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Politik

Vom Wert des Lebens

7. April 2019

Genetische Erkrankungen eines Ungeborenen lassen sich längst schon im Mutterleib feststellen. Oft mit fatalen Folgen für das Kind. Nun befasst sich die deutsche Politik mit solchen Früherkennungen. Ein emotionales Thema.

Niederlande Give Down the Future Fußballturnier
Bild: Getty Images/AFP/R. Utrecht

Der Zeitplan steht: An diesem Montag wird das Parteipräsidium der CDU über vorgeburtliche genetische Bluttests beraten. Am Donnerstag will der Bundestag darüber debattieren, ob solche Gentests, mit denen das Risiko von Trisomie bestimmt werden kann, künftig von den Krankenkassen bezahlt werden sollen. Die Debatte werde wie andere medizinisch-ethische Fragen "breit zu führen sein", sagte eine CDU-Sprecherin. Die Zeitung "Welt am Sonntag" hatte über kontroverse Diskussionen in der Unionsfraktion zu diesem Thema berichtet.

Mit Trisomie 13, 18 und 21 werden Chromosomenstörungen bezeichnet. Trisomie 21 ist auch als Down-Syndrom bekannt. Hier ist das Chromosom 21 dreifach vorhanden und nicht wie üblich doppelt. Die Betroffenen haben also in jeder Zelle ein Chromosom mehr als andere Menschen, nämlich 47 statt 46. Und das ist keine Krankheit, sondern eine genetisch bedingte, nicht veränderbare Veranlagung.

Die Folgen der Pränataldiagnostik

Seit 2012 können schwangere Frauen mit einem Bluttest abklären, ob beim Fötus eine Trisomie vorliegt. Unter Politikern und Ethikexperten ist der vorgeburtliche Gentest umstritten. Mediziner und Behindertenverbände gehen davon aus, dass sich neun von zehn Eltern bei einer entsprechenden Diagnose für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden.

Verlässliche Zahlen gibt es aber auch hier nicht. Kirchen und Behindertenverbände warnen vor immer ausgefeilteren Methoden der Pränataldiagnostik. Sie fürchten, dass der Druck zur Abtreibung zunehmen und die Akzeptanz für Menschen mit Down-Syndrom abnehmen könnte.

RambaZamba – Schauspieler mit Down-Syndrom

04:35

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"Wie gehen wir damit um?"

Die Augsburger Moraltheologin Kerstin Schlögl-Flierl spricht in einem Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) von einem "faktischen Screening auf Behinderungen". Der Test habe keinerlei therapeutische Funktion. Stattdessen steige der Erwartungsdruck, ein gesundes Kind zu bekommen, ebenso wie der entsprechende Anspruch der Gesellschaft. Das habe "Konsequenzen für die Selbstwahrnehmung der Menschen mit Behinderung, aber auch für den Umgang der Gesellschaft mit behindertem, krankem oder erblich belastetem Leben".

Die SPD-Abgeordnete Dagmar Schmidt, die selbst Mutter eines Sohnes mit Trisomie 21 ist, fordert in der "Welt am Sonntag", die Entscheidung nicht nur im zuständigen Bundestagsausschuss zu treffen. Es müsse im gesamten Parlament eine ethische Debatte über die Grenzen des Machbaren geführt werden. "Was können wir erkennen, was wollen wir erkennen und wie gehen wir mit diesem Wissen um?"

Die behindertenpolitische Sprecherin der Grünen, Corinna Rüffer, sagte der Zeitung: "Wir müssen weg von der Frage der Kassenzulassung hin zu einer ethischen Debatte darüber, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. Wollen wir eine Gesellschaft, in der nur noch gesunde und leistungsfähige Kinder geboren werden und die anderen vorgeburtlich aussortiert werden?"

rb/AR (afp, kna)