23. Mai 2025
Gonorrhö, Syphilis und Chlamydien: Jeden Tag stecken sich weltweit über eine Million Menschen mit einer Geschlechtskrankheit an.
Nach Schätzungen der WHO gibt es mehr als 80 Millionen neue Gonorrhö-Erkrankungen pro Jahr - besonders stark ist der Anstieg in Europa. In der Europäischen Union wurden im Jahr 2023 fast 100.000 Fälle gemeldet - das entspricht einem Anstieg von 31 Prozent gegenüber 2022. Betroffen sind vor allem junge Erwachsene zwischen 20 und 24 Jahren, zudem homosexuelle und bisexuelle Männer mit vielen Sexualpartnern.
Wie hoch die tatsächliche Infektionszahl ist, lässt sich nur erahnen, denn in vielen Ländern werden keine Tests durchgeführt und Infektionen nicht umfassend gemeldet.
In England haben sich 2023 über 85.000 junge Menschen mit Tripper – wie Gonorrhö umgangssprachlich heißt – infiziert. Das sind dreimal so viele wie noch 2012, es ist der höchste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1918.
Hoffen auf die Kreuzschutzwirkung
Die hochansteckende Geschlechtskrankheit breitet sich nicht nur rasant aus. Sie geht mit schmerzhaften Symptomen einher und kann im schlimmsten Fall zu Unfruchtbarkeit führen. Und der Erreger zeigt sich immer häufigerresistent gegen die Behandlung mit Antibiotika. In England soll deshalb ab August 2025 eine ungewöhnliche Impfaktion starten.
Denn bislang gibt es noch keine spezifische Impfung gegen Tripper, der durch das Bakterium Neisseria gonorrhoeae verursacht wird. Zum Einsatz soll ein Impfstoff gegen Hirnhautentzündung (Meningitis) kommen, die durch Meningokokken verursacht wird. Es handelt sich also um zwei unterschiedliche Bakterienarten, die verschiedene Krankheiten verursachen.
Allerdings bieten einige Meningokokken-B-Impfstoffe eine "Kreuzschutzwirkung", sie wirken zum Teil auch gegen das Bakterium Neisseria gonorrhoeae, also gegen einen Erreger, für die sie ursprünglich nicht gedacht waren.
Bislang wurden Meningokokken-B-Impfstoffe nicht direkt gegen Tripper verimpft, weil eine Kreuzschutzwirkung zwar möglich, aber nicht stark genug ist, um eine allgemeine Impfung gegen Tripper zu rechtfertigen. Denn die Wirksamkeit des Impfstoffs mit dem Namen 4CMenB bei Tripper liegt bei nur 30 bis 40 Prozent. Trotzdem hofft die britische Gesundheitsbehörde NHS, die rasant steigenden Infektionszahlen so senken zu können.
Geteilte Reaktionen bei Fachleuten
"Die Einführung der weltweit ersten Routineimpfung gegen Gonorrhö ist ein enormer Fortschritt für die sexuelle Gesundheit und wird entscheidend zum Schutz des Einzelnen beitragen. Sie trägt dazu bei, die Ausbreitung der Infektion zu verhindern und die steigende Zahl antibiotikaresistenter Bakterienstämme zu verringern", rechtfertigte Dr. Amanda Doyle vom NHS die Entscheidung gegenüber der BBC.
Ähnlich sieht dies auch Prof. Matt Phillips, Präsident der British Association for Sexual Health and HIV: "Das sind hervorragende Neuigkeiten und ein Meilenstein für die sexuelle Gesundheit in England", so Philipps gegenüber der BBC.
Die deutschen Gesellschaft zur Förderung der sexuellen Gesundheit (DSTIG) ist da deutlich zurückhaltender. Aus ihrer Sicht stellt die Impfung mit 4CMenB "als direkt verfügbare Maßnahme eine Möglichkeit dar, um vor dem Hintergrund steigender Diagnoseraten und der besorgniserregenden Entwicklung antimikrobieller Resistenzen zur Reduktion der Gonorrhö in Personengruppen mit erhöhtem Infektionsrisiko beizutragen", heißt es in einer DSTIG-Stellungnahme vom Juni 2024.
Allerdings wird die Meningokokken-B-Impfung in Deutschland nicht als Standardimpfung gegen Tripper empfohlen. "Die zum jetzigen Zeitpunkt vorliegende Studienlage lässt keine sicheren Schlüsse zur Effektivität der 4CMenB-Vakkzine gegen Infektionen mit N. gonorrhoeae zu", heißt es in der Stellungnahme.
Zwar gab es "in mehreren Beobachtungsstudien statistisch signifikante Effekte mit einer Reduktion der Inzidenz von Gonokokkeninfektionen von 23 bis 59 Prozent". Allerdings zeigte sich "in der bisher einzigen randomisierten kontrollierten Studie kein statistisch signifikanter Effekt."
Antibiotika-Resistenzen erschweren Tripper-Behandlung
Bis es eine wirksame Impfung gibt, sind die Prävention und eine frühe Behandlung entscheidend, um die rasante Ausbreitung der Gonorrhö zu verhindern. Grundsätzlich können sexuell übertragenen Krankheiten (STI) gut behandelt werden, wenn sie früh genug diagnostiziert werden.
In der Regel werden Gonorrhö-Erkrankungen mit Antibiotika behandelt. Da aber immer mehr Stämme von Neisseria gonorrhoeae resistent gegenüber üblichen Medikamenten sind, erschwert dies eine effektive Behandlung. Wie für so viele andere Erkrankungen auch, bräuchte es dringend die Entwicklung neuer Therapien.